Norwegens staatlicher Pensionsfonds hat angekündigt, all seine Investitionen aus Russland abzuziehen. Es wären 2,5 Milliarden Euro, die da abfließen, sobald das möglich ist. Ein starkes Signal, das zur richtigen Zeit kommt.
Es handelt sich hier nicht um irgendeinen Fonds. Norwegen hat mit 1,16 Billionen Euro einen der größten Staatsfonds der Welt. Er legt die Einnahmen aus dem Öl- und Gasgeschäft des Landes zum Wohle künftiger Generationen an - und folgt dabei von jeher hohen ethischen und ökologischen Standards.
Die Entscheidung des Fonds hat sicherlich zwei Gründe: einmal, das investierte Kapital vor weiterem Wertverlust zu schützen. Die Kurse russischer Aktien und Anleihen sind wegen der westlichen Sanktionen bereits massiv unter Druck geraten.
Die Entscheidung ist aber auch politisch zu verstehen. Divestment nennt man das, wenn institutionelle Anleger aus ökologischen oder ethischen Gründen Aktien oder Anleihen in großem Stil verkaufen, um Veränderungen zu bewirken. Hier geschieht etwas Neuartiges: In diesem Fall ächtet der norwegische Staatsfonds Kriegstreiberei.
Ob Divestments immer wirksam sind, ihre Ziele zu erreichen, darüber streiten Experten. In diesem Fall kann man aber wohl sagen: Ja, die Botschaft kommt an. Der Rückzug eines der größten Staatsfonds der Welt aus Russland hat eine starke symbolische Bedeutung. Er zeigt, dass das Land nach dem Angriff auf die Ukraine von einem großen Player am Finanzmarkt aussortiert wird: moralisch wie renditemäßig.
Bislang wurde Divestment vor allem im ökologischen Zusammenhang diskutiert. Die Bewegung ist groß. Der norwegische Pensionsfonds ist auch hier ein Vorreiter. Insgesamt sind es Hunderte Geldgeber, Stiftungen, Fonds, die durch den Abzug großer Summen Branchen und Unternehmen zu mehr ökologischem Handeln und Klimaschutz bewegen wollen.
Auch der mächtige Finanzdienstleister MSCI erwägt den Ausschluss russischer Aktien
Gegner dieser Strategie bezeichnen sie gern als stumpfes Schwert, denn schließlich finde sich für jeden Verkäufer wieder ein Käufer der abgestoßenen Anteile. Dem kritisierten Unternehmen könne es also egal sein. Der demonstrative Verkauf von Wertpapieren verhalle im großen Raum der Märkte.
Es ist zwar korrekt, dass sich für die abgestoßenen Papiere meist Käufer finden. Wenn es aber zu einer Kettenreaktion kommt und viele Investoren dem Beispiel folgen und die Nachfrage dann geringer ist als das Angebot, dann sinken die Kurse. Und das kann keinem Unternehmen egal sein. Und wenn es eine ganze Nation trifft, auch keinem Land. Denn das hat konkrete Folgen: Man kann sich dann nur zu schlechteren Konditionen finanzieren, wenn man neue Aktien oder Anleihen ausgibt.
Ob Russland internationale Investoren findet, die in die Lücke springen, kann bezweifelt werden. Viel wahrscheinlicher ist doch, dass sich mehr Fonds ganz zurückziehen, sobald das möglich ist. Der Finanzdienstleister MSCI prüft gerade, russische Aktien aus seinen Aktienindizes zu werfen. MSCI ist einer der Marktführer solcher Produkte. Millionen Menschen sind dort investiert.
Bereits nach der Besetzung der Krim 2014 haben sich die internationalen Investitionen in Russland etwa halbiert. Nun wird noch viel mehr Geld abfließen. Fonds-Experte Ali Masarwah geht davon aus, dass Investitionen in Russland dieses Mal für die kommenden zehn Jahre nicht infrage kommen. Das Geld verlässt Russland. Und das wird das Land, seine Eliten und seine großen Unternehmen wie Gazprom, Sberbank und Lukoil treffen.
Ja, wenn der Norwegische Staatsfonds 2,5 Milliarden Euro abzieht, ist das nicht viel Geld verglichen mit den Summen, die an den globalen Finanzmärkten bewegt werden. Aber es könnte ein Stein sein, der eine Lawine ins Rollen bringt. Zumal das Divestment ja nicht allein dasteht. In Kombination mit den zahlreichen mittlerweile umgesetzten Wirtschafts- und Finanzsanktionen kann es einen großen Sog entfalten.
Es könnte der Beginn davon sein, dass ethische Kriterien bei der Geldanlage mehr bedeuten als schöne Wortgirlanden. Davon, dass sie eine ernsthafte Kraft werden, die am Markt wirkt - und Korrupte und Kriegstreiber abstraft.