Als Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing im Sommer 2019 seine neue Strategie verkündete, verschob er auch verlustreiche Altlasten aus dem Investmentbanking in eine interne Bad Bank und beförderte dabei eine langjährige Mitarbeiterin des Konzerns: Die Britin Louise Kitchen wurde Chefin der Bad Bank und übernahm die wichtige Aufgabe, die Bilanz des Geldhauses erneut zu säubern, also problematische Wertpapiere bis spätestens 2022 zu veräußern.
Diese schwierige Aufgabe ist zwar noch nicht erledigt, unlängst hat das Institut eingeräumt, dass ihr die Bad Bank wohl jenseits von 2022 erhalten bleibt. Doch nun ist Kitchen überraschend zurückgetreten, ebenso wie Jonathan Tinker, Co-Chef des Währungshandels, der die Bank nach 18 Jahren verlässt. So geht es aus internen Memos hervor, über die die Nachrichtenagentur Bloomberg zuerst berichtet hat. Zur Begründung hieß es, die Arbeit in der Abbaueinheit trete nun in eine neue Phase ein, weswegen Kitchen die Bank verlasse. Ihre Aufgaben in der Capital Release Unit (CRU), wie das Geldhaus die interne Bad Bank nennt, übernehme Richard Stewart, der bereits seit 2006 für den Konzern tätig ist. Auch im Vorstand wurde die Verantwortung für die CRU unlängst - an Rebecca Short - neu zugeteilt.
Nach SZ-Informationen stehen die Rücktritte aber wohl weniger im Zusammenhang mit Erfolgen oder Misserfolgen in der Bad Bank oder im Währungshandel generell, sondern haben mit dem Verkauf von problematischen Währungsderivaten an Unternehmenskunden in Spanien zu tun, ein Thema, das in der Bank als "toxisch" wahrgenommen wird. Unter dem Projektnamen "Teal" untersucht das Geldhaus seit Monaten bestimmte Geschäfte im Investmentbanking, nachdem sich im vergangenen Jahr Kunden beschwert hatten.
Einige Mitarbeiter hatten solche Produkte möglicherweise wissentlich an Kunden veräußert, die mutmaßlich die Risiken weder verstehen noch schultern konnten. Bei einigen Firmen haben sich die Verluste offenbar jahrelang immer weiter aufgetürmt und sind nun auch Gegenstand von Rechtsstreitigkeiten. Der direkt verantwortliche Mitarbeiter hat die Bank bereits verlassen. Nun aber scheint das Thema auch höhere Etagen zu erreichen. Tinker war auf Führungsebene für Währungsprodukte zuständig, Kitchen bis Sommer 2019 für Vertrieb. Beide ließen Anfragen dazu unbeantwortet. Die Bank wollte sich nicht äußern, hatte zuletzt aber gesagt, man habe "Untersuchungen angestoßen, die eine begrenzte Zahl von Kundenbeziehungen betreffen".
Der CO₂-Steuerbetrug kostete die Bank Reputation und Geld
Den Rücktritt der Managerin sei "ohnehin überfällig", sagten mehrere frühere Mitarbeiter der SZ. Das hat vor allem mit dem CO₂-Umsatzsteuerbetrug zu tun, einem Fall, der die Deutsche Bank vor mehr als zehn Jahren viel Geld und Reputation gekostet hat: Erst in London und später in Frankfurt hatte ein Team von Händlern 2009 und 2010 im Verbund mit kriminellen Geschäftsleuten Verschmutzungsrechte reihum an- und wiederverkauft. So lange, bis die Finanzbehörden den Überblick verloren und Umsatzsteuern erstatteten, die zuvor niemand gezahlt hatte. Kitchen war damals "Global Head of Commodities, Sales and Structuring" - sie war also Führungskraft in diesem Rohstoffhandel.
Als die britischen Steuerbehörden Mitte 2009 eingriffen und die Rückzahlung von 50 Millionen Pfund verlangten, waren diese Geschäfte in London nicht mehr möglich. Statt aber den Handel sofort zu stoppen, verlagerte die Bank die Geschäfte nach Frankfurt. Man machte fröhlich weiter, bis auch die deutschen Behörden dahinterkamen. Bei den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft kam es später sogar zu Reibereien mit der Bank, weil die Behörden davon ausgingen, dass ihnen Daten vorenthalten worden waren. 2016 mussten mehrere frühere Mitarbeiter vor Gericht, einer ging später ins Gefängnis. Die Bank zahlte etwa 410 Millionen Euro an Bußgeldern und Steuerrückzahlungen.
2019 erhob die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt zudem Anklage gegen einen Ex-Mitarbeiter, den möglichen Drahtzieher des Betrugs, ohne dass es bislang zu einem Prozess kam. Kitchen, das zeigen interne Unterlagen, in welche die SZ Einsicht hatte, war die Vorgesetzte dieses mutmaßlichen Drahtziehers. Zwar wurde nie gegen sie ermittelt, auch konnte die Bank ihr offenbar kein Fehlverhalten nachweisen. Wie sich aber aus Berichten schließen lässt, welche die Bank 2014 und 2015 bei Kanzleien in Auftrag gegeben hatte, unternahmen offenbar weder sie noch der damalige Vorstand frühzeitig etwas, um das System zu prüfen oder zu stoppen. Die Bank teilte mit, man habe das "Thema gründlich aufgearbeitet". Die Managerin selbst ließ eine Anfrage dazu unbeantwortet.