Gesundheit:Es hat sich ausgedampft

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E-Zigaretten verursachen Krankheiten wie Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und schwere chronische Atemwegserkrankungen. (Foto: Rainer Jensen/dpa)

Tabakerhitzer mit Vanille- oder Kirschgeschmack sind weniger schädlich als herkömmliche Zigaretten, aber trotzdem ungesund. Jetzt soll das künstliche Aroma aus den Geräten verschwinden. Aber reicht das, um Jugendliche zu schützen?

Von Constanze von Bullion

Sie heißen "Kaffeepause", "Vanilla" oder "Kirschlolli". Das klingt nach ein bisschen Entspannung oder dem nächsten Sommer. Um Genuss allein aber geht es nicht, sondern um Aromastoffe in gesundheitsgefährdenden Rauchgeräten, die demnächst vom Markt verschwinden werden. Mit breiter Mehrheit von der Union bis zur Linkspartei hat der Bundestag am Donnerstagabend einer Reform des Tabakerzeugnisgesetzes zugestimmt. Künstliche Zusätze im Tabak wie Pfirsichgeschmack oder Schokolade sollen demnach bei Tabakerhitzern verboten werden. Und auf Geräte, die als sogenannte Rauchtabakerzeugnisse eingestuft sind, kommen Warnhinweise - wie bisher schon bei gewöhnlichen Zigaretten.

Deutschland setzt damit eine verpflichtende EU-Richtlinie in nationales Recht um, sie zielt vor allem auf Jugendliche. Während das Rauchen unter jungen Leute über viele Jahre als Ausweis eines eher vormodernen Lebenswandels galt, nimmt das Qualmen inzwischen wieder zu, auch in Deutschland. 2021 hätten 8,7 Prozent der 14- bis 17-Jährigen geraucht, ein Jahr später seien es plötzlich 18 Prozent der Jugendlichen gewesen, etwa eine Verdoppelung, warnte die ehemalige Verbraucherschutzministerin Renate Künast im Bundestag. "Dahinter stecken natürlich auch Strategien der Tabakindustrie."

In der Debatte um die Reform des Tabakerzeugnisgesetzes verwies die Grünen-Politikerin auf die Strategie der sogenannten harm reduction. Damit gemeint ist die Botschaft in Werbung, wonach jeder sich etwas Gutes tue, der statt konventioneller Zigaretten E-Zigaretten rauche. Schließlich sei die Gesundheitsgefährdung hier geringer. "Das ist nicht ganz falsch. Ich finde aber, es ist trotzdem unseriös", sagte Künast. Das hohe Krebsrisiko wie bei verbranntem Tabak gebe es bei Tabakerhitzern zwar nicht. "Aber Nikotin macht auch süchtig, verengt die Gefäße." Die Grünen plädierten hier für die Zukunft zusätzlich für ein Werbeverbot.

Wasserpfeifen verursachen schwere Krankheiten - die Politik interessierte das nicht

Nach Untersuchungen des Deutschen Krebsforschungsinstituts ist das gemeinschaftliche Dampfen in Shisha-Bars oder die E-Zigarette daheim auf dem Sofa gefährlicher als oft vermutet. Viele würden glauben, Wasserpfeifen seien weniger schädlich und hätten ein geringeres Abhängigkeitspotenzial als Zigaretten. "Tatsächlich verursacht Wasserpfeifenrauchen aber mehrere schwere Krankheiten wie Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und schwere chronische Atemwegserkrankungen wie die chronisch obstruktive Lungenerkrankung und kann abhängig machen", sagte eine Mitarbeiterin des Instituts dem Deutschen Ärzteblatt schon 2019. Die Resonanz der Politik: eher keine.

Erst ein Beschluss in Brüssel hat nun bewirkt, dass Deutschland Aromastoffe in Tabakverdampfern verbietet. Das sei richtig, reiche aber nicht, monierte im Bundestag der CDU-Abgeordnete Hans-Jürgen Thies. Die Bundesregierung habe "leider die Chance vertan", Einweg-E-Zigaretten zu verbieten. "Dabei werden aktuell in Deutschland jeden Monat mit deutlich steigender Tendenz circa drei Millionen Einweg- E-Zigaretten gekauft, geraucht und letztlich achtlos weggeworfen, in den Hausmüll oder auf die Straße." Jede E-Zigarette enthalte eine eingebaute Lithium-Batterie, die in den Elektromüll gehöre, so Thies. Die E-Zigaretten gehörten in Europa verboten. "Kein Mensch braucht diese Dinger."

Aus der AfD, die sich als einzige Fraktion bei der Abstimmung enthielt, kam Kritik, weil Deutschland nun eine EU-Richtlinie umsetzen müsse. "Diese ständigen Bevormundungen aus Brüssel haben mit Demokratie schon lange nichts mehr zu tun", sagte der AfD-Abgeordnete Stephan Protschka. Aus der FDP kam die Warnung, dass das Rauchen herkömmlicher Zigaretten "zehntausendfaches Leid, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Karzinome und eine signifikant niedrigere Lebenserwartung" verursache. Aufzuhören sei "für viele nicht trivial", sagte der Abgeordnete Gero Hocker. Deshalb müsse der Gesetzgeber hier "legale Angebote" machen. Mit anderen Worten: ein Verbot, auch ein Werbeverbot für elektronisches Räucherwerk, lehnen die Liberalen ab.

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