Niedrigzinsen:Pensionslücke bei Dax-Konzernen so groß wie nie

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Der VW-Konzern hat seinen Mitarbeitern 50,6 Milliarden Euro in Form von Pensionen zugesagt. (Foto: dpa)
  • Die 30 Dax-Konzerne schieben Pensionslasten für Betriebsrenten in Höhe von 400 Milliarden Euro vor sich her.
  • Gleichzeitig sind nur 250 Milliarden an Vermögenswerten vorhanden - so groß war die Pensionslücke noch nie.
  • Die Betriebsrenten der Mitarbeiter sind jedoch nicht in Gefahr.

Von Harald Freiberger

Die dauerhaft niedrigen Zinsen werden zunehmend zu einer Belastung für Unternehmen in Deutschland. Sie führen dazu, dass die Lücke bei den Pensionsverpflichtungen der 30 Dax-Konzerne derzeit so groß ist wie noch nie. Das zeigt eine Studie der Fondsgesellschaft Flossbach von Storch, die der SZ vorliegt. Demnach lagen die Pensionslasten Mitte des Jahres bei rund 400 Milliarden Euro. Nur rund 250 Milliarden Euro davon sind an dafür ausgelagerten Vermögenswerten vorhanden. Demnach klaffte Ende Juni eine Pensionslücke von 146 Milliarden Euro, 27 Milliarden mehr als ein halbes Jahr zuvor.

Bei den Pensionszusagen handelt es sich um die Betriebsrenten für Arbeitnehmer, aber auch um die Altersvorsorge für die Vorstände. "Die Unternehmen haben es versäumt, in der Vergangenheit die nötigen Mittel dafür zurückzulegen", sagt Kai Lehmann, der Autor der Studie. Laut Gesetz seien sie in Deutschland nicht gezwungen, ihre Verpflichtungen auszufinanzieren. Da die Verpflichtungen bei den meisten Dax-Konzernen erst in durchschnittlich 15 bis 20 Jahren fällig werden, zeigen die Unternehmen nicht den vollen Umfang ihrer Verpflichtungen.

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Vielmehr zinsen sie diese mit einem Rechnungszins ab. Die niedrigen Zinsen sorgen dafür, dass die Lücke zwischen dem vorhandenen Vermögen der Konzerne und den Pensionsverpflichtungen immer größer wird. So sind die Zinsen in diesem Jahr auf den Kapitalmärkten weiter deutlich gesunken. Das führt dazu, dass die Unternehmen auch niedrigere Rechnungszinsen für die künftige Entwicklung ihres Vermögens annehmen müssen. Laut den Geschäftsberichten lag dieser Rechnungszins bei den Dax-Konzernen zum Ende des Jahres 2018 im Durchschnitt bei 2,2 Prozent. Wegen des Zinsrutsches muss laut der Studie nun aber ein um 0,75 Prozentpunkte niedrigerer Rechnungszins angesetzt werden. Das gehe aus den Halbjahresberichten der Konzerne hervor. Die höheren Aktienkurse im ersten Halbjahr konnten diese Entwicklung nicht auffangen, zumal die Unternehmen das Pensionsvermögen überwiegend in kaum verzinste Anleihen angelegt haben.

Die Pensionsverpflichtungen der einzelnen Dax-Unternehmen sind sehr unterschiedlich. Spitzenreiter ist der Volkswagen-Konzern, der seinen Mitarbeitern insgesamt schätzungsweise 50,6 Milliarden Euro an Pensionen zugesagt hat. Allein im ersten Halbjahr 2019 dürften die Verpflichtungen wegen des Zins-Effektes um 6,7 Milliarden Euro gewachsen sein. Bei Siemens zeigt die Analyse eine Erhöhung um 3,5 Milliarden auf 39,5 Milliarden Euro, bei Daimler um 3,8 Milliarden auf 35,4 Milliarden. Bei Konzernen wie Adidas, Deutsche Börse oder Vonovia liegen die Pensionslasten dagegen bei weniger als einer Milliarde Euro. Auslöser des Problems sind die jüngsten Zinsentscheidungen der Notenbanken. Wegen der schwierigen Lage der Weltkonjunktur haben sie die Wende zu höheren Zinsen faktisch abgesagt. Die Zeichen stehen auf sinkende Zinsen. Die Kapitalmärkte haben dies mit einem deutlichen Zinsrutsch vorweggenommen. "Wir sehen auf Jahre hinaus keine Zinswende", sagt Studienautor Lehmann. Und selbst wenn in fünf Jahren die Zinsen wieder bei drei Prozent lägen, würde dies auf der anderen Seite nichts Gutes für die Kursentwicklung der ausgelagerten Vermögenswerte vermuten lassen; die Pensionslücke also bleibe. "Wie man es auch dreht und wendet: Es sieht nicht gut aus für die Unternehmen", sagt Lehman. Jetzt räche es sich, dass sie nicht genug Geld zurückgelegt hätten.

Die Betriebsrenten sind deshalb nicht in Gefahr. Wenn ein Unternehmen nicht mehr zahlen könnte, würde der Pensionssicherungsverein einspringen. "Aber die nötigen Mittel, um ihre Verpflichtungen zu erfüllen, werden den finanziellen Spielraum der Unternehmen in Zukunft immer mehr einengen", sagt Lehmann. Das Geld werde an anderer Stelle fehlen, zum Beispiel bei Investitionen.

© SZ vom 08.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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