Energiewende:Warme Worte

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Wer sein Haus in Styropor einpackt, senkt nicht nur seine Heizkosten, sondern sichert auch den Wert seiner Immobilie. Doch das scheint vielen Eigentümern zurzeit nicht dringend. (Foto: Sean Gallup/Getty)

Die Politik will den Energieverbrauch von Gebäuden senken. Doch weil Heizen so günstig ist, saniert kaum jemand. Und strikte Vorgaben meidet die Politik.

Von Michael Bauchmüller und Benedikt Müller, Berlin/München

Wenn gar nichts mehr geht, hilft Werbung immer. So schauen derzeit von deutschen Plakatwänden wahlweise Astronauten oder Langschläfer aufs Publikum. Der eine wirbt für sinkende Heizkosten, die drei im Bett fürs Energiesparen. "Deutschland macht's effizient", so heißt die aktuelle Kampagne des Bundeswirtschaftsministeriums. Wie so oft in der Werbung, liegen die Dinge in Wahrheit ein wenig anders: Deutschland macht's überhaupt nicht effizient. Der Energieverbrauch von Gebäuden sinkt nur langsam.

Der Energieverbrauch sinkt nicht schnell genug. Die Klimaziele der Regierung sind in Gefahr

Und das, obwohl diverse Regierungen seit Jahren daran arbeiten. Milliardenprogramme für die Gebäudesanierung wurden ausgelobt, Vorgaben für neue Häuser verschärft, Strategien ersonnen und Plakatwände beklebt. An dem Problem aber hat sich nicht viel geändert: Rund 40 Prozent der deutschen Energie werden in Gebäuden verbraucht. Und häufig eben auch in Häusern, bei denen die Wärme unsichtbar durch Ritzen und Fenster verschwindet. "Der Heizölbedarf fällt nicht in den Dimensionen, die nötig wären", sagt der Energieexperte Hans-Joachim Ziesing, der auch der Monitoríng-Kommission der Regierung zur Begutachtung der Energiewende angehört. "Der Gebäudebereich bleibt neben dem Verkehr der Bereich, wo am meisten getan werden muss."

Dabei kann viel getan werden: Moderne Heizungen verbrauchen 30 Prozent weniger Energie als alte Öl- und Gasanlagen. Auch wer in neue Fenster investiert oder sein Haus in Styropor einpackt, spart Heizkosten und sichert nebenbei den Wert seiner Immobilie. Doch viele Eigentümer sehen zurzeit keinen Handlungsbedarf, sagt Ralph Henger vom Institut der deutschen Wirtschaft: Eine Kilowattstunde Heizöl kostet heute nur noch sechs Cent. "Das reduziert die Anreize erheblich", sagt der Ökonom.

Zudem gebe es so viele verschiedene Förderprogramme - von der staatlichen Förderbank KfW über das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) bis hin zu kommunalen Programmen -, dass Hausbesitzer gar nicht mehr durchblickten. Gleichzeitig werden die Auflagen vieler Förderer strenger. "Angesichts wechselnder Rahmenbedingungen wissen viele Eigentümer nicht, wann sie investieren und an wen sie sich wenden sollten", sagt Henger. Und wenn sie sich für eine Sanierung entscheiden, müssen sie lange warten, bis Handwerker oder Baufirmen Zeit haben. "Die Bauwirtschaft ist zurzeit stark mit dem Neubau beschäftigt."

So kommt es, dass etwa die KfW im Jahr 2015 weniger Effizienzhäuser und Sanierungen gefördert hat als im Vorjahr. Die zinsgünstigen Darlehen der staatlichen Bank sind nicht mehr so attraktiv, weil die Zinsen allgemein niedrig sind. Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung berichtet, dass seit 2010 vor allem weniger in Dämmung und Komplettmodernisierung von Häusern investiert wird. Hersteller von Dämmstoffen wie Sto aus Baden oder Knauf aus Franken konstatieren eine "unerwartet verhaltene" Nachfrage.

Dadurch rücken die Klimaziele der Bundesregierung in weite Ferne. Eigentlich sollte schon bis 2020 der Wärmebedarf der hiesigen Gebäude um 20 Prozent sinken, im Vergleich zu 2008. Bis zum Jahr 2050 sollen dann fast alle Gebäude klimaneutral sein. Dazu müssten jedes Jahr zwei Prozent der Häuser energetisch saniert werden, rechnet das IW vor. Zurzeit liegt diese Rate unter einem Prozent.

Das liegt nach Ansicht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung auch daran, dass viele Wohnungsunternehmen bereits vorgelegt haben. "Die großen Player haben große Teile ihres Bestands saniert", sagt Forscher Claus Michelsen. Jetzt seien die Eigenheimbesitzer und privaten Vermieter gefragt. Doch sie investieren traditionell weniger.

Werbung und Beratung sollen es richten. Doch das bringt bislang nicht viel

Die Bundesregierung selbst wäscht ihre Hände in Unschuld. In den nächsten fünf Jahren stünden allein 17 Milliarden Euro für die Energieeffizienz zur Verfügung, wirbt etwa das Bundeswirtschaftsministerium, davon knapp die Hälfte für das Gebäudesanierungsprogramm. Weitere 1,7 Milliarden gebe man für Ökoenergien im Wärmemarkt, knapp 1,9 Milliarden Euro für die "Optimierung" von Heizungen und deren Pumpen. Aber reicht all das?

"Es gibt viel guten Willen, aber die handfesten Maßnahmen fehlen", sagt Energieforscher Ziesing. "Man kann das nicht erreichen, wenn man zugleich zwei Tabus beachten muss - erstens, kein Ordnungsrecht, und zweitens die schwarze Null." Wirkungsvoller sei da eine Steuer auf Kohlendioxid, auch auf jenes aus Heizungskaminen. "Das würde Anreize schaffen, weil es die Konsumenten unmittelbar trifft."

Von derlei Vorgaben aber ist die große Koalition weit entfernt. Werbung und Beratung sollen es richten, doch viele der Beratungsangebote verpuffen ohne große Nachfrage. Ursprünglich sollten einmal steuerliche Anreize Hausbesitzer locken, eine Sonderabschreibung für Sanierungen. Nur konnte "die notwendige Einigung mit den Ländern insbesondere zur Gegenfinanzierung nicht abschließend erreicht werden", heißt es im internen "Umsetzungsstand" des Bauministeriums. Stattdessen gibt es nun weitere Zinsverbilligungen "für die Wärmewende im Heizungskeller" - in Zeiten, in denen sich Bauherren ohnehin recht günstig verschulden können. Derweil werkelt der Bund seit Monaten an einem "Klimaschutzplan", er soll die Republik bis 2050 weitestgehend von Treibhausgasen befreien. Doch an konkreten Vorschlägen enthält er nicht allzu viel - abgesehen von der Idee, spätestens von 2030 an auf die Installation neuer Heizungen zu verzichten, die Erdgas oder Öl verbrennen. Ansonsten ist auch dieser Plan voll von "Strategien" - und leer an fixen Vorgaben.

© SZ vom 08.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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