Coinbase-Börsengang:Krypto für alle

Lesezeit: 5 Min.

Kryptowährungen wie Bitcoin werden auf riesigen, stromhungrigen Serverfarmen, wie hier in Nadwoizy im Nordwesten Russlands, "geschürft". (Foto: Andrey Rudakov/Bloomberg)

Die Bitcoin-Börse Coinbase geht ihrerseits an die Wall Street. Der Hype um die neuen Digitalwährungen erreicht damit das alte Finanzsystem. Aber hält er auch an?

Von Jannis Brühl

In einem Goldrausch verdient am meisten, wer Schaufeln verkauft. Und im derzeitigen Krypto-Rausch heißt der Schaufelhändler: Coinbase.

An diesem Mittwoch geht die Börse für Kryptowährungen selbst an die Technologie-Börse Nasdaq in New York. Es ist der vorläufige Höhepunkt des Krypto-Hypes. Obwohl der Wert der Währungen wieder und wieder ins Bodenlose rauschte, um dann erneut hochzuschießen, obwohl nüchterne Menschen sagen, es handele sich gar nicht um Währungen, sondern um Spekulationsobjekte aus Luft und Strom, um ein Pyramidensystem, eine gigantische Geldwaschanlage: Trotz alledem kommt "Krypto" an diesem Mittwoch im Mainstream an.

Auf Coinbase kaufen und verkaufen 56 Millionen Privatanleger und Profis Kryptowährungen, etablierte wie Bitcoin oder Ether und obskure wie "SushiSwap" - und Coinbase kassiert für jede Transaktion Gebühren. Über die Plattform laufen elf Prozent des Marktes, in den immer mehr Geld fließt. Der Bitcoin-Kurs stieg am Dienstag auf das Rekordhoch von mehr als 53 000 Euro, angeheizt von Cheerleadern wie Elon Musk und der Erwartung des Coinbase-Börsengangs. Tesla, aber auch die Tech-Firmen Square und Microstrategy, investieren Unternehmensreserven in Bitcoin, Banken wie JP Morgan bieten Bitcoin-Fonds an.

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Einer der größten Profiteure des Booms aber dürfte Coinbase werden, und damit Gründer und Chef Brian Armstrong. Der 38-Jährige mit dem markanten kahlen Schädel ist eigentlich ein introvertierter Programmierer, der ungern öffentlich spricht. Nun kam er nicht drum herum, den Börsengang in einem Video für Investoren anzupreisen, in schwarzem T-Shirt und schwarzer Bomberjacke. Es wird sich für ihn lohnen: Seine Anteile dürften 14 Milliarden Dollar wert sein, wenn die aktuelle 90-Milliarden-Bewertung für Coinbase hält. Sie leitet sich aus Preisen ab, die auf dem Zweitmarkt schon für Anteile gezahlt werden. Coinbase wäre damit so viel wert, wie die Unternehmen hinter den New Yorker Börsen Nyse und Nasdaq zusammen.

Kryptowährungen werden über die Blockchain-Technologie garantiert, Transaktionen sind online für alle nachvollziehbar. Das dezentrale System verzichtet auf Zentral-und Geschäftsbanken. Der Programmcode stellt sicher, dass die Zahl der Bitcoin nicht unbegrenzt wachsen kann. Die Verknappung soll als Inflationsschutz dienen und heizt zugleich die Spekulation an. Eine Einlagensicherung, die Verbraucher schützt, gibt es nicht.

Armstrong war früh fasziniert von der Idee für digitales Geld, die jemand unter dem Pseudonym Satoshi Nakamoto entwickelt hat. 2012 gründete Armstrong, ein ehemaliger Airbnb-Programmierer, Coinbase. Er hatte eine Lücke in Satoshis Idee erkannt: Wer keine Ahnung von Computern hatte, konnte Bitcoin praktisch nicht kaufen. Die digitalen Schlüssel, mit denen Besitzer ihre Bitcoin entsperren können, wurden umständlich in USB-Sticks oder virtuellen "Geldbeuteln" gelagert. In der Anfangszeit trug Armstrong selbst Bitcoin seiner Kunden auf einem Stick in seiner Hosentasche mit sich herum. Mit seinem Mitgründer, dem ehemaligen Goldman-Sachs-Banker Fred Ehrsam, baute er Coinbase wie ein Online-Banking auf, das auch Normalos bedienen konnten. Das Unternehmen verwahrt die Schlüsselcodes zum Geld seiner Kunden einfach selbst.

War zeitweise Hauptfigur eines "Bürgerkriegs" innerhalb der Krypto-Szene: Coinbase-Gründer und -Chef Brian Armstrong. (Foto: Anthony Harvey)

Es waren wilde Jahre. Armstrongs Team aus Bankern, Mathegenies und ehemaligen Air-Force-Kampfpiloten galt als humorlos, obsessiv und militärisch organisiert. Eine Mitarbeiterin berichtete, sie habe auf dem Klo geweint, weil es so unmenschlich zuging. Angestellte flohen, wenn der Bitcoin-Kurs absackte. Vergangenes Jahr legte sich Armstrong mit Aktivisten an, als er deutlich machte, dass seine Mitarbeiter sich nicht zu politischen Themen wie Rassismus äußern sollten. Man sei "laserfokussiert" auf das Geschäft. Für ihn beginnt eine bessere Welt nicht mit "Black Lives Matter", sondern mit der Blockchain.

Kriminelle lieben die anonymen Kryptowährungen

Wie riskant ihr Geschäft ist, merkte Armstrongs Führungsriege 2013 während eines Mittagessens im Hauptquartier in San Francisco. Der Alarm kam per E-Mail: Aus dem Online-Tresor flossen Bitcoin ab, Hacker waren im System. Am Ende des Mittagessens waren die Angreifer zwar wieder ausgesperrt, aber auch Bitcoin im Wert von 250 000 Dollar weg. Anderen Börsen wurden Millionen-Beträge geklaut. Von dem Lunch-Hack abgesehen hat es Coinbase bislang aber geschafft, das Geld seiner Kunden zu sichern. Die Schlüsselcodes werden größtenteils vom Internet getrennt aufbewahrt. Coinbase teilt den Zeichensalat jedes Codes zusätzlich auf und verteilt ihn auf besonders gesicherten Festplatten über die Welt.

Der Börsengang soll für die Branche auch ein Siegel der Seriosität sein. Schließlich lieben Kriminelle Kryptowährungen, die sich anonym benutzen lassen. Coinbase wolle der "weiße Ritter von Krypto" sein, sagte Investor Chris Dixon einmal. Um nicht in der Schmuddelecke zu landen, schickte Armstrong hochrangige Angestellte zu FBI und Secret Service mit der Botschaft: Coinbase sei kein Paradies für Geldwäscher und Drogendealer. Demelza Hays, die an der Universität Liechtenstein Bitcoin erforscht, sagt: "Es ist ein starkes Signal der Behörden, dass sie Coinbase erlauben, an die Börse zu gehen und den Markt nicht einfach dichtmachen." In Deutschland hat Coinbase noch keine Bafin-Lizenz, handeln können hiesige Privatanleger trotzdem.

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Manche Krypto-Nerds aus dem Silicon Valley würden am liebsten alle Institutionen durch Technologie ersetzen. Mit Coinbase wird nun auch dieser cyberlibertäre Geist an der Wall Street gehandelt. Zwei Finanzsysteme sollen miteinander noch mehr Geld machen, wobei Armstrong längst der Vorwurf gemacht wird, die Seiten gewechselt zu haben. Dass "Krypto" so viele Menschen fesselt, liegt ja auch daran, wie Marketing und Revolutionsrhetorik verschmelzen. Krypto-Anlagen zu kaufen ist demnach ein Schritt hin zu einer Welt ohne Banken oder gar Staaten. Dass Coinbase ein zentraler Knoten der Bewegung wurde, ist deshalb etwas ironisch, weil die sich ja als dezentral versteht.

Seine Unternehmerträume machten Armstrong deshalb zeitweise zur Hauptfigur eines "Bürgerkriegs" innerhalb der Szene, in dem ihn Puristen als Verräter schmähten und die digitale Infrastruktur von Coinbase angegriffen wurde. Andere Krypto-Investoren hoffen dagegen, dass Coinbase ihre Welt nun der Masse zugänglich macht, so wie der Netscape-Browser Anfang der Neunziger das Internet.

Coinbase verdiente zuletzt bis zu 300 Dollar pro Transaktion

Fonds, die in Kryptowährungen und Unternehmen investieren, die Blockchain-Technik nutzen, werden an Aktien des Vorzeige-Krypto-Unternehmens kaum vorbeikommen. Investoren mit strengen Regeln gegen waghalsige Investitionen, darunter Pensionskassen, würden Geld wohl nicht in die Währungen selbst anlegen - aber vielleicht in Coinbase-Aktien. Philipp Sandner, Leiter des Blockchain Center an der Frankfurt School of Finance & Management, sagt: "Ob ich Bitcoin kaufe oder Coinbase, ist im Grunde einerlei. Das dürfte extrem hoch korreliert sein."

Die jüngsten Zahlen von Coinbase wurden fast schon hysterisch empfangen: Umsatz im Vergleich zum Vorjahresquartal verdoppelt, die Marge pro Handel dutzendfach höher als die traditioneller Börsen. Im ersten Quartal verdiente Coinbase bis zu 300 Dollar pro Transaktion.

Skeptische Analysten wie David Trainer glauben nicht, dass Coinbase so profitabel bleiben kann. Es drohe, was schon den Trading-Apps für Aktien geschah: Anbieter unterboten einander, die Gebühren fielen gen null. Deshalb sei Coinbase nur 19 statt 90 Milliarden Dollar wert, sagt Trainer. Dazu kommt, dass Coinbase praktisch von einer Währung abhängig ist: Bitcoin macht 41 Prozent des Handels aus, Ether 14, dann kommt lange nichts. Selbst Bitcoin-Enthusiast Sandner sagt: "Coinbase ist eine one product company. Das kann ein Risiko werden." Eines Tages könnten sich die Verschlüsselung oder andere Infrastrukturen von Bitcoin als brüchig erweisen - dann wäre das Geld nicht mehr sicher. Große Länder könnten Bitcoin auch verbieten. Demelza Hays sagt: "Dann hat Coinbase ein Problem. Es gibt keine Garantie, dass es morgen noch Kryptowährungen geben wird."

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