Ex-Politiker:Ronald Pofalla gibt bei der Bahn auf

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Zwischenzeitlich galt Ronald Pofalla sogar als Kandidat für den Posten des Vorstandschefs. (Foto: Arnulf Hettrich /Imago)

Nach dem Regierungswechsel drohte dem Ex-Kanzleramtschef der Bedeutungsverlust im Vorstand. Überraschend verlässt Ronald Pofalla nun den größten deutschen Staatskonzern.

Von Markus Balser, Berlin

Bahn-Vorstand Ronald Pofalla war es eigentlich immer gewohnt, in der ersten Reihe zu stehen. Vier Jahre war er Chef des Bundeskanzleramts. Insgesamt 24 saß er als Abgeordneter für die CDU im Bundestag und immerhin fast sieben im Bahnvorstand. Doch schon im Februar, als der größte deutsche Staatskonzern in Berlin mit viel Tamtam einen neuen ICE präsentierte, war Pofalla - sonst eigentlich Stammgast bei solchen Terminen - nicht mehr dabei. Richard Lutz und Fernverkehrsvorstand Berthold Huber scherzten beim Prestigetermin allein mit Verkehrsminister Volker Wissing (FDP).

Es lief also schon einige Zeit nicht nach Fahrplan für den karrierebewussten 62-Jährigen. Zuletzt knirschte es offenbar auch noch zwischenmenschlich im Bahnvorstand. Vertraute berichten über ein angespanntes Verhältnis zur aufstrebenden Chefin der Güterverkehrssparte, Sigrid Nikutta. Und auch dass seine CDU in der neuen Regierungskoalition nichts mehr zu sagen hatte und ihm Rückhalt und Einfluss fehlte, machte Pofalla zu schaffen.

Dennoch überraschte der Rückzug selbst Vorstandskollegen. Bereits vor einigen Tagen habe der Manager den Verkehrsminister von seinem Ausstiegsplan informiert, heißt es in Konzernkreisen. Seit Wochenbeginn wisse auch der engste Kreis bei der Deutschen Bahn Bescheid. Am Vormittag teilte der Konzern dann auch offiziell mit: Pofalla verlasse das Unternehmen zum 30. April.

Pofalla selbst äußerte sich nicht zu den Gründen für den abrupten Abgang. "Nach mehr als sieben Jahren im Unternehmen ist es an der Zeit, zu meinem nächsten Lebensabschnitt aufzubrechen", sagte er lediglich. Er erhalte keine Abfindung oder Auszahlung für die verbliebene Amtszeit, da er auf eigenen Wunsch ausscheide, sagte ein Konzernvertreter. Selbst die Grünen lobten das am Dienstag als bemerkenswerten Schritt eines Managers. Sein Vertrag wäre eigentlich noch bis Juli 2025 gelaufen.

Pofalla war für viele nie das, was man einen Sympathieträger nennt

Auch wenn Kollegen bei der Bahn davon berichten, Pofalla wolle sich stärker um seine Familie kümmern, die in Nordrhein-Westfalen lebe: Einiges spricht dafür, dass der 62-Jährige nun andernorts versucht, in die erste Reihe zu kommen. Zwischenzeitlich galt er auch als Kandidat für den Posten des Vorstandschefs bei der Bahn. Denn Pofalla zog erfolgreich viel Geld für das Unternehmen an Land. Doch mit der neuen Ampelregierung aus FDP, SPD und Grünen war für den CDU-Mann der Traum geplatzt.

Pofalla ahnte wohl, dass ihn seine politische Vergangenheit einholen könnte. Er war für viele einstige Konkurrenten nie das, was man einen Sympathieträger nennt. Als Generalsekretär gewann er für die Union den Wahlkampf 2009. Danach räumte er für Kanzlerin Merkel als Kanzleramtschef vier Jahre effizient Probleme aus dem Weg. Auch bei der Bahn galt für Pofalla: Eine ruhige Ecke zum Rauchen zu finden, war oft wichtiger, als einem Streit aus dem Weg zu gehen.

Pofalla eckte bei der Bahn an. Der Jurist war im Unternehmen von Anfang an umstritten, da er vom Kanzleramt in den Konzern wechselte und dies als politisch gewollt galt. Pofalla übernahm kurze Zeit später 2015 einen Vorstandsposten und war von 2017 an für die gesamte Infrastruktur aus Netz, Bahnhöfen und Energieversorgung zuständig. Dies ist das Schlüsselressort im Bahn-Konzern. Jedes Jahr kann es über ein Investitionsbudget im zweistelligen Milliardenbereich verfügen. Doch seine Kontakte halfen dem Konzern. Pofalla machte sich vor allem als Einsammler von Geld für das Unternehmen unentbehrlich.

Mit seinem Rückzug kommt Pofalla womöglich auch einer Demission zuvor

Doch mit dem neuen Verkehrsminister drohten nun Probleme. Volker Wissing (FDP) hatte zuletzt deutlich signalisiert, dass er die chronisch schlechten Leistungen der Bahn nicht weiter hinnehmen werde. Aus der Ampelkoalition hagelte es Kritik auch an der Lage des von Pofalla verantworteten Netzes, an Verspätungen und einer zögerlichen Digitalisierung. Wissing scheint entschlossen, den Konzern zu reformieren. Vor allem die Sparte Pofallas ist im Visier. Sie soll formell aus der Aktiengesellschaft der Bahn herausgelöst werden. Pofalla hätte wohl an Einfluss verloren.

Verschärft hatte die kritische Lage für Pofalla zuletzt auch noch, dass das umstrittene Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 noch teurer werden soll, als ohnehin schon erwartet. Politiker wie Baden-Württembergs grüner Verkehrsminister Winfried Hermann fühlten sich von der überraschenden Ankündigung düpiert. Noch im vergangenen Jahr hielt Pofalla an der Kostenschätzung von 8,2 Milliarden Euro fest. Ende Januar dann sickerte durch, dass sich das Vorhaben nun doch über eine Milliarde Euro verteuern wird. Noch weiß niemand, wer das bezahlen soll. Bahn, Bund und Länder streiten seit Jahren um die Zusatzkosten.

Inzwischen hat der Aufsichtsrat Konzernkreisen zufolge deswegen eine Sondersitzung für den 18. März angesetzt. Pofalla kommt mit seinem Abschied möglicherweise auch einer Aufarbeitung der ausufernden Kosten zuvor. Aufsichtsräte loben allerdings auch seinen Einsatz in der Politik für einen Ausbau der Bahn. Ohne Pofalla, sagt einer, hätte der Konzern in den vergangenen Jahren keinen solchen Aufbruch hinlegen können.

Ob es Pofalla nach seinem Abgang wieder in die Wirtschaft oder zurück in die Politik zieht, ist offen. Es gebe noch keine Entscheidung hieß es aus seinem Umfeld. Auch über die Nachbesetzung seines Postens bei der Bahn wolle der Konzern nun erst mal in Ruhe entscheiden.

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