Deutsche-Bank-Aktionär:Viel Geld, wenig Infos und ein toter Manager

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Die Türme der Deutschen Bank in Frankfurt. Ihr chinesischer Großaktionär HNA plant den Ausstieg. (Foto: Michael Probst/AP)
  • Der chinesische Mischkonzern HNA wurde 2017 größter Anteilseigner der Deutschen Bank. Vielen war das intransparente Unternehmen damals nicht geheuer.
  • HNA setzte auf aggressives Wachstum. Doch so schnell er groß wurde, so rasch schrumpft der Konzern auch wieder.
  • Nun zieht sich HNA überraschend bei der Deutschen Bank zurück. Der Befehl dazu kam offenbar aus Peking.

Von Christoph Giesen, Peking, und Meike Schreiber, Frankfurt

Zwei Maschinen von Boeing, das war der Anfang, vor fast 30 Jahren. 1,4 Millionen Dollar Startkapital stellte die Provinzregierung der chinesischen Tropeninsel Hainan zur Verfügung, den Rest kratzten Gründer Chen Feng und sein Kompagnon Wang Jian zusammen: Chinas erste mehrheitlich private Fluglinie nahm ihren Betrieb auf: Hainan Airlines. Was einmal klein begann, wurde schnell sehr groß. "Uns gehören Flugrouten zu Orten, wo nicht einmal Hasen hinscheißen", sagte Chen einmal in einem Interview. "Der halbe chinesische Luftraum ist unter unserer Kontrolle." Da konzentrierte er sich noch auf die Fliegerei.

Seitdem ist das Unternehmen zu einem Konglomerat gewachsen, ein weitverzweigter Konzern, der sich HNA nennt, Dutzende Beteiligungen, ein weltweites Imperium mit 90 Milliarden Dollar Umsatz, das meiste davon zugekauft. Zuletzt wilderte HNA vor allem im Ausland. Den Regionalflughafen Hahn im Hunsrück erwarb der Konzern, genauso wie eine Beteiligung an den Hilton-Hotels: 6,5 Milliarden Dollar für 25 Prozent. 2016 übernahm das Unternehmen den US-IT-Großhändler Ingram Micro. Kostenpunkt: sechs Milliarden Dollar. Ja selbst bei der Allianz klopften sie selbstbewusst an. 80 Milliarden Euro Börsenwert, ach warum nicht? Wachstum, koste es, was es wolle.

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Statt bei der größten deutschen Versicherung stiegen sie schließlich beim ersten Geldhaus des Landes ein, der Deutschen Bank. 3,4 Milliarden Euro zahlte HNA für 9,9 Prozent der Anteile. Das war vor anderthalb Jahren, und HNA schien unaufhaltsam zu sein. Damit ist es nun endgültig vorbei. So schnell HNA groß geworden ist, so rasch schrumpft der Konzern auch wieder. Die Hilton-Anteile sind verkauft, bei Ingram Micro steht der Ausstieg bevor und nun droht auch das Ende bei der prominentesten Investition.

Noch gibt es dazu keine Stimmrechtsmitteilung, und HNA wird weiterhin auf der Website der Deutschen Bank als größter Aktionär geführt. Doch: Nicht mehr lange. HNA plant den Ausstieg. Dem Vernehmen nach werden sich die Chinesen von ihrem Aktienpaket trennen, peu à peu binnen 18 Monaten. In dieser Zeit laufen schrittweise Finanzierungsstrukturen aus, der Anteil wird so automatisch sinken. Weder die Deutsche Bank noch HNA wollten sich offiziell dazu äußern. Die Aktien der Bank gaben am Freitag zeitweise mehr als zwei Prozent nach. Für das Geldhaus kommt die Nachricht zur Unzeit. Gerade musste das Institut den Stoxx 50, die erste europäische Börsenliga, verlassen.

Dabei hatte die Sache zwischen HNA und der Deutschen Bank so hoffnungsvoll begonnen im Februar 2017. Aufsichtsratschef Paul Achleitner hatte die Chinesen mit Hilfe mehrerer Berater an Bord geholt. Erst kaufte HNA drei Prozent, dann stockten die Chinesen rasch auf 9,9 Prozent auf und waren fortan der größte Aktionär, ein Retter in unsicherer Zeit.

Dem damaligen Vorstandschef John Cryan war der neue Investor suspekt

Doch es dauerte nicht lange, und die hoffnungsvolle Beziehung begann zu kriseln. Der inzwischen geschasste Vorstandschef John Cryan jedenfalls machte intern keinen Hehl daraus, dass ihm der neue Investor höchst suspekt war. Monatelang blockte Cryan mehrere Gesprächswünsche von HNA-Vorstandschef Adam Tan ab. Was Cryan genau irritierte an HNA, ist nie öffentlich geworden. War es die hohe Verschuldung des Konzerns? War es die komplizierte Finanzierungsstruktur, über die HNA bei der Deutschen Bank eingestiegen war? Oder war es die Frage, die zuletzt viele in der Branche umtrieb: Wer steckt hinter diesem nimmersatten Unternehmen, und was erhoffte es sich von der Bank?

Die ersten Zweifel kamen im Frühjahr 2017 auf, kurz nach dem Einstieg bei der Deutschen Bank. Seitdem meldet sich meist via Twitter ein Milliardär aus dem Exil in New York zu Wort. Miles Kwok nennt er sich, sein chinesischer Name lautet Guo Wengui. Kwok behauptet, HNA werde von Wang Qishan, einem der mächtigsten Männer der Volksrepublik, gesteuert. Wang war bis vor Kurzem der oberste Korruptionsjäger des Landes, heute ist er Chinas Vizepräsident und der engste Vertraute von Staats- und Parteichef Xi Jinping. Für Kwoks Behauptungen gibt es keine Belege. Sonderlich hilfreich waren die Erklärungen von HNA jedoch auch nicht. Stattdessen Widersprüche.

Graphik: SZ (Foto: N/A)

Als HNA etwa im Frühjahr 2016 ein Angebot für den Schweizer Flugcaterer Gategroup abgab, hielt eine Stiftung in China 22,75 Prozent der Anteile. 29,75 Prozent waren im Besitz zweier Männer: Bharat Bhisé, ein amerikanischer Staatsbürger, und Guan Jun, ein Chinese. Die restlichen 47,5 Prozent waren laut Angebotsprospekt im Besitz der Mitarbeiter des Unternehmens, wobei angeblich keiner der Angestellten mehr als drei Prozent hielt.

Journalisten begannen zu recherchieren. Und plötzlich hieß es, HNA-Gründer Chen Feng gehörten 14,98 Prozent der Aktien, genauso wie Wang Jian, seinem Partner der ersten Stunde. Der ominöse Großaktionär Guan Jun konnte zwischenzeitlich sogar aufstocken. 29,5 Prozent hielt er alleine. Dann die nächste Kehrtwende im Sommer 2017: Der geheimnisvolle Guan Jun, teilte der Konzern plötzlich mit, habe sich von seinen Anteilen getrennt. Er habe die Aktien nie wirklich besessen, sondern nur "für uns gehalten", sagte Vorstandschef Tan damals. Überschrieben wurden die Aktien an eine Stiftung in New York, die inzwischen Ex-Wirtschaftsminister Philipp Rösler leitet.

Vor wenigen Wochen dann die nächste Hiobsbotschaft, Mitgründer Wang Jian verunglückte im Juli in Südfrankreich. Er hatte sich im Urlaub auf eine Mauer gestellt, damit seine Familie ein Foto von ihm machen konnte. Den Sturz in 15 Meter Tiefe überlebte er nicht. Wang galt als treibende Kraft hinter der Einkaufstour und dem Einsteig bei der Deutschen Bank. Der Mann ist tot.

HNA soll sich auf das Geschäft mit Flugzeugen konzentrieren

Die chinesische Regierung dringt inzwischen drauf, dass HNA sich bei der Deutschen Bank zurückzieht. Ohnehin hat HNA damit wohl nur Verluste gemacht. Seit ihrem Einstieg ist der Aktienkurs um etwa 40 Prozent gefallen. Peking fordert, dass HNA sich auf das Fluggeschäft konzentriert, keine Eskapaden mehr. Tatsächlich drängte sich irgendwann der Eindruck auf, dass das Bündnis von Bank und Konglomerat weniger zum gegenseitigen Nutzen, sondern zum Schaden war. Immer wenn in internationalen Finanzmedien die Runde machte, HNA könne nun doch das Geld ausgehen, gab auch der Aktienkurs der Deutschen Bank nach. Auch den Bankenaufsehern der Europäischen Zentralbank war HNA suspekt. Sie wollten HNA als Aktionär genauer durchleuchten.

Immer wieder gab es Gerüchte, die Chinesen könnten den Anteil an der Bank verkaufen, blieben nicht auf Dauer an Bord. Öffentlich schworen sie der Deutschen Bank jedoch immer wieder die Treue. Das größte deutsche Geldhaus sei ein "Kerninvestment" für die Chinesen, die Beteiligung habe hohen Prestigefaktor, hatte Alexander Schütz, der HNA im Aufsichtsrat der Bank vertritt, im Januar gesagt. Auf der Hauptversammlung im Mai ließ er sich für weitere fünf Jahre wählen. Ein Zeichen der Kontinuität. Treueschwüre sind aber nicht immer von Dauer.

© SZ vom 08.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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