Spekulationen der Deutschen Bank:Mit Essen spielt man nicht

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Banken zocken gerne mit Nahrungsmitteln. Sie wissen: Gegessen wird immer. Doch die Spekulanten treiben die Preise für Rohstoffe wie Weizen in die Höhe. Verbraucherschützer fordern deshalb, dass zumindest die Deutsche Bank aus dem Geschäft mit Nahrungsmitteln aussteigt. Institutschef Ackermann signalisierte zunächst Gesprächsbereitschaft - sein Nachfolger sieht das anders.

H. Freiberger, A. Hagelüken und C. Hulverscheidt

Von dem Mann im blauen Anzug lernten die Zuhörer an diesem Sonntagmorgen am Starnberger See, dass es verschiedene Welten gibt. Josef Ackermann kam vor drei Jahren in die Akademie Tutzing, um über Profit und Moral zu reden. Vor allem über die Konflikte zwischen beiden. "Wir müssen den Dialog pflegen", sprach der Deutsche-Bank-Chef die 300 Gäste an, "wir leben in verschiedenen Welten."

"Kein Geschäft ist es wert, den guten Ruf der Deutschen Bank aufs Spiel zu setzen", schrieb der Schweizer an Foodwatch. Dummerweise hat sein Nachfolger genau so ein Geschäft aufgebaut. (Foto: dpa)

Profit und Moral? In den letzten Amtswochen Ackermanns an der Spitze der größten deutschen Bank stellt sich diese Frage bei einem wichtigen Thema neu. Besonders interessant ist dabei, ob Ackermann Profit und Moral in verschiedenen Welten verortet. Und ob er überhaupt noch die Macht hat, die Bank auf eine dieser Welten festzulegen.

"Kein Geschäft ist es wert, den guten Ruf der Deutschen Bank aufs Spiel zu setzen", schrieb der Schweizer vor fast einem halben Jahr an Foodwatch. Die Organisation prangert die Spekulation mit Nahrungsmitteln an, die das tägliche Brot armer Menschen auf dem ganzen Erdball um bis zu ein Viertel verteuere. Der Vorwurf: Auf der Jagd nach Rendite wetten immer mehr Investoren auf dauerhaft steigende Preise und treiben dadurch die Ausgaben für Getreide oder Speiseöl hoch - fatal angesichts von einer Milliarde Menschen, die hungern oder unterernährt sind. Preistreiber unter den Investoren sind zum Beispiel Fonds, die auf Rohstoffindices wetten. Ein führender Anbieter: die Deutsche Bank. Foodwatch forderte das Geldhaus zum Ausstieg auf: "Hände weg vom Acker, Mann!"

Der Angesprochene versprach, die Vorwürfe zu prüfen und gegebenenfalls zu reagieren. Ackermann denkt ernsthaft an einen Ausstieg aus dem Geschäft, ist aus der Bank zu hören. Es wäre eine Möglichkeit, sich in gutem Licht zu präsentieren am Ende einer Ära, in der er mit seinem Rendite-Ziel von 25 Prozent und anderem für viele Deutsche zur Symbolfigur eines kalten Kapitalismus wurde.

Doch Ackermann gerät damit in einen direkten Konflikt mit der Truppe von Anshu Jain, dem Investmentbanker, den er als seinen Nachfolger verhindern wollte und der es im Juni nun doch wird. "Ackermanns Vorstoß ist begrüßenswert, aber die Frage ist, ob er sich damit durchsetzt", sagt Foodwatch-Chef Thilo Bode. Der Aktivist war überrascht von der schnellen und positiven Reaktion des Deutsche-Bank-Vorstehers. Der habe ursprünglich zugesagt, bis Ende Januar zu entscheiden. Dann reiste Bode im Dezember nach London und traf die zuständigen Rohstoffhändler. Seitdem ist er skeptisch. "Sie fanden unseren Bericht komplett daneben und erklärten dann auf Nachfrage, dass sie ihn gar nicht gelesen hatten", sagt Bode. Offensichtlich spricht man bei der Deutschen Bank mit doppelter Zunge, ärgert er sich.

"Freuen Sie sich über steigende Preise"

Es wäre nicht das erste Mal, dass sich ein Graben zwischen Frankfurter Zentrale und Londoner Investmentbankern auftut. Ackermann distanziert sich seit der Eskalation der Finanzkrise 2008 zunehmend von den Auswüchsen des Investmentbankings, betont die Verantwortung von Banken, erklärt, sie müssten sich auf ihre Rolle als Dienstleister der Realwirtschaft besinnen. In London wird das als Affront gesehen. Dort fallen Jobs weg, wenn die Deutsche Bank einen Teil des Rohstoffgeschäfts dichtmacht, das sie noch 2010 als wichtigstes Wachstumsfeld des Konzerns pries - und das globalen Konkurrenten wie Goldman Sachs in guten Jahren fünf Milliarden Dollar Gewinn bringt. Kompliziert wird die Lage dadurch, dass Jain dieses Geschäft maßgeblich aufbaute und sich seinen Mitarbeitern verpflichtet fühlt.

Doch die Zeiten, in denen die Bank ungeniert auf Brötchentüten für ihre Agrarfonds werben konnte ("Freuen Sie sich über steigende Preise"), die sind vorbei. Die Politik schaut immer genauer auf das Geschäft mit dem Essen.

Wir müssen die Manipulationsrisiken bei den Rohstoffpreisen verringern", erklärte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) am Montag. Union und FDP finden den Handel mit Rohstoffderivaten nicht generell verwerflich, Bauern und Industrie müssten sich gegen Preisrisiken absichern. Doch Fehlentwicklungen wollen die Regierungsfraktionen verhindern - und dafür den Terminhandel mit Naturprodukten gezielt regulieren. Am Donnerstag wollen sie im Bundestag einen Antrag verabschieden, der die Bundesregierung auffordert, sich auf Ebene der EU wie der G20 vor allem für mehr Transparenz einzusetzen. So sollen Händler ihre Derivatepositionen regelmäßig an die Aufsichtsbehörden melden, die wiederum einen wöchentlichen Bericht vorlegen sollen.

Auch müssten die Behörden Auskunft darüber verlangen dürfen, zu welchem Zweck eine einzelne Bank oder ein Investmentfonds bestimmte Derivate angehäuft hat. Um zu verhindern, dass einzelne Händler zu großen Einfluss auf die Preise erhalten, sollen die Behörden zudem Positionsbegrenzungen aussprechen können. Aufsichtsämter für die Finanzmärkte und Regulierungsbehörden für den Strom-, den Gas- und den Agrarmarkt sollen Daten austauschen, um die Hintergründe von Preisentwicklungen besser erkennen und Preisblasen zu verhindern. Die USA sind bereits einen Schritt weiter und begrenzen gesetzlich die Zahl der Terminwetten auf Weizen oder Zucker, die ein Händler halten darf.

Gut möglich, dass der Druck auf die Deutsche Bank steigt, das lukrative Feld zu überprüfen. Wo steht sie also? Hier der alte Chef, der auf seine alten Tage die Moral hochhält, dort der neue Chef, der vor allem an künftige Profite denkt. Es ist ein fast schon klassischer Konflikt, dessen Ausgang in der Frage der Nahrungsmittelspekulationen offen ist. Kürzlich teilte die Bank Foodwatch mit, sie wolle eine umfassende Studie zum Thema Handel mit Agrarrohstoffen und Hunger erarbeiten, es könne noch einige Monate dauern bis zu einer Entscheidung über die Zukunft der Sparte.

Ackermann würde hier gern eine weitere Baustelle abschließen. Zuletzt tat er das, als er die "Todeswetten" mit Lebensversicherungsfonds stoppte oder einen Vergleich beim Loreley-Investment erzielte, mit dem die Bank auf Kosten anderer an Ramsch-Papieren verdient haben soll. Bei den Nahrungsmitteln aber könnte eine Lösung wegen Jain schwierig werden. Dann wird es Kritiker geben, die urteilen, Deutschlands größte Bank habe sich für eine bestimmte Welt entschieden - für Profit und gegen Moral.

© SZ vom 06.03.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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