Creditreform-Bilanz:Weniger Insolvenzen - aber größere Schäden

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Eine dichtgemachte Filiale: Im Fall von Galeria Karstadt Kaufhof verzichteten Gläubiger auf rund zwei Milliarden Euro. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Die Corona-Krise trifft die Gläubiger. Es gibt zwar weniger Pleiten, doch umso heftiger fallen diese aus.

Firmenpleiten haben in diesem Jahr trotz der zeitweiligen Aussetzung der Insolvenzantragspflicht deutlich mehr Schaden angerichtet und mehr Arbeitsplätze gekostet. Die Gläubiger müssen nach Daten der Auskunftei Creditreform auf Forderungen von 34 Milliarden Euro verzichten. Das ist fast um die Hälfte mehr als ein Jahr zuvor und so viel wie seit 2012 nicht.

Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen ist zwar trotz der Coronakrise um 13 Prozent auf 16 300 und damit auf den niedrigsten Stand in diesem Jahrtausend gesunken. Doch haben sich die Pleiten großer Firmen mit mehr als 50 Millionen Euro Umsatz verdoppelt, hat Creditreform nachgezählt. Deshalb waren von Insolvenzen mit 332 000 auch deutlich mehr Menschen betroffen als ein Jahr zuvor, da waren es 218 000 Personen.

Die Bundesregierung hatte unter dem Eindruck der Corona-Pandemie die Pflicht zur Insolvenzanmeldung im März ausgesetzt. Für überschuldete Unternehmen gilt das noch bis zum Jahresende, zahlungsunfähige Firmen müssen aber seit Oktober wieder zum Insolvenzrichter. Die Aussetzung und die staatlichen Hilfen bewahrten vor allem kleine und kleinste Firmen zunächst vor der Pleite. Patrik-Ludwig Hantzsch, der Leiter der Wirtschaftsforschung bei Creditreform, hält das für problematisch: Durch Mitnahmeeffekte seien sehr viele Unternehmen am Markt geblieben, die unabhängig von der Corona-Krise nicht überlebensfähig seien. Für das nächste Jahr prognostiziert Hantzsch einen sprunghaften Anstieg der Unternehmensinsolvenzen auf rund 24 000. So viele gab es zuletzt 2014. Branchen wie die Autoindustrie, die Luftfahrt und der Einzelhandel stünden ohnehin vor drastischen Umwälzungen. "Der Strukturwandel wird durch diese Maßnahmen teilweise verzögert", sagt Hantzsch. "Insolvenzen sind ein wichtiger Mechanismus zum Schutz der Volkswirtschaft." Ausgerechnet im Handel, der von den Ladenschließungen im Frühjahr stark betroffen war, gingen die Insolvenzanmeldungen in diesem Jahr um 16 Prozent zurück, so deutlich wie sonst nur im boomenden Baugewerbe. Am häufigsten waren Pleiten bei Discotheken und Tanzlokalen, privaten Sicherheitsdiensten und bei Gastronomie-Betrieben, die weniger von Speisen als von Getränken leben.

Die mit Abstand größte Einzel-Insolvenz war 2020 die des Warenhauskonzerns Galeria Karstadt Kaufhof, der sich mit 28 000 Mitarbeitern im April in ein Schutzschirmverfahren flüchtete. Die Gläubiger, etwa Lieferanten und Vermieter, verzichteten im Zuge eines Insolvenzplans auf rund zwei Milliarden Euro. Dazu kamen Pleiten von Modehändlern wie Bonita, Esprit, Sinn und Hallhuber. Im Herbst wurde das Insolvenzverfahren über Deutschlands größte Friseurkette Klier mit 1350 Salons und 9200 Beschäftigten eröffnet.

© SZ vom 09.12.2020 / Reuters - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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