Wirtschaft:Nur wer zuversichtlich ist, gibt auch mehr Geld aus

Lesezeit: 2 min

Viele Geschäfte bleiben derzeit ganz oder teilweise geschlossen. (Foto: dpa)

Alle werden ihr Geld beisammenhalten, solange das Virus da ist. Die Bundesregierung sollte deshalb zunächst alles darauf konzentrieren, es aus dem Alltagsleben zu verdrängen - und erst dann überlegen, die Wirtschaft wieder hochzufahren.

Kommentar von Cerstin Gammelin, Berlin

Wirtschaftsminister Peter Altmaier hatte am Mittwoch wahrlich keine gute Nachricht zu verkünden. Die deutsche Wirtschaft droht in diesem Jahr so stark zu schrumpfen wie seit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland nicht. Die Regierung hat viele Unternehmen in ein künstliches Koma versetzen lassen müssen, um die Ausbreitung des Virus zu bremsen. Das macht sich jetzt in Zahlen bemerkbar: weniger Umsatz, weniger Jobs, drohende Pleiten. Es ist verständlich, dass die Unternehmen so schnell wie möglich aus dem Tiefschlaf erwachen wollen. Und niemand zweifelt wohl daran, dass Regierung wie Opposition nichts lieber wäre, als genau das zu befördern. Wie das aber funktionieren kann, ist eine ganz andere Frage.

Die Befürworter der schnellen Öffnung machen folgende Gleichung auf: Wenn Bundesregierung und Bundesländer die Abstandsregeln und andere Restriktionen lockern, kann die Wirtschaft schnell anlaufen. Alles wird wieder gut. Das Problem ist nur, dass diese Gleichung einen entscheidenden Faktor ignoriert - die Zuversicht. Schon Ludwig Erhard, der Kanzler des deutschen Wirtschaftswunders, wusste, dass Wirtschaft zur Hälfte Psychologie ist. Blicken Unternehmer und Bürger optimistisch in die Zukunft, investieren und konsumieren sie deutlich mehr. Ist der Blick verdüstert, dann sinken die Umsätze, dann wird entlassen. Die Erhard-Regel gilt selbstverständlich auch jetzt.

Weil aber völlig unklar ist, inwieweit die Pandemie in absehbarer Zeit das alltägliche Leben bestimmen wird, wäre es fahrlässig, sich jetzt darauf zu konzentrieren, die Wirtschaft hochzufahren. In der Bevölkerung sitzt die Sorge tief, sich und andere anzustecken. Die Sorge aber konterkariert die Idee, die Wirtschaft schnell wieder hochzufahren. Denn das bedeutet, wieder Handel zu treiben, zu investieren und zu produzieren, zu verkaufen. Wieder Umsatz zu machen, setzt aber Zuversicht voraus bei Bürgern und Investoren. Wer Geld ausgibt, will wissen, wie die Zukunft aussieht.

Solange das Virus, wenn für viele auch als unsichtbare Gefahr, da ist, werden alle ihr Geld beisammenhalten. Familien werden kein Auto kaufen, wenn sie nirgendwohin fahren dürfen. Senioren werden auch dann, wenn sie dürften, kaum verreisen, solange das Risiko für sie nicht ganz genau einzuschätzen ist. Bürger, die um ihre Existenz bangen, werden ihr Erspartes zusammenhalten. Und zwar so lange, bis man sich sicher sein kann, dass Corona nachhaltig eingedämmt ist. Erst danach kommt die Zuversicht zurück.

Es spricht nicht für die Wirtschaft, dass ihre Rufe nach staatlichen Hilfen trotzdem immer lauter werden. Warum soll aber der Staat ins Risiko gehen, das Unternehmen selbst scheuen? Es macht die Forderung auch nicht glaubwürdiger, wenn besonders jene laut rufen, die nicht direkt vom Lockdown betroffen sind, etwa die Autoindustrie. Autohäuser sind wieder geöffnet, die meisten Bänder laufen. Das Wohlergehen der deutschen Hersteller hängt nur bedingt vom Absatz hierzulande ab; Elektroautos werden bereits subventioniert.

Die Bundesregierung ist gut beraten, zuvorderst alles zu fördern, was das Virus aus dem Alltagsleben verdrängen und Optimismus befördern kann. Je schneller sie damit erfolgreich ist, desto schneller wird überall wieder Umsatz gemacht werden.

© SZ vom 30.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusSelbständige in der Corona-Krise
:Soforthilfe, die nicht hilft

Der Staat wollte Selbständigen in der Krise unbürokratisch mit einem Zuschuss helfen. So weit die Theorie. Denn wofür das Geld verwendet werden darf, darüber gibt es einigen Streit.

Von Felicitas Wilke

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: