Röntgenbilder anzeigen, Rezepte abspeichern, Diagnosen und Arztbriefe dokumentieren, oder gar eine elektronische Patientenakte sein. Das alles könnte eine kleine Scheckkarte bieten, die jeder Versicherte in Deutschland von seiner Krankenkasse bekommt. Doch was den Ausbau der Infrastruktur dafür anbelangt, ist Deutschland digitales Ödland. Denn faktisch genutzt wird von den technischen Möglichkeiten auch elf Jahre nach der Einführung der elektronischen Gesundheitskarte nahezu nichts. Und es ist fraglich, ob das in Zukunft anders sein wird.
"Es ist unsicherer denn je, wann die Gesundheitskarte die in sie gesetzten Erwartungen erfüllt", sagt etwa Helmut Platzer, Vorstandsvorsitzender der AOK Bayern. Ebenso berichten hochrangige Mitarbeiter von Ärzteverbänden und gesetzlichen Krankenkassen, es gebe in der Bundesregierung Pläne, die E-Card nach der Bundestagswahl für gescheitert zu erklären.
Exklusiv Krankenversicherung:Gesundheitskarte sorgt für neue Probleme
Bis zum 1. Juli 2018 sollen alle Praxen ein Lesegerät für die neuen Karten anschaffen. Doch wegen Lieferschwierigkeiten wird daraus nichts. Ärzten drohen empfindliche Strafen.
Damit bliebe die Plastikkarte nichts weiter als ein Versicherungsnachweis mit Foto, auf dem Adresse, Anschrift und Versicherungsnummer des Patienten gespeichert sind. Ohne Zweifel ein ziemlich kostenintensiver, nach den Berechnungen der Innungskrankenkassen hat die Einführung der Karte bis heute knapp 1,7 Milliarden Euro gekostet. Schlimmer noch ist, dass die E-Card nicht einmal auf dem neuesten Stand ist. "Wenn man mit Fachleuten redet, hört man, das sei eine Technik, die eigentlich schon überholt ist", sagt Wolfgang Krombholz, Chef der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns. Und doch sollen Verbände von Ärzten, Krankenkassen, Kliniken und Apothekern die Gesundheitskarte weiter verbreiten. Über die Trägergesellschaft Gematik haben sie den gesetzlichen Auftrag dafür.
Technische Ausrüstung fast nirgends vorhanden
Im Herbst 2004 hatte die Bundesregierung ihr Leuchtturmprojekt angekündigt. Binnen zwei Jahren werde die elektronische Gesundheitskarte zahlreiche neue Möglichkeiten für den Austausch medizinischer Daten schaffen. Anfang Juni dieses Jahres hatte Gematik erklärt, die Auslieferung der notwendigen technischen Ausrüstung gehe in die letzte Phase. Von einem "Meilenstein" war die Rede. Doch bisher beinhaltet die Karte weder eine digitale Arzneiliste, noch den angekündigten Notfalldatensatz. Selbst wenn alle diese Daten auf ihr gespeichert wären, viele Arztpraxen verfügen weiterhin nicht über die sogenannten Konnektoren, die zum Auslesen der Daten benötigt werden. Um den Prozess zu beschleunigen, hat der Bundestag der Gematik Fristen gesetzt und mit Strafzahlungen gedroht. Auch Ärzte müssen mit finanziellen Einbußen rechnen, wenn sie von 2018 an nicht mitmachen, obwohl die technischen Voraussetzungen dafür vorliegen.
Schuld an der Verzögerung sollen die beteiligten Industriefirmen sein. Die weisen die Vorwürfe allerdings zurück. So sagt etwa ein Sprecher von T-Systems, dass technische Anforderungen mehr als 150 Mal geändert worden wären. Jetzt aber sei die Industrie "auf der Zielgeraden, derzeit werde "die weltweit bestgeschützte öffentliche Infrastruktur für das Gesundheitswesen" entwickelt.
Diese Beschwichtigungsversuche stoßen bei den Krankenkassen auf Skepsis. Etliche Kassen haben angekündigt, eigene Angebote für den digitalen Datenaustausch zu entwickeln. So hat etwa die Techniker Krankenkasse bekannt gegeben, dass sie mit dem amerikanischen Konzern IBM an der Entwicklung einer eigenen elektronischen Patientenakte arbeitet. Die Gegner der Gesundheitskarte dürfte das wenig beschwichtigen. Noch immer sind viele Datenschützer und etliche Bürger dagegen, dass ihre Patientendaten elektronisch verarbeitet werden. Bei der repräsentativen Umfrage des Gesundheitsmonitors plädiert mehr als die Hälfte der Befragten dafür, dass Diagnosen, Therapie-Empfehlungen oder Behandlungsberichte nur auf persönlichen Wunsch dort gespeichert werden. Jeder Zweite hält die Karte demnach für unsicher.