Deutsche brauchen immer mehr Energie:Süchtig nach Strom

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Immer größere Fernseher und ausgeklügeltere Kühlschränke - in deutschen Haushalten stehen immer mehr Stromfresser. Nur die Industrie benötigt weniger Energie - wegen der Krise.

M. Völklein und M. Bauchmüller

Der Strompreis steigt und steigt, die Bürger verbrauchen aber dennoch immer mehr elektrische Energie. Das geht aus einer Studie des Vergleichsportals Check24.de hervor, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Dazu haben die Check24-Fachleute die Daten von 200.000 privaten Haushalten erfasst, die über das Internetportal ihren Stromversorger gewechselt haben, und mit einer Erhebung des Verbands der Elektrizitätswirtschaft (VDEW) aus dem Jahr 2006 verglichen. Ergebnis: Je nach Haushaltsgröße stieg der durchschnittliche Stromverbrauch um bis zu 15 Prozent.

Kühlschrank: Neue Zusatzfunktionen benötigen mehr Energie. (Foto: Foto: ddp)

Verbrauchte ein Vier-Personen-Haushalt 2006 noch 4430 Kilowattstunden Strom im Jahr, so kommt er nun laut Check24 auf einen durchschnittlichen Jahresverbrauch von 5087 Kilowattstunden - eine Steigerung um 14,83 Prozent. Bei einem Ein-Personen-Haushalt liegt der durchschnittliche Jahresverbrauch nun bei 1902 Kilowattstunden gegenüber 1790 Kilowattstunden aus dem Jahr 2006 - eine Steigerung um 6,26 Prozent.

Zusätzliche Geräte

"Die Tendenz ist schon seit einigen Jahren festzustellen", sagt Holger Krawinkel, Energieexperte beim Bundesverband der Verbraucherzentralen. Immer mehr Bürger würden sich zusätzliche Geräte anschaffen, die den Stromverbrauch erhöhen. "DSL-Anschlüsse, Computer mit immer höherer Leistung, Spielekonsolen und Flachbildschirm-Fernseher - das alles findet sich in immer mehr Haushalten", sagt Krawinkel. Und wer sich für ein neues TV-Gerät entscheide, greife oft zu einem Gerät mit größerer Bilddiagonale. "Und die wiederum erhöht den Stromverbrauch", sagt Krawinkel.

Ähnlich sieht es Stephan Kohler, Geschäftsführer der Deutschen Energie-Agentur (Dena) in Berlin. Zwar seien in den vergangenen Jahren energieeffizientere Geräte auf den Markt gekommen, die eigentlich dafür sorgen müssten, dass der Stromverbrauch der Privathaushalte sinkt; "doch dieser Effekt wird dadurch kompensiert, dass immer mehr neue Geräte zusätzlich in den Haushalten genutzt werden", sagt Kohler.

Kampagnen ohne Erfolg

Aber nicht nur immer mehr Unterhaltungselektronik sorgt für mehr Stromnachfrage. Auch bei der "weißen Ware", also bei den Geräten, die in der Küche zum Einsatz kommen, stiegen die Ansprüche der Verbraucher, erläutert Krawinkel: " Die Kühlschränke werden immer größer, sind in verschiedene Temperaturzonen untergliedert und haben zum Teil auch noch einen Eis-Spender eingebaut." Diese neuen Zusatzfunktionen verbrauchten auch zusätzliche Energie.

Schon vor ein paar Jahren haben die Verbraucherzentralen wie auch die Dena Kampagnen gestartet, um die Bürger zum Energiesparen anzuregen - offensichtlich mit wenig Erfolg.

In Umfragen erklären die Kunden zwar regelmäßig, beim Kauf von Geräten auch auf Energieeffizienz zu achten. "Doch von der Änderung der Einstellung zu einer Änderung des Verhaltens ist es ein langer Weg", beklagt Krawinkel.

Umso wichtiger sei es, ergänzt Dena-Mann Kohler, dass der Verbraucher beim Kauf eine umfassende Beratung erhalte: "Der Verkäufer muss das Thema Energieeffizienz ansprechen." Außerdem sei die Politik gefordert, strengere Regeln für die Geräte vorzuschreiben, fordern Kohler und Krawinkel - auf EU-Ebene wird derzeit gerade um die Öko-Design-Richtlinie gestritten, die künftig schärfere Vorgaben machen soll.

Auffällig ist: Laut der Check24-Erhebung verbrauchen die Haushalte in Nordrhein-Westfalen, im Saarland und in Rheinland-Pfalz am meisten Strom; in Sachsen, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern dagegen am wenigsten. In den neuen Bundesländern liege der Strompreis im Schnitt um 7,8 Prozent über dem westdeutscher Versorger, sagt Isabel Wendorff von Check24: "Daher dürfte die Kostensensitivität bei der ostdeutschen Bevölkerung höher sein."

Größte Verbraucher in der Industrie

Insgesamt allerdings sinkt der Stromverbrauch in Deutschland - ungeachtet all der Haushaltsgeräte. 140 Milliarden Kilowattstunden Elektrizität lieferten die Kraftwerke in den ersten drei Monaten dieses Jahres, das sind vier Prozent weniger als im gleichen Zeitraum des Vorjahres.

Grund ist aber nicht eine neue Sparsamkeit, sondern schlicht die Wirtschaftskrise. Denn die größten Verbraucher sitzen nach wie vor in der Industrie. In der Eisen- und Stahlindustrie etwa, die fünf Prozent des deutschen Stroms benötigt, sank die Produktion nach Zahlen des Stromverbands BDEW um 35 Prozent. Die Nachfrage der privaten Haushalte, so urteilen die Stromerzeuger, habe da doch sehr stabilisierend gewirkt.

© SZ vom 10.06.2009/pak - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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