Elektro-Autos:Peking zeigt den Deutschen, wie man Batterien baut

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Bundeskanzlerin Angela Merkel und Ministerpräsident Li Keqiang freuen sich über gemeinsame Projekte. Der Vertrag für das Werk in Thüringen wurde am Rande der Regierungskonsultationen unterzeichnet. (Foto: dpa)
  • Die europäische Industrie verliert bei der Entwicklung von Batterien für E-Autos den Anschluss.
  • Nun plant ein chinesisches Unternehmen ein Werk in Thüringen und will die Technologie in Deutschland voranbringen.
  • Schlüsselkunde ist dabei BMW. Ab 2021 kommen aus dem neuen Werk Zellen für das elektrische und weitgehend autonom fahrende Modell "iNext".

Von Michael Bauchmüller, Berlin, und Max Hägler, Berlin/München

Es war mal wieder eine Technik, bei der man in Europa den Anschluss verpasst hatte. Markus Duesmann erinnert sich noch genau daran, vor einem Jahrzehnt war das. Der Ingenieur konstruierte damals Formel-1-Motoren, erst bei Mercedes, dann bei BMW. Hybridantriebe waren zu der Zeit erstmals gefragt, also die Kombination aus hochtourigen Benzinmotoren und kleinen Elektromotoren, die zusätzliche Leistung geben. "Wir haben Hochleistungsakkus gebraucht, die schnell viel Energie aufnehmen und abgeben können, aber da gab es in Europa nichts", erinnert er sich. Die Lösung: Batterien für Modellbau-Flugzeuge - aus Asien. Mit ein paar Kniffen waren sie auch für Formel-1-Autos brauchbar.

Und heute? Ist die Autoindustrie immer noch auf Asien angewiesen, wenn es um Stromspeicher geht. Der BMW i3, der Pionierwagen, wird mit Batteriezellen von Samsung aus Südkorea bestückt. Und die kommenden Elektromodelle - zwölf reine E-Autos planen sie bei BMW bis zum Jahr 2025 - werden zudem auch von einem chinesischen Hersteller namens CATL bestückt. Aber jetzt nimmt die Zusammenarbeit eine neue Dimension an. Denn die Chinesen wollen eine Fabrik bauen - in Thüringen, Deutschland.

Ein entsprechender Vertrag wurde an diesem Montag unterzeichnet, am Rande der deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen. Im Herzen Thüringens, wo einst Solarzellen gefertigt wurden, bis die Konkurrenz aus China übermächtig wurde, soll CATL demnächst Batterien fertigen. Schlüsselkunde ist dabei BMW. Von 2021 an kommen aus dem neuen Werk Zellen für das elektrische und weitgehend autonom fahrende Modell "iNext".

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Bis jetzt habe man Akkus im Wert von vier Milliarden Euro bei CATL vorbestellt, sagt Duesmann, der beim Münchner Autobauer mittlerweile für die Teilebeschaffung verantwortlich ist. 2011, als die Zusammenarbeit begann, sei diese chinesische Firma noch ein "winzig kleines" Start-up gewesen, erinnert sich der BMW-Manager. Heute ist CATL weltgrößter Hersteller von Batteriezellen im Autobereich und beliefert auch andere europäische Hersteller.

Die rasante Geschichte passt zum Tempo des Wandels. Weil immer mehr Wagen elektrisch fahren sollen, sind nach Schätzungen der EU-Kommission zehn bis 20 Batteriefabriken nötig, um den Bedarf in Europa von 2025 an zu decken. Brüssel hat vor Monaten schon einen "strategischen Aktionsplan" in Sachen Batterien aufgelegt. Da geht es nicht nur um die Produktion auf dem Kontinent, nein: Man müsse die Technologie zurückholen nach Europa, fordert etwa Maroš Šefčovič, Vizepräsident der Kommission. Die Entwicklung und Produktion von Batterien sei ein "strategischer Imperativ für Europa". Einerseits für die Abkehr von fossilen Energien, andererseits für die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Automobilindustrie.

Bosch war die Batterieproduktion zu teuer und zu risikoreich

Dass aber nun ausgerechnet chinesische Investoren groß in das Geschäft einsteigen, lag eigentlich so nicht im Interesse der europäischen Strategen - sie wollten die Wertschöpfungskette von A bis Z erschließen. Oder, wie Kanzlerin Angela Merkel am Montag sagte: "Wenn wir es selbst könnten, wäre ich auch nicht traurig."

Doch die Industrie tut sich da noch schwer. Jüngst hat der größte Autozulieferer der Welt, Bosch, abgewinkt: Zu teuer und zu risikoreich sei die Batterieproduktion. Er sei enttäuscht ob dieser Absage, sagt BMW-Manager Duesmann. Immerhin tue sich an anderer Stelle in Europa Spannendes, etwa beim auch von Siemens betriebene Northvolt-Konsortium in Schweden: Das sei "interessant".

Duesmann ist nicht verzagt, was eine Produktion in europäischer Verantwortung anbelangt. Wenn BMW die Idee einer eigenen Batteriefertigung aufgegeben hätte, "dann würden wir nicht 200 Millionen Euro in ein Batterieentwicklungszentrum investieren", sagt er. Und: Es stehe keine Entscheidung an über eine eigene Produktion, aber er wolle das "überhaupt nicht ausschließen". Nicht einmal einen ungewollten Transfer von Wissen, nicht selten im Geschäft mit China, müssten die Deutschen diesmal fürchten. "In dem Fall hier ist das doch anders", sagt Duesmann. Diesmal fließe Wissen nach Europa, das bisher nicht dagewesen ist.

Ein Jobwunder bleibt wohl aus

Und auch Thüringen darf sich freuen - denn wer Batteriezellen baut, der ist im Zeitalter der Elektromobilität in einer Schlüsselposition. Die Investition, sagt Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke), stärke "die Wirtschaftskraft des Freistaats in beträchtlichem Maße".

Das von ihm geführte Bundesland kann Industriejobs gut brauchen: Etwa 5000 Beschäftigte hatte die Solarindustrie im Freistaat, ehe sie die Krise erfasste. Das Gewerbegebiet Erfurter Kreuz bei Arnstadt, wo nun die Batteriefabrik entstehen soll, war einer der Standorte. "Die Batteriezelle ist aus meiner Sicht der Kolben von morgen", sagt auch IG-Metall-Bezirksleiter Jörg Köhlinger. "Das ist ein gutes Signal für Thüringen." Und womöglich kann sich bald auch Baden oder das Saarland freuen. Der US-Autobauer Tesla will offenbar nahe der deutsch-französischen Grenze eine sogenannte "Gigafactory" bauen. Der Name rührt her vom Gesamtvolumen der Stromspeicher: Jährlich sollen etwa in Thüringen Batterien mit 14 Gigawattstunden Kapazität gefertigt werden. Ein Jobwunder allerdings werden auch diese Gigafactorys nicht auslösen. Die Werke, in denen die Chemikalien zusammengerührt und in Zellen verpackt werden, laufen hochautomatisiert. Dieser industrielle Maßstab bei der fehlerfreien Fertigung, das können asiatische Hersteller besser als die Europäer, das ist ihr Vorsprung. 240 Millionen Euro will CATL bis 2022 in den Standort investieren, wobei es staatliche Subventionen gibt und BMW bei der Anschaffung des Maschinenparks mitzahlt. Pro Jahr sollen dann Roboter mithilfe von nur 600 Mitarbeitern Zellen bauen, mit denen sich gut 400 000 BMW-i3 bestücken ließen. Zumindest mal für den Anfang.

© SZ vom 10.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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