Das Bankgeheimnis ist verstorben, schon im Jahr 2014. Damals traten Steueroasen wie die Schweiz und Singapur einem Abkommen bei, das eine jahrhundertealte Verschwiegenheit beendete. Wer im Ausland ein Bankkonto hat, wird seitdem automatisch dem Heimatland gemeldet. Das Finanzamt kann dann zuschlagen, falls das ausländische Geld nicht angemeldet wurde. Das Aus des Bankgeheimnis gilt als Meilenstein in der Bekämpfung der Steuerhinterziehung. Es in die Praxis umzusetzen, sodass die Daten aus der fernen Steueroase auch beim Finanzbeamten auf dem Schreibtisch landen, war allerdings viel technische und bürokratische Arbeit. Darum ist es erst jetzt, fünf Jahre später, möglich, eine erste Bilanz zu ziehen, was an dem internationalen Mechanismus gut funktioniert - und was nicht.
Die gute Nachricht: Deutschland profitiert. In der alten Welt ohne den automatischen Austausch der Kontoinformationen meldeten Staaten außerhalb der EU Erträge in Höhe von gerade einmal 2,4 Milliarden Euro an Deutschland. Das war im Jahr 2016. Bankdaten nach dem neuen System flossen erstmalig für 2017. Die Summe hat sich dank des automatischen Informationsaustauschs also mehr als verzehnfacht: Nicht-EU-Staaten meldeten der Bundesrepublik für dieses Jahr Erträge in Höhe von fast 39 Milliarden Euro - diese Erträge sind steuerlich relevant. Insgesamt lagen auf den ausländischen Konten außerhalb der EU 269,4 Milliarden Euro.
Diese Daten hat das Bundesfinanzministerium zusammengestellt, auf eine Kleine Anfrage der Linken. Auch innerhalb der EU wird inzwischen mehr Geld gemeldet, aber der unter der Führung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) entwickelte Datentausch zielte vor allem auf die Steueroasen außerhalb der EU ab. 95 Staaten haben mittlerweile Kontostände automatisch verschickt, meldete die OECD, darunter viele als Steueroasen verschriene Gebiete von Andorra bis Vanuatu. Weitere Staaten haben zugesichert, sich dem System anzuschließen.
Die Namen der Kontoinhaber und ihre Kontostände werden zum 31. Dezember des jeweiligen Jahres an das Bundeszentralamt für Steuern über ein einheitliches, geschütztes System übermittelt. Das Bundesamt leitet die Akte einer Person dann an das zuständige Finanzamt weiter. Allerdings bleibt in der Statistik noch offen, was die gemeldeten Erträge für die deutsche Staatskasse bedeuten. Waren sie angemeldet oder muss nachgezahlt werden?
Nicht immer reicht ein einfacher Computerabgleich, um die Daten aus dem Ausland einem deutschen Steuerzahler zuzuordnen, in solchen Fällen versucht das Bundesamt, das händisch zu lösen. Wie erfolgreich die Beamten dabei sind, könne die Bundesregierung noch nicht sagen, teilte das Finanzministerium mit. Die Verarbeitung der Daten sei noch nicht abgeschlossen. Allerdings nannte das Ministerium eine Erfolgsquote für ein älteres Austauschsystem der EU. 2014 konnte jeder vierte Datensatz in diesem System keinem Steuerzahler zugeordnet werden. Unklar bleibt dabei, ob sich ein Krimineller im Ausland besonders gut versteckt hat, beispielsweise mithilfe von Briefkastenfirmen, oder ob die Meldung ein Irrläufer war.
Haben die Bundesbürger viel Geld in notorischen Steueroasen versteckt oder liegt das Geld nur auf einem australischen Konto, weil dort ein Ferienhäuschen steht? Woher die Erträge der Deutschen gemeldet werden, bleibt vertraulich. Die Bundesregierung verweist auf "Geheimhaltungsbestimmungen", die dem Informationsaustausch zugrunde lägen und verhinderten, diese Herkunftsstatistik zu veröffentlichen. Die intransparenten Länder machten lieber mit, wenn viel geheim bleibe, argumentiert das Ministerium. Steuerhinterzieher könnten zudem die Statistik nutzen, um ihr Geld anderswo zu verstecken.
"Parlamente müssen wissen, ob internationale Abkommen funktionieren oder nicht"
Besonders geheimnisumwoben ist der Datentausch mit den USA, obwohl einige Bundesstaaten des Landes als Steueroasen bekannt sind. Die Vereinigten Staaten schicken Kontoinformationen nicht über das OECD-System, sondern über eine eigene Methode, genannt FATCA, der sich Deutschland angeschlossen hat. Hier nennt das Finanzministerium auf Nachfrage der Linken keine statistischen Werte zu Meldungen und Kontoständen und verweist auf "Vertraulichkeitsbestimmungen", die einer Antwort entgegenstünden.
Die mangelnde Transparenz ärgert Fabio De Masi, der für die Linkspartei im Bundestag sitzt und sich um Wirtschafts- und Finanzpolitik kümmert. "Es ist absurd, dass unter Verweis auf das Steuergeheimnis nicht einmal die Anzahl der Konten, zu denen Daten aus den USA übermittelt wurden, genannt wird. Parlamente müssen wissen, ob internationale Abkommen funktionieren oder nicht." Die USA seien der blinde Fleck des Informationsaustausches. Solange nicht klar sei, dass der Datentausch effektiv sei, müsse Deutschland eine Quellensteuer auf Finanzflüsse erheben, fordert De Masi.