Durchsuchung:Razzia bei Deutsche-Bank-Tochter DWS wegen Greenwashing-Verdachts

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Logo der DWS, einer Tochter der Deutschen Bank. (Foto: Hannelore Foerster/imago images)

Schon wieder durchsuchen Staatsanwaltschaft, BKA und Finanzaufsicht die Frankfurter Zwillingstürme. Im Raum steht ein Betrugsverdacht. Und die Frage: Wo verläuft die Grenze zwischen forschem Marketing und einer Straftat?

Von Meike Schreiber , Frankfurt

Erst vier Wochen liegt die letzte Razzia bei der Deutschen Bank zurück, nun haben Ermittler erneut die Zwillingstürme an der Frankfurter Taunusanlage sowie Räumlichkeiten der Fondstochter DWS durchsucht. Hintergrund sind "Greenwashing-Vorwürfe" der früheren Nachhaltigkeitschefin der DWS, Desiree Fixler, die sich im Sommer 2021 dem Wall Street Journal offenbart hatte. Die Behörden ermittelten seit Januar 2022 wegen des Verdachts des Kapitalanlagebetrugs gegen bislang unbekannte Mitarbeiter und Verantwortliche der DWS, teilte die Staatsanwaltschaft Frankfurt mit.

Ausgelöst worden sei das Verfahren durch Medienberichte, wonach die DWS womöglich "grüne Finanzprodukte" als "nachhaltiger" verkauft habe, als sie tatsächlich seien. Im Fachjargon tragen solche Aktienfonds das Label "ESG", sie erfüllen besondere Anforderungen in den Bereichen Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung (Environment, Social, Governance). Seit Sommer 2021 ermitteln dazu auch die US-Börsenaufsicht SEC, das US-Justizministerium, das FBI und die deutsche Finanzaufsicht Bafin.

Auf deutscher Seite scheint sich nun ein Anfangsverdacht zu erhärten: "Nach Prüfung haben sich zureichende tatsächliche Anhaltspunkte ergeben, dass entgegen der Angaben in Verkaufsprospekten von DWS-Fonds ESG-Faktoren nur in einer Minderheit der Investments tatsächlich berücksichtigt worden sind, in einer Vielzahl von Beteiligungen jedoch keinerlei Beachtung gefunden haben", teilte die Staatsanwaltschaft mit. Hat die DWS gegenüber Anlegern bewusst falsche Angaben gemacht? Das wäre ein harter Vorwurf. Die Deutsche Bank hält mit 80 Prozent die Mehrheit an der börsennotierten DWS. Karl von Rohr, Vizechef der Deutschen Bank, führt den Aufsichtsrat.

Die Vorwürfe gegen den DWS-Chef häufen sich

Ihr Vorstandschef, Asoka Wöhrmann, hatte noch im November 2020 gesagt, die DWS sei in Sachen Nachhaltigkeit deutlich besser als die Konkurrenz. Man habe einen "einzigartigen Ansatz zur Integration von Nachhaltigkeitsaspekten". Dieser gehe weit über bisherige Branchenstandards hinaus. Experten aus dem eigenen Hause sahen das offenbar anders. Interne E-Mails und Präsentationen ließen bezweifeln, dass die DWS beim Thema Nachhaltigkeit schon so weit war, wie Wöhrmann es vorgab. Die DWS und die Deutsche Bank haben die Vorwürfe stets bestritten. "Wir haben in dieser Angelegenheit kontinuierlich und umfassend mit allen relevanten Regulatoren und Behörden zusammengearbeitet und werden dies auch weiterhin tun", teilten DWS und Deutsche Bank mit.

Die Razzia bringt indes nicht nur DWS-Chef Wöhrmann in Erklärungsnot, sie wirft auch die Deutsche Bank erneut zurück. Konzernchef Christian Sewing wollte das Geldhaus endgültig auf den Pfad der Tugend zurückführen. Zuletzt aber war die Bank immer wieder aufgefallen, vor allem wegen schwacher Geldwäsche-Abwehr.

Während sich Geldwäsche-Probleme oft noch irgendwie erklären lassen, schließlich kann schon mal etwas durchrutschen, wenn täglich viele Milliarden transferiert werden, ist das Thema Greenwashing deutlich heikler für die Bank. Sewing hat Nachhaltigkeit nicht nur zum strategischen Kern des Konzerns erklärt, er hält auch seit Monaten die schützende Hand über DWS-Chef Wöhrmann. Dabei hatten die Vorwürfe gegen Wöhrmann bereits vor Monaten eine beträchtliche Länge erreicht. Zu dem Greenwashing-Verdacht kamen Kontakte zu einem zweifelhaften Geschäftsmann und die Nutzung privater Mail- und Whatsapp-Konten für bankinterne Zwecke hinzu.

Die DWS bestritt die Vorwürfe, sprach von "selektiven und irreführenden Leaks". Die Deutsche Bank hatte dazu nur mitgeteilt, man schaue es sich an, "wenn und insofern es Hinweise auf Fehlverhalten gebe". Zugleich aber erhielt Wöhrmann für 2021 ein Gehaltsplus von 15 Prozent, insgesamt 6,9 Millionen Euro inklusive Bonus. Bisher hätten sich die Vorwürfe gegen Wöhrmann nicht bewahrheitet, sagte Aufsichtsratschef Karl von Rohr noch im April, man sei "sehr zufrieden". Natürlich helfe die "intensive Medienberichterstattung" über die Vorwürfe nicht, zuletzt aber sei es deutlich ruhiger geworden.

Wie gehen Firmen mit Hinweisgebern um?

Von Ruhe kann nun keine Rede sein: Die Ermittlungen werden auch von der Fondsbranche insgesamt aufmerksam verfolgt. Viele fragen sich: Wo verläuft die Grenze zwischen forschem Marketing und Betrug? Zwar kommen ständig neue nachhaltige Fonds auf den Markt, es gibt aber erst nach und nach Standards für grüne Produkte. Aber auch die US-Börsenaufsicht SEC hat sich zuletzt dem Schutz von Investoren vor riskanten oder irreführenden Finanzprodukten verschrieben. Der Versicherungskonzern Allianz musste gerade erst Betrug bei einer Fondstochter einräumen und eine Milliardenstrafe zahlen. Ob dies auch der DWS droht? Völlig offen. Die Aktienkurse von Deutscher Bank und DWS notierten am Dienstag schwächer.

Der Fall verweist aber auch auf die Frage, ob Unternehmen in Deutschland angemessen mit kritischen Hinweisgebern umgehen. Die DWS hatte die frühere Nachhaltigkeitschefin im Frühjahr 2021 nach nur einem halben Jahr entlassen und dabei angedeutet, es habe ihr "an Zugkraft" gefehlt. Normalerweise trennen sich Firmen für alle Seiten gesichtswahrend von Managern, wenn man nicht zusammenpasst. Bei Desiree Fixler war das anders. Sie sah ihre Reputation zerstört und wandte sich an die Medien: Man habe sie gekündigt, nachdem sie auf möglicherweise falsche Angaben zu Nachhaltigkeitsfonds im Geschäftsbericht hingewiesen und Verbesserungen angemahnt habe, sagte sie. Gegen ihr die Entlassung klagte sie, verlor aber im Januar vor dem Frankfurter Arbeitsgericht.

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