Daimler:Zetsche steht vor dem härtesten Termin seiner Karriere

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Steht vor einem unangenehmen Termin im Verkehrsministerium: Daimler-Chef Dieter Zetsche. (Foto: dpa)

Der Daimler-Chef muss wieder zum Rapport ins Verkehrsministerium - und dieses Mal geht es auch um seine Zukunft.

Von Markus Balser, Berlin, und Max Hägler

Am Donnerstag trat Daimler-Chef Dieter Zetsche in der Hauptstadt so auf, wie er es am liebsten tut. Auf der Wirtschaftskonferenz der Berliner Business School ESMT sollte es um die Zukunft der Mobilität gehen. Zetsche sinnierte vor einigen Hundert Zuhörern über den Wandel der Branche. Über automatische Autos, die Elektromobilität, den Kampf gegen den Verkehrskollaps in Metropolen. Doch von der gewohnten Lässigkeit des Top-Managers war am Pult wenig zu spüren. Zetsche las seine Rede ab, wirkte angespannt und sagte zum fundamentalen Branchenwandel fast schon ratlos: "Keiner weiß, wo das am Ende hinführt."

Ähnliches gilt für einen Termin in der nahen Zukunft. Denn schon am Montag muss Zetsche wieder nach Berlin. Nur zwei Wochen nach dem ersten Treffen mit Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) soll Zetsche nach dem Wunsch des Ministers dann endgültig reinen Tisch machen. "Am Montag müssen die Zahlen aller Autos auf den Tisch, die von Abschalteinrichtungen betroffen sind", heißt es aus Ministeriumskreisen. Laut Behördenkreisen fürchtet man, dass über 700 000 Autos des Konzerns betroffen sein könnten. "Wir wollen Antworten", sagt ein Beteiligter. Zetsche muss sich offenbar erneut auf eine harte Gangart des Ministers einstellen. "Eine Kuschelnummer wird das sicher nicht", heißt es weiter.

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Für den Daimler-Chef dürfte es der vielleicht schwierigste Termin seiner Karriere werden. Zetsche hatte nach Beginn der VW-Affäre erklärt, in seinem Unternehmen werde nicht betrogen oder manipuliert. Kürzlich hat das Scheuer unterstellte Kraftfahrtbundesamt Daimler dann erstmals offiziell eine illegale Abschalteinrichtung vorgeworfen und den Konzern zum Rückruf von 5000 Fahrzeugen verdonnert. Daimler weist die Vorwürfe zurück.

Dass Zetsche diese Position am Montag räumt, gilt als unwahrscheinlich. Müsste er einräumen, dass die Vorwürfe stimmen, würde er sich wohl kaum an der Konzernspitze halten können. Eine gesichtswahrende Lösung für beide Seiten ist nicht in Sicht. Ein freiwilliges Programm für Software-Updates hatte Daimler bereits für viele Autos angekündigt. Die Fronten könnten sich am Montag damit noch weiter verhärten. "Der Konzern muss endlich aufwachen", fordert ein Insider in Berlin.

In der Branche sieht man eine mögliche Eskalation des Streits mit Sorge. "Es gibt keinen Anlass zur Schadenfreude", heißt es bei VW. Gerade schien man die teure Hardware-Nachrüstung abgeräumt zu haben, da kommt der nächste Schlag. Man habe gewusst, dass Daimler das sogenannte Thermofenster sehr großzügig auslege. Aber gibt es noch mehr? Die Erfahrung zeige, dass Techniker eher keine Fehler eingestehen, wenn man sie einfach mal locker frage. "Wir haben das leidvoll erfahren müssen", heißt es aus dem VW-Konzern. In der Autoindustrie hat man einen eindringlichen Rat für die Kollegen aus Stuttgart: "Demut ist angebracht", sagt ein Manager der Konkurrenz, der seit zweieinhalb Jahren an vorderster Front mit diesen Themen betraut ist. Das Treffen mit dem Minister werde ein Drahtseilakt der Diplomatie, heißt es aus der Branche.

Bei Daimler will niemand über eine Zeit nach Zetsche nachdenken

Auch bei Daimler wächst im Vorfeld die Anspannung. Offiziell wollen sich der Konzern und sein Chef nicht äußern. Heikel sei die Lage, so viel ist zu erfahren. Im Konzern beobachtet man mit Sorge, dass auch jenseits von Berlin in der Politik inzwischen Distanz zu spüren ist. Winfried Kretschmann, der grüne Ministerpräsident von Baden-Württemberg, saß dieser Tage in der ZDF-Talkshow von Markus Lanz und sagte in die Kamera: Sollten die Vorwürfe zutreffen, dann wäre er hinters Licht geführt worden. "Ich habe auch aus der Konzernleitung Ansagen gehabt, dass das bei ihnen nicht der Fall ist." Enttäuschung schwang da mit. Kretschmann hatte sich die vergangenen zwei Jahre über den Wohlfühlpegel der Basisgrünen hinaus für Daimler und für Zetsche eingesetzt. Für den Diesel geworben, gegen Hardwarenachrüstungen gekämpft.

Bei Daimler will niemand über eine Zeit nach Zetsche nachdenken. Er ist unangefochten die Nummer eins im Konzern, hat das Unternehmen stark geprägt, angefangen bei der Krawattenlosigkeit über den Arbeitsstil bis zum Auftritt nach außen. Er soll nach seinem Job Aufsichtsratschef werden. "Diese Zeit stellt uns vor große Herausforderungen", sagt Zetsche bei seinem Auftritt in Berlin noch. Die Vorwürfe in der Diesel-Affäre hat Zetsche damit nicht gemeint.

© SZ vom 09.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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