Automobilbranche:Volkswagen ist nicht Tesla

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Fan und Vorbild: VW-Chef Herbert Diess (l.) mit Tesla-Chef Elon Musk. (Foto: picture alliance/dpa/Volkswagen)

VW-Chef Herbert Diess eifert Elon Musk nach. Das bringt immer wieder Drama mit sich, wie diese Woche. Der Konzern hat keine Zeit für solches Schauspiel.

Kommentar von Max Hägler

In dieser Woche war Volkswagen wieder mal eine Bühne, die unterhaltsamen Stoff bietet. Da schickte zu Wochenbeginn Herbert Diess, der Chef, ein munteres Selfie von sich und einem Elektro-VW in die Welt. Ein Wochenendausflug in die Steiermark, bei dem beide in der Sonne glänzten.

Die Arbeitnehmervertreter in Europas größtem Industriekonzern können mit dieser von ihm oft geübten Selbstdarstellung wenig anfangen, aber die neue Betriebsratschefin Daniela Cavallo hat ihn bislang still machen lassen. Doch in dieser Woche platzte ihr nachvollziehbar der Kragen: Diess agiere beispiellos provokativ, noch nie in der Geschichte von Volkswagen habe sich ein Manager in Krisenzeiten so ignorant und respektlos gegenüber der Belegschaft verhalten, schrieb sie sinngemäß in einem Brief, der so offen wie scharf war. Es ging um seine Selbstdarstellung, aber vor allem darum, dass der Vorstandsvorsitzende auch in Wolfsburg die Bühne ganz für sich haben will. Wegen eines Trips zu Investoren in die USA könne er nicht an der ordentlichen Betriebsversammlung teilnehmen (der ersten seit zwei Jahren), teilte er mit. Stattdessen hatte er eine eigene Audienz für 200 Mitarbeiter anberaumt.

Cavallos Botschaft wirkte. Diess kommt jetzt doch, der Investorenbesuch ist verschoben. Der Vorhang könnte nun fallen und die Zuschauer - völlig zutreffend - sagen: Da hat sich richtige Seite durchgesetzt. Diplomatische Arbeitnehmer-Frau siegt über frechen Arbeitgeber-Mann, quasi. Wolfsburg über die Wall Street. Mitbestimmung über Großkapital.

Doch der nächste Akt wird zuverlässig kommen - und das zugrunde liegende Problem ist größer als diese Szenen.

Denn Diess hat die Billion vor Augen, also Elon Musk, der Tesla mittlerweile auf diesen Börsenwert gepuscht hat. Der VW-Konzern baut etwa 20 Mal so viele Fahrzeuge wie Tesla - aber ist nur ein Siebtel so viel wert, trotz all der Marken von Audi bis Porsche. Ein Aufholen scheint fern, braucht gerade die Kernmarke VW für den Bau eines Autos doppelt so lang wie der US-Konkurrent.

Volkswagen muss moderner werden - aber nicht indem man der US-Konkurrenz nacheifert

Der auf den ersten Blick nachvollziehbare Plan von Diess: VW soll so werden wie Tesla. Dazu eifert er auch persönlich Elon Musk nach. Alles zahlt darauf ein. Seine Kommunikationsstrategie samt Selfies und Live-Gesprächen mit dem Vorbild, die geplante USA-Reise zu Investoren sowie der Druck seines Vorstands gerade auf die Zentrale in Wolfsburg. Mehr Effizienz! Schnellere Entscheidungen! Sonst wird die Lage bald existenzbedrohlich!

Der Befund stimmt, ja, aber Diess muss sich auch gewahr sein: Für den Erfolg von VW ist der Börsenwert nicht das Ausschlaggebende. Das Land Niedersachsen sowie die Familien Porsche und Piëch halten drei Viertel des Unternehmens. Die Finanzen sind im Moment gut geregelt. Und die Leute bei VW sind ihrem Unternehmen treuer verbunden, als es anderswo der Fall ist, was auch an der gesetzlich verankerten besonderen Mitsprachemöglichkeit liegt.

Diese Strukturen kann man nur als Hemmnis wahrnehmen, gerade wenn man es wie Diess immerzu mit Tesla vergleicht, wo Musk als alleiniger Herrscher regiert. Oder man nimmt VW als dass, was es auch ist: ein Konzern, der eine hohe Kompetenz hat und ein starkes Fundament. Und der ungeheuer kompliziert ist und auch verkrustet, natürlich auch das. VW muss sich definitiv erneuern. Aber der fortwährende Gebrauch zerstörerischen Geräts durch Diess - die von VW-Mitarbeitern verwendeten Bilder dazu variieren von Vorschlaghammer bis hin zum Brandstiften - tut dem Unternehmen nicht gut. Zumindest nicht in dieser Frequenz. Denn die kleinen und großen Schauspiele und Reibereien kosten Aufmerksamkeit in allen Abteilungen, bei allen 670 000 Leuten. Und verschwenden damit Zeit, die VW tatsächlich nicht hat.

Zumal ja eigentlich alle maßgeblichen Kräfte, auch die Arbeitnehmer unter der eigentlich ausgleichenden Cavallo, diesen Laden erfolgreich in die Zukunft führen wollen, an dessen Ende das selbstfahrende Elektroauto steht und möglichst viele Jobs. Dieser Weg ist ohnehin verdammt anstrengend und schwierig - auch ohne kommunikatives Drama.

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