München:Offenbacher Siemens-Beschäftigte empört über Job-Abbau

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Offenbach/München (dpa) - Die grauen Wolken über dem Offenbacher Kaiserlei passen zur trüben Stimmung der rund 600 Beschäftigten der Siemens-Niederlassung. Sie rechnen an diesem Freitag fest damit, ihren Arbeitsplatz zu verlieren, obwohl ihr Unternehmen noch im vergangenen Jahr 6,2 Milliarden Euro netto verdient hat. 6900 Stellen will der Dax-Konzern weltweit streichen, wahrscheinlich gehören sämtliche rund 700 Jobs an dem auf Kraftwerkstechnik spezialisierten Standort Offenbach dazu.

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Offenbach/München (dpa) - Die grauen Wolken über dem Offenbacher Kaiserlei passen zur trüben Stimmung der rund 600 Beschäftigten der Siemens-Niederlassung. Sie rechnen an diesem Freitag fest damit, ihren Arbeitsplatz zu verlieren, obwohl ihr Unternehmen noch im vergangenen Jahr 6,2 Milliarden Euro netto verdient hat. 6900 Stellen will der Dax-Konzern weltweit streichen, wahrscheinlich gehören sämtliche rund 700 Jobs an dem auf Kraftwerkstechnik spezialisierten Standort Offenbach dazu.

„Wir werden in der Konzernlandschaft nicht mehr gebraucht“, fasst Maximilian Gerstenhöfer den Eindruck seiner Kollegen im Anschluss an eine Betriebsversammlung zusammen. Gerstenhöfer ist wütend: „Unsere Arbeit ist nichts mehr wert, weil ein paar Leute auf dem Papier ausrechnen, was es bringt, Standorte zusammenzulegen.“ Wenn er nicht umziehe, sei er seinen Job los.

Am Vortag hatte der Münchener Dax-Konzern neben den geplanten Werkschließungen in Görlitz und Leipzig auch den Standort Offenbach mit rund 700 Stellen massiv in Frage gestellt. Die dort vorhandenen Kompetenzen zur Kraftwerksplanung sollen künftig im 200 Kilometer entfernten Erlangen konzentriert werden, kündigte Divisionsleiter Willi Meixner an. Von diesem „Move“ habe das Management während der Betriebsversammlung wiederholt gesprochen, es aber konsequent vermieden, das Wort „Schließung“ in den Mund zu nehmen.

Das kam bei den Mitarbeitern schlecht an. „Es bedeutet im Klartext Schließung. Dann soll man das auch so kommunizieren“, empört sich eine Ingenieurin. Ein Kollege, der seit 22 Jahren Kraftwerke plant, wird noch deutlicher: Wir fühlen uns verarscht.

Das sind miserable Noten für die Personalvorständin Janina Kugel. In die Angst um den Arbeitsplatz mischt sich bei den Offenbachern Empörung über das Management. Vielen stößt sauer auf, dass niemand aus der Geschäftsführung nach Offenbach gekommen ist, sondern das Streichkonzert über Videokonferenzen und Webcasts verkündet wurde. Er habe mehr Courage erwartet, sagt Betriebsrat Karsten Kronbach. Seinen Angaben zufolge erwirtschaftet die Sparte 1,5 Milliarden Euro Gewinn. Wegen eines Großauftrags aus Ägypten würden Überstunden gemacht, dass die Mitarbeiter nicht mehr ein noch aus wüssten. Bei Bekanntwerden der Pläne aus München hätten viele Tränen in die Augen gehabt.

Von Montag an will der Betriebsrat mit Mahnwachen um den Standort kämpfen. Die von Kugel avisierten Verhandlungen mit den Arbeitnehmern sollen zum Jahresbeginn aufgenommen werden, berichtet die Offenbacher Bevollmächtigte der IG Metall, Marita Weber. Einen Zeitplan gebe es aber noch nicht. „Wir werden den Standort nicht ohne Widerstand aufgeben, wir haben uns gerade erst warm gelaufen“, kündigt sie an. Die Gewerkschaft will Alternativen entwickeln, um die Jobs und den Standort Offenbach zu retten. Um das Schaltanlagenwerk im benachbarten Frankfurt-Fechenheim geht es in diesem Moment nicht.

Die Kraftwerksplanung von Siemens sitzt bereits seit den 1970er Jahren in Offenbach. Sie gehörte zunächst zur Kraftwerksunion (KWU), die später in das Kernkraftunternehmen Areva und die jetzt in Frage gestellte Siemens-Abteilung aufgeteilt wurde.

Für den Industriestandort sind die Pläne des Dax-Konzerns ein herber Rückschlag. Nach Angaben der Stadt Offenbach könnten neue Arbeitsplätze eher in der Finanzbranche wie bei der Helaba und der Axa-Versicherung entstehen.

Die Landespolitik stellt sich mehrheitlich hinter die Siemens-Belegschaft, wenn auch die FDP „hysterische Klimaschutzpläne“ und „mangelnde Wettbewerbsfähigkeit“ des Standortes Hessen beklagt. Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) erwartet eine konstruktive Lösung im Sinne der Arbeitnehmer. In einem Gespräch mit der Siemens-Unternehmensleitung habe er klar formuliert, dass eine solche Lösung in partnerschaftlicher Weise mit der Unternehmensleitung, dem Betriebsrat und den Gewerkschaften erarbeitet werden müsse.

Hessens SPD-Chef Thorsten Schäfer-Gümbel hielt dem Siemens-Management unternehmerische Versäumnisse vor. „Dass die konventionellen Großkraftwerke, wie Siemens sie baut, beim globalen Umstieg auf erneuerbare Energien nicht mehr im gewohnten Umfang gebraucht werden, ist keine Überraschung, sondern seit vielen Jahren erkennbar“, erklärte der Sozialdemokrat. Die Beschäftigten würden zu einer „namenlosen Manövriermasse“ degradiert, hätten aber intelligentere Lösungen als den personellen Kahlschlag verdient.

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