Lange galt er als der mächtigste Mann der deutschen Wirtschaft. Doch ausgerechnet in dem Machtkampf um seine eigene Nachfolge als Chef der Deutschen Bank scheint sich das Blatt nun gegen Josef Ackermann zu wenden.
Am späten Sonntagnachmittag trafen sich die Königsmacher der Deutschen Bank um Aufsichtsratschef Clemens Börsig. Und es deutete viel darauf hin, dass sich Ackermanns Widersacher mit seinen Vorstellungen durchsetzt.
Erst im Frühjahr 2013 läuft Ackermanns Vertrag aus. Doch seitdem Ex-Bundesbankchef Axel Weber, den Ackermann als seinen Nachfolger favorisiert hatte, sich vor zehn Tagen dem Schweizer Wettbewerber UBS versprochen hat, gilt eine rasche Entscheidung als unausweichlich. Am Sonntag beriet der Nominierungsausschuss des Aufsichtsrates, dem neben Börsig der frühere Bosch-Manager Tilman Todenhöfer sowie Bayer-Chefkontrolleur Werner Wenning angehören, gemeinsam mit Ackermann über eine Lösung. Ziel sei es, so hieß es, eine Lösung zu finden, mit der alle Seiten leben könnten und die Ackermann nicht als Verlierer dastehen ließe.
Wer steht neben Jain?
Doch unmittelbar vor dem Treffen waren die Fronten zwischen Börsig und Ackermann verhärtet. Einig waren sich beide nur in einem Punkt: Eine Doppelspitze soll die Bank künftig führen, und ein Teil dieser Spitze soll Anshu Jain sein, der das mächtige Investmentbanking der Deutschen Bank leitet. Doch während der knorrige Börsig dem Inder den Deutschland-Chef Jürgen Fitschen zur Seite stellen möchte, hält Ackermann seinen Intimus Hugo Bänziger für das bessere Gegengewicht für Jain.
Bedenken gegen eine Doppelspitze Jain/Fitschen hat das Ackermann-Lager deshalb, weil es fürchtet, dass die Kräfte innerhalb der Deutschen Bank damit nicht richtig ausbalanciert wären. Fitschen, 62, so die Sorge, müsste nach zwei, drei Jahren gehen, dann könnte Jain die ganz Macht im Konzern an sich reißen. Außerdem bestünde die Gefahr, dass mit Fitschen sehr schnell wieder eine Nachfolgediskussion beginnt. Ackermanns Strategie sieht vor, dass die Gewinne künftig stärker aus dem soliden Privatkundengeschäft kommen und weniger aus dem riskanten Investmentbanking. Dies muss sich seiner Ansicht nach auch in der Führungsstruktur der Bank widerspiegeln.
Eine Doppelspitze mit Bänziger käme Ackermann entgegen, weil er den Schweizer selbst zur Deutschen Bank geholt hat und ihm nahesteht. Zum anderen war Bänziger als oberster Risikomanager bisher schon der natürliche Gegenspieler Jains. Mit seinen 55 Jahren könnte er dessen Machtambitionen auch eher im Zaum halten als Fitschen.
Programmierter Streit
In Aufsichtsratskreisen heißt es, Börsig habe starke Vorbehalte gegen Bänziger, mit dem er als Finanzvorstand bis 2006 eng zusammenarbeitete. Zwar gilt der Risikovorstand als fachlich versiert. Er könnte allzu riskanten Geschäften der Investmentbanker um Jain Einhalt gebieten. Doch gerade darin liegt auch ein Nachteil: "Streit mit Jain wäre in dieser Konstellation von Anfang an programmiert", heißt es im Umfeld der Bank.
Bei den Londoner Investmentbankern ist Bänziger nicht beliebt. Eine zerstrittene Doppelspitze aber würde die Bank lähmen. Fitschen-Kritiker malen die Gefahr an die Wand, Bänziger könne der Bank den Rücken kehren, sollte er bei der Chef-Kür übergangen werden. Ob Börsig von Fitschen abrückt, hängt letztlich davon ab, ob Ackermann Todenhöfer und Wenning von seiner Sicht überzeugen kann. Zwar steht die Kapital-Seite im Aufsichtsrat dem Vernehmen nach bislang geschlossen hinter Börsig. Doch soll den Aktionärsvertretern daran gelegen sein, Ackermanns Verdienste um die Bank zu würdigen und sein Ansehen nicht zu beschädigen.
Das Ackermann-Lager hatte vergangene Woche die Möglichkeit ins Spiel gebracht, dass der Schweizer Börsig als Chef des Aufsichtsrates beerben könnte. Diese Möglichkeit scheint nun vom Tisch. Ein Sprecher dementierte, dass sich Ackermanns frühere Sicht geändert habe. Er wies auch einen Bericht zurück, wonach Ackermann im Vorstand für seinen Wechsel ins Kontrollgremium geworben haben soll. Außerdem heißt es in Aufsichtsratskreisen, Börsig lehne es strikt ab, vor Auslaufen seines Vertrages im Frühjahr 2013 zurückzutreten. Er sei sich keiner Schuld bewusst, dass er die Absage Webers zu verantworten habe.
Während Aktionäre wie der britische Finanzinvestor Hermes sich für einen Wechsel Ackermanns in den Aufsichtsrat aussprechen, ist ein solcher Schritt im Arbeitnehmerlager höchst umstritten. "Das wäre eine unerträgliche Vermischung von Kontrolle und Führung der Bank, der einige Aufsichtsräte niemals zustimmen würden", hieß es am Sonntag aus dem Kontrollgremium. Eine einheitliche Linie gibt es unter den zehn Arbeitnehmervertretern jedoch nicht. Am Montag wollen sie ihre Haltung zur Führungsfrage diskutieren und eine gemeinsame Position finden.
Der Nominierungsausschuss präsentiert seinen Vorschlag in den nächsten Tagen dem Aufsichtsrats-Präsidium. In ihm sitzen auch zwei Vertreter der Arbeitnehmerseite, die ihre eigenen Vorstellungen einbringen werden. Für Ackermann wird es darauf ankommen, ob er mit seinen Argumenten gegen Fitschen die Mehrheit der Aufsichtsräte auf seine Seite ziehen kann. Unklar war bis zuletzt, wann der Wechsel an der Vorstandsspitze vollzogen werden soll. Als unwahrscheinlich galt, dass Ackermann seinen Vertrag bis 2013 erfüllt. Unter anderem würde dies Fitschen als Nachfolger unwahrscheinlicher machen, da er dann bereits 64 wäre und von vornherein als Mann für eine sehr kurze Übergangszeit gelten würde.