Dubais Robocop wird nicht wie im Science-Fiction-Streifen von 1987 wild schießend auf Verbrecherjagd gehen. Aber 30 Jahre nach dem Filmdebüt haben Polizeiroboter Einzug gehalten in die Realität des Golfemirats. In drei Jahren, wenn Millionen Besucher zur Expo 2020 nach Dubai strömen, sollen sie auf dem Gelände der Weltausstellung Sicherheit und Ordnung gewährleisten und vorher schon in den riesigen Malls und auf den Straßen der Glitzer-Metropole Dienst tun, wie Brigadegeneral Khalid Nasser al-Razzouqi ankündigt. Er ist Generaldirektor der Abteilung Smart Services der Polizei von Dubai. Im März hatte sie ihren Robocop auf einer Sicherheitsmesse vorgestellt. Es handelt sich um eine weiterentwickelte Version des lebensgroßen Humanoiden Reem des spanischen Herstellers PAL Robotics.
Zur Begrüßung reicht er die dreifingrige Hand oder salutiert. Die Maschine, etwa 1,70 Meter hoch und 100 Kilogramm schwer, trägt die gleiche tannengrüne Uniformfarbe und Mütze wie die menschlichen Beamten. Aus dem weißen Gesicht blicken zwei Kamera-Augen. Sie können Gesichter und Gesichtsausdrücke sowie Körpersprache und Gesten erkennen.
In zwei Sprachen kommuniziert der Roboter bislang: in Arabisch und Englisch. Er erkennt sie über ein Stimmerkennungsprogramm. Künftig sollen noch vier weitere hinzukommen. Auf Brusthöhe hat er ein Touchscreen eingebaut, über den Bürger und Besucher elektronisch Anzeigen aufgeben oder Informationen abrufen können. Per Videolink oder Sprechverbindung nehmen die Offiziere im Kontrollraum direkt Kontakt mit ihnen auf und bekommen Live-Bilder geliefert.
Dubai sieht sich als Vorreiter unter den Smart Citys und will Informationstechnologie in allen Lebensbereichen einführen. 1999 lancierte der Stadtstaat mit heute 2,7 Millionen Einwohnern seine erste Digital-Strategie. Bis zum kommenden Jahr will das Emirat die modernsten Polizeistationen der Welt einführen, bis 2030 sollen Maschinen ein Viertel der Polizeiaufgaben erledigen. In einer Studie im Auftrag der Regierung hat die Unternehmensberatung KPMG in der öffentlichen Verwaltung ein großes Potenzial für zusätzliche Wertschöpfung durch digitale Technologien identifiziert. Bis 2021 soll die gesamte Verwaltung ohne Papier und Bargeld auskommen, und niemand mehr Amtsstuben aufsuchen müssen, um Dienste in Anspruch zu nehmen.
Die Robocops sind nur ein Schritt in diese Richtung, ein eher spielerischer. Aber das Testen von neuen Geräten, Applikationen und deren Weiterentwicklung gehört zur Smart-City-Strategie Dubais. Nicht alles, was als Prototyp ausprobiert wird, wird in den regulären Dienst gehen. Am Geld jedenfalls scheitert es nicht bei einer Polizei, die auch Ferraris und Lamborghinis als Streifenwagen einsetzt.
Die Glücks-Strategie des Emirs
"Die Polizei von Dubai ist immer darauf aus, die neueste Technologie im Kampf gegen die Kriminalität einzusetzen", sagt Generalmajor Abdullah Khalifa al-Marri, seit Februar 2017 der Chef der Behörde. Man sei bestrebt, den Einsatz von Informationstechnologie und Robotern in der Polizeiarbeit auszubauen - ganz im Sinne der Smart-City-Strategie, die der Emir Mohammad bin Raschid al-Maktoum ausgegeben hat. Sie soll beitragen zu seinem Ziel, Dubai zur glücklichsten Stadt der Welt zu machen. Sicherheit gehört aus Sicht der Regierung fundamental dazu, und so sagt der Polizeichef: "Wir wollen, dass die Straßen Dubais sicher und friedlich sind, auch ohne eine starke Polizeipräsenz."
Die Robocops allein werden das nicht erreichen, aber die Polizei besitzt Drohnen, die mit Radargeräten und hochauflösenden Kameras Verkehrsrowdys in bis zu zwei Kilometer Entfernung aufspüren. Illegale Rennen mit Sportwagen gehören zu den gefährlichen Freizeitvergnügen reicher Emiratis und Ausländer. Die Polizei in Dubai hat auch mit der Datenbrille Google Glass experimentiert, mäßig erfolgreich. 60 Verkehrssünder wurden in dem halben Jahr dingfest gemacht.
Geblieben sind aber Anwendungen, die Kartendaten und Echtzeitinformationen von Kameras und anderen Sensoren integrieren, etwa Displays, die in das Visier von Motorradhelmen eingespiegelt werden. Strafzettel stellen die Beamten mit einer App per Smartphone aus. Neuere Streifenwagen tragen zehn Kameras auf dem Dach, die eine Rundumsicht ermöglichen. Dubai arbeitet mit Konzernen wie Google zusammen, etwa um die Spracherkennung zu verbessern, oder mit IBM Watson im Bereich künstliche Intelligenz. Die Polizei betreibt eine eigene Abteilung, die maßgeschneiderte Software und Apps entwickelt.
Die jüngste Neuerwerbung der Gesetzeswächter in Dubai lässt erkennen, welchen Nutzen sich der Stadtstaat von digitalen Technologien erhofft - aber auch, welche Gefahren damit verbunden sind. Seit Anfang Juli werden autonom fahrende Streifenwagen vom Typ O-R3 des Herstellers Otsaw Digital aus Singapur getestet, die an eine auf eineinhalb Meter gequetschte Version eines Smart-Kleinwagens erinnern. Der Patrouillen-Roboter verfügt über eine Vielzahl von Sensoren, die man eher in einem Kampfhubschrauber erwarten würde: hochauflösende optische Kameras, deren Software Gesichter und Nummernschilder erkennt, Wärmebildkamera, Laserdetektoren zur Abstands- und Geschwindigkeitsmessung sowie Ultraschall-Sensoren und Bewegungsmelder, die Fußgänger verfolgen können. Stößt das Fahrzeug auf unüberwindliche Hindernisse oder benötigt es weitere Daten, kann es aus einer ausfahrbaren Schublade am Heck eine Drohne aufsteigen lassen.
Ihre volle Wirkung entfalten die Sensoren durch die Integration der Daten und die Live-Übertragung in die jüngst aufgerüstete Leitstelle der Polizei, die jetzt für die Auswertung biometrischer Daten und den Einsatz künstlicher Intelligenz ausgestattet ist. Letztlich heißt das nichts anderes, als dass die von den Robotern erfassten Daten in Echtzeit mit Datenbanken abgeglichen werden können, die etwa Gesichtsmerkmale von Personen enthalten, die zur Fahndung ausgeschrieben sind, oder Nummernschilder gestohlener Autos oder solcher, die offene Strafzettel haben.
Selbst Überwachungskameras aus Privathäusern werden mit dem Polizei-System gekoppelt
Über Probleme beim Datenschutz verlor der Polizeichef bei der Vorstellung des Patrouillen-Roboters kein Wort. Internationale Menschenrechtsorganisationen werfen den Vereinigten Arabischen Emiraten, von denen Dubai eines ist, massive Menschenrechtsverstöße vor, vor allem gegen Kritiker der absolut herrschenden Monarchen. Willkürliche Verhaftungen und das Verschwindenlassen von Menschen seien ebenso an der Tagesordnung wie unfaire Gerichtsverfahren und Folter. Und mit der gleichen Technologie, mit der sich die Zuschauer-Massen nach einem Sportereignis oder einem Konzert überwachen lassen, können natürlich auch Protestversammlungen und Demonstrationen überwacht werden.
Das Nachbar-Emirat Abu Dhabi hat 2016 ein "Falcon's eye" genanntes Überwachungssystem mit Tausenden Kameras freigeschaltet, das laut der in Dubai erscheinenden Gulf News hauptsächlich der Verkehrsüberwachung in der notorisch von Staus geplagten Hauptstadt dienen soll, aber auch Verstößen gegen die öffentlich Hygiene vorbeugen helfe und Versammlungen an Orten zu verhindern, an denen sie nicht erlaubt sind.
Auch in Dubai sind nach Angaben eines hochrangigen Polizei-Offiziers bereits seit 2015 flächendeckend Überwachungskameras installiert, allein am Flughafen wird an 3000 Stellen gefilmt. Selbst Überwachungskameras aus Privathäusern werden mit dem Polizei-System gekoppelt, wenn diese für ein Sicherheitsprogramm registriert sind. Wer in Urlaub fährt, und das tun Emiratis wie Expats ausgiebig, kann über die Internetseite der Polizei eine Videoüberwachung seiner Wohnung beantragen.
In beiden Emiraten ist ein Gesichtsscan bei der Einreise ebenso Pflicht wie bei der Beantragung von Dokumenten; Ausländer machen etwa 87 Prozent der Bevölkerung der Emirate aus. Sie wie auch die Einheimischen werden de facto von einer Kamera erfasst, sobald sie vor die Haustür gehen. In der Kombination von Gesichtserkennung, Nummernschilderkennung und der Überwachung öffentlicher Verkehrsmittel wie der U-Bahn von Dubai dürfte die Polizei in der Lage sein, lückenlose Bewegungsprofile von Personen zu erstellen, letztlich von jedem Einwohner. Smart City in diesem Sinn ist ein Synonym für einen Polizeistaat - in dem man freilich seine Strafzettel bequem online per Kreditkarte bezahlen kann.