Kräfteverhältnis im Netz:Auch Google ist nicht allmächtig

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Was guckst du? Googles Datenbrille Glass scheiterte an mangelnder Akzeptanz. Viele empfanden das Gerät als Bedrohung ihrer Privatsphäre. (Foto: Filip Singer/dpa)

Die Giganten der digitalen Welt vermitteln den Eindruck, dass sie allein die Welt beherrschen. Doch so hilflos sind die Verbraucher gar nicht gegen Google, Facebook und Amazon.

Von Varinia Bernau, München

Wie mächtig ist Google? Bremst der Konzern, wie die europäischen Wettbewerbshüter fürchten, seine Konkurrenten? Oder ist die Konkurrenz, wie Google selbst sagt, nur einen Klick entfernt?

Diese Frage ist nicht nur etwas für Fachsimpeleien unter Ökonomen, sondern auch für viele Verbraucher von großer Bedeutung. Aus analogen Zeiten sind sie es gewohnt, dass Monopole stets zu ihrem Nachteil sind. Weil Monopolisten die Preise in die Höhe treiben, den Service vernachlässigen und technologische Neuerungen blockieren.

Aber gilt das auch in digitalen Zeiten? Daniel Zimmer hat daran zumindest Zweifel. Er leitet das Institut für Handels- und Wirtschaftsrecht der Universität Bonn und auch die Monopolkommission. Das wissenschaftliche Gremium berät die Bundesregierung bei Fragen des Wettbewerbs und hat nun ein Gutachten zur Logik digitaler Märkte erarbeitet.

Google kann nichts dafür, dass Menschen bequem sind

Google, betont Zimmer, habe mit seiner Suchmaschine kein reines Monopol. Denn es gebe andere Anbieter - und man könne Google nicht vorwerfen, dass die meisten Menschen schlichtweg zu bequem sind, eine der anderen Suchmaschinen wie Bing, Duck Duck Go, Qwant oder Xquick zu verwenden. Gerade das Geschäft mit solchen Internetdiensten sei von einer starken Dynamik geprägt.

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"Das Bessere ist des Guten Feind", sagt Zimmer. "Wir können heute nicht sagen, ob Facebook in fünf Jahren wirklich noch das dominierende soziale Netzwerk ist." Dies gelte umso mehr, da die Einstiegshürden für neue Anbieter so niedrig sind wie nie zuvor: Rechenkraft und Speicherplatz kann man heute im Internet gewissermaßen mieten. Das ist billiger als früher - und ermöglicht es jedem Studenten von seinem Wohnheimzimmer aus, Konzerne ins Wanken zu bringen. Zumindest theoretisch.

Monopolisten können sich nicht mehr entspannt zurücklehnen

"Für die Verbraucher ist das gut, denn die Firmen zeigen ein großes Bemühen, ihre Kundschaft zufriedenzustellen. Es ist in diesem Geschäft eben nicht so, dass sich der Monopolist zurücklehnt", sagt Zimmer. Google kann also nicht darauf warten, dass ein anderes Unternehmen mit einer besseren Suchmaschine aufwartet. Der Konzern muss seine Suchmaschine stetig verbessern.

Dass Google dabei durch seine schiere Größe einen enormen Vorteil hat, bezweifelt auch Zimmer nicht. Die Fortentwicklung des Suchalgorithmus, die ständige Aktualisierung der Ergebnisse, zu denen riesige Serverparks nötig sind, all das ist ein enormer Aufwand. "Schon für Microsoft scheint es nicht möglich, das aus Werbeeinnahmen zu finanzieren. Die Suchmaschine Bing gilt als Zuschussgeschäft."

Wie der Netzwerkeffekt Google, Facebook und Amazon in die Karten spielt

Ökonomen sprechen auch vom Netzwerkeffekt - und auf diesem fußt nicht nur der Erfolg von Google. Auf diesem Effekt fußt auch der Erfolg vom Plaudertreff Facebook, vom Online-Kaufhaus Amazon oder vom Fahrdienstvermittler Uber. Mit jedem neuen Akteur auf einer dieser Plattformen - seien es diejenigen, die dort etwas suchen, seien es diejenigen, die dort etwas anbieten - steigt der Nutzen für alle.

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Das gibt es in traditionellen Branchen nicht. Auch ein Autohersteller, der viele Fahrzeuge fertigt, reicht zwar die Ersparnisse in der Produktion, etwa den Mengenrabatt beim Zulieferer, im besten Fall an den Verbraucher weiter. Aber abgesehen vom günstigen Preis hat jemand, der sich ein Auto kauft, nichts davon, wenn seine Freunde das auch tun. Bei all den Produkten, in denen endliche Ressourcen stecken, wie etwa seltene Rohstoffe in Handys, kann der Preis sogar steigen, wenn viele danach verlangen. Was kann man also tun, um zu verhindern, dass die zweifelsohne Mächtigen zu mächtig werden?

Dass die in der analogen Welt erprobten Mittel auch für die digitale taugen, hält Zimmer für einen Trugschluss. "Die Frage ist doch: Wollen wir stattdessen drei kleinere Suchmaschinen, die wegen ihrer schmaleren Basis einen schlechteren Service bieten?" Dasselbe gelte für soziale Netzwerke. Facebooks Reiz bestehe darin, dass dort so gut wie alle angemeldet sind. "Niemand will seine Freunde auf drei verschiedenen Plattformen zusammensuchen."

Statt den Entwicklungen auf digitalen Märkten hinterherzuhecheln, müssten die Wettbewerbshüter vorbeugen. Seit fünf Jahren prüft die EU-Kommission, ob Google seine starke Stellung als Suchmaschinenanbieter zum Nachteil anderer ausnutzt. "Das ist der Dynamik in dieser Branche einfach nicht angemessen", betont Zimmer. Sein Plädoyer: "Diesseits und jenseits des Atlantiks sollten die Behörden bei der Genehmigung von Fusionen unter Wettbewerbern äußerst zurückhaltend sein."

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Denn um im schnelllebigen Geschäft mitzuhalten, kaufen die mit hohen Barreserven ausgestatteten Internetunternehmen kurzerhand ihre Konkurrenten. Als Facebook fürchtete, dass sich die Teenager auf cooleren Plattformen treffen, schnappte sich der Konzern kurz vorm Börsengang im Frühjahr 2012 für eine Milliarde Dollar das Fotonetzwerk Instagram. Zwei Jahre später folgte die 19 Milliarden Dollar teure Übernahme des Chat-Dienstes Whatsapp.

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"Die Schwierigkeit liegt darin, rechtzeitig zu erkennen, wer denn ein ernst zu nehmender Konkurrent ist", räumt Zimmer ein. Der Experte für Wettbewerbsrecht plädiert auch für einen Schulterschluss mit anderen Disziplinen: In einer Zeit, in der die im Netz gesammelten Informationen über die Menschen zu einem der wichtigsten Güter werden, mit denen die Internetkonzerne ihr Geschäft machen, kommt dem Datenschutz eine neue Aufgabe zu.

Google und Apple dominieren den Smartphone-Markt

Mehr als 80 Prozent aller Smartphones weltweit nutzen Googles Betriebssystem Android, mehr als 15 Prozent das Pendant von Apple. Niemand, der heute eine App, sei es ein Spiel oder ein Navi, anbietet, kommt an den beiden Konzernen vorbei. Die Entwickler müssen alle technischen und inhaltlichen Vorgaben akzeptieren - und die Maßgabe, etwa ein Drittel der Erlöse, die sie mit einer App machen, an Apple oder Google abzudrücken. Das stärkt deren Macht zusätzlich. "Aber diese Situation kann man aufbrechen - und zwar in dem Moment, in dem der Verbraucher seine Daten ohne großen Aufwand von einem zum anderen mitnehmen kann."

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Eine Forderung, die auch Zimmer erhebt: "Das ist nicht nur wichtig, um die Rechte der Bürger beim Schutz ihrer Daten zu verteidigen, sondern auch um den Wettbewerb zu fördern - zum Wohle der Verbraucher." Dann nämlich, so die Überlegung, könnten die Anbieter großer Plattformen ihre Macht nicht mehr so leicht missbrauchen.

Mehr zu Googles Entwicklerkonferenz I/O auf www.sueddeutsche.de/digital

© SZ vom 29.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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