Liz Centoni wirkt nicht gerade wie ein Technik-Nerd. Die Strategiechefin des Netzwerktechnik-Konzerns Cisco ist kommunikativ, lacht gerne. Sie kam vor mehr als 20 Jahren zu der Firma, damals die wertvollste des Planeten. Der Netzwerkspezialist mit Sitz in San José im Silicon Valley schuf zu großen Teilen die Infrastruktur des Internets und legte damit die Grundlagen, auf denen Apple, Google, Amazon oder Facebook erst zu ihrer heutigen Größe wachsen konnten.
Alten Zeiten nachzutrauern ist aber nicht Centonis Ding. Rund ums Kerngeschäft mit der Netzwerktechnik, sagt sie, gebe es noch genug Wachstumspotenzial. Zum Beispiel, um die Netzwerke gegen Hacker abzusichern - mittlerweile eines der Standbeine von Cisco. Oder, ein anderes, den Zugang zu verschiedenen Cloudanbietern für die Nutzer zu vereinheitlichen und zu vereinfachen.
Es scheint eine Aufgabe ganz nach ihrem Geschmack zu sein. In Indien geboren, zog sie vor mehr als 30 Jahren in die USA, ist längst US-Bürgerin. Ursprünglich hatte sie Physik und Chemie studiert, dann aber in der Bay Area erst einmal im Marketing gearbeitet. Als sich eine Stelle bei Cisco anbot, rieten ihr Freunde und Bekannte davon ab - zu wenig Erfahrung im Tech-Sektor.
"Frauen haben oft das Gefühl, was sie zu sagen oder beizutragen haben, sei nicht wichtig."
Aber Centoni, Jahrgang 1964, nahm die Stelle an und biss sich durch. "Ich habe während meiner Karriere gelernt, furchtlos zu sein und keine Angst davor zu haben, aufzufallen", sagt sie. "Frauen haben oft das Gefühl, was sie zu sagen oder beizutragen haben, sei nicht wichtig." Mit Unterstützung von guten Mentoren und Verbündeten habe sie sich früh in ihrer Karriere "getraut, den Mund aufzumachen, zu lernen und mich zu engagieren - und Fragen zu stellen, auch schwierige".
Solche Fragen gibt es genug. Fragen, die das Geschäft mit sich bringt. Und gesellschaftlicher Natur. "Du kannst nicht sein, was du nicht sehen kannst", sagt Centoni. Frauen bräuchten Vorbilder, an denen sie sich orientieren könnten. Sie engagiert sich deshalb in dem Programm WISE, das steht für Women in Science and Engineering, Frauen in Wissenschaft und Technik, das von Cisco unterstützt wird. Auch ihr habe das sehr geholfen, sagt Centoni. "Wir schaffen dabei Gelegenheiten, unsere Geschichten zu teilen und sicherzustellen, dass Frauen quer durch die Firma und die Branche uns sehen und was wir erreicht haben." Dazu gehöre auch, "Netzwerke von Verbündeten zu schaffen, die Frauen dabei helfen, ihre Karriereziele zu erreichen."
Die Mint-Fächer seien weder männlich noch weiblich. Universitäten und weiterführende Schulen müssten ihre Lehrpläne überprüfen und anpassen, fordert Centoni, "schon kleine Veränderungen können die Motivation steigern und dafür sorgen, dass Mädchen bei Mint-Fächern dabeibleiben - vom Klassenzimmer bis zur Vorstandsetage".
Ihre Hauptaufgabe als Strategiechefin sieht sie vor allem darin, die Geschäftsfelder von Cisco zu erweitern. Das Unternehmen war früher vor allem für seine Internet-Hardware und die dazugehörige Software bekannt, Router und Switches. Das hat sich stark verändert. Wegen der stark angestiegenen Bedrohungslage durch Angriffe über das Netz verlangen die Kunden verstärkt nach Sicherheitslösungen. Cisco hat dafür eine eigene Abteilung namens Talos gegründet, die zu den größten weltweit gehört.
Auch die zunehmende Komplexität der IT-Landschaften beschäftigt die Cisco-Kunden. Sie verlangten ständige Transparenz und Kontrolle über ihre Systeme - um bei Problemen möglichst schnell eingreifen zu können, am besten schon vorausschauend. Der Trend zur Cloud ist mit schuld an dieser Komplexität, auch hier will Cisco helfen. Zum Beispiel, wenn es darum geht, Clouds verschiedener Anbieter zu nutzen. Nutzern können man doch nicht zumuten, da jeweils zehn Schritte auszuführen, "deshalb sorgen wir im Hintergrund dafür, dass das funktioniert".
Neben ihrer Funktion als Strategiechefin und Vorstandsmitglied ist Liz Centoni auch Schirmherrin für das Deutschlandgeschäft. Cisco ist hierzulande schon lange vertreten, sowohl in der Industrie als auch bei der öffentlichen Hand. Deutsche schätzen ihr Land meist nicht sehr gut ein, wenn es um die Digitalisierung geht. Da mag es überraschen, dass Centoni ein deutlich positiveres Bild vom bevölkerungsreichsten Land der EU hat. Deutschland sei in Sachen Digitalisierung schon immer weltweit ein Vorbild gewesen. "Im produzierenden Gewerbe, aber auch in der Logistik und im Automobilbau führt Deutschland das Feld an." Beispiele? Cisco liefere jedes Quartal etwa 150 000 Antennen des jüngsten Standards WiFi6 nach Deutschland, die Voraussetzung für Vernetzung von Firmenstandorten, "eine solche Menge und eine solche Geschwindigkeit sehen wir nirgendwo auf der Welt".