Investitionsbank AIIB:Wer kontrolliert hier eigentlich wen?

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Der "Mandalika International Street Circuit" ist eine Motorrad-Rennstrecke und Teil eines Vergnügungsparks, der von der Asiatischen Infrastruktur-Investitionsbank (AIIB) finanziert wurde. (Foto: Robertus Pudyanto/Getty Images)

Kurz vor den Regierungskonsultationen zwischen Deutschland und China gibt es Streit um die gemeinsame Entwicklungsbank und ihre Förderprogramme. Vize-Präsident Ludger Schuknecht verspricht nun "volle Transparenz".

Von Florian Müller und David Pfeifer, Peking, Lombok

Sukurs Heimat wird nicht nur im Namen des Geldes zerstört. Nein, es geschieht sogar im Namen der Nachhaltigkeit. "Zuerst wussten wir nicht, was passieren würde, nachdem einige von uns die Verträge unterschrieben haben", erklärt der Dorfchef, der einen Bauchbeutel lässig um den Hals trägt, aber keinen Nachnamen hat, wie viele seiner Nachbarn. "Dann wurden die ersten Palmen gefällt."

Sukurs Siedlung liegt an einem Strand auf Lombok. Das ist die kleinere, unbekannte Insel neben dem Urlaubsparadies Bali in Indonesien. Direkt neben seinem Dorf entsteht eine Resortanlage rund um den "Mandalika International Street Circuit", eine Motorrad-Rennstrecke. Die Zuschauer residieren in teuren Hotels, 2027 soll hier ein Kempinski eröffnen. Dazu Wasserparks und Golfplätze. Dafür, dass sich hier ein paarmal im Jahr Profi-Motorradfahrer in die engen Kurven stürzen, sollen Sukur und die anderen Fischer seines Dorfs weichen.

Deutschland ist nach China, Indien und Russland der viertgrößte Anteilseigner

Finanziert wird das Resort-Projekt hauptsächlich von der Asiatischen Infrastruktur-Investitionsbank (AIIB), und damit auch mit deutschen Steuergeldern. Denn Deutschland ist nach China, Indien und Russland der viertgrößte Anteilseigner der Entwicklungsbank, die in Peking ihren Sitz hat. Das Mandalika-Projekt steht in den Augen der Kritiker sinnbildlich für all die Probleme, die es mit der AIIB gibt. Und die Kritiker haben noch mal Argumente bekommen, seitdem der Kommunikationschef der Bank, der Kanadier Bob Pickard, vergangene Woche aus Peking floh, um die Welt per Twitter vor einer "toxischen Kultur" und Unterwanderung der Bank durch die chinesische Kommunistische Partei zu warnen. Der Insider findet, dass westliche Staaten nichts mehr mit der Bank zu schaffen haben sollten. Kanada kündigte eine Untersuchung der Vorwürfe an. Auch auf die Bundesregierung steigt der Druck, zu erklären, warum sie noch an diesem chinesischen Prestige-Projekt beteiligt sein will. Und das kurz vor Beginn der Konsultationen mit der chinesischen Regierung in Berlin.

Es tobt gerade ein Kampf um die Glaubwürdigkeit der Bank. Im Zentrum steht ein deutscher Finanzbeamter: Ludger Schuknecht. Der 61-Jährige war einst Chefökonom im Finanzministerium unter Wolfgang Schäuble (CDU) und Chefunterhändler für die Beitrittsverhandlungen Deutschlands 2015 zur AIIB. Seit 2021 ist er als Vize-Präsident der Bank für die Führungsstruktur und die Beziehungen zu den Mitgliedsländern zuständig.

Man erreicht ihn per Video-Telefonat in einem Bus im Pekinger Umland. Die Kamera wackelt deutlich, von Schuknecht sind vor allem die Brille und die hohe Stirn zu erkennen. Trotz seiner Betroffenheit begrüßt Schuknecht die kanadische Untersuchung. Wäre er noch im Berliner Finanzministerium, hätte er es "genauso gemacht", sagt er. "Da hat jemand ernste Anschuldigungen gemacht und gesagt, dass er sich in seiner Sicherheit bedroht fühlt. Das muss man ernst nehmen, vor allem in dem Umfeld mit Ka-..." Hier beendet er den Satz. Wahrscheinlich meint er die Tatsache, dass China und Kanada derzeit ein historisch schlechtes Verhältnis haben.

"Die Anschuldigungen sind grundlos"

Die AIIB hat nach Pickards Kündigung eine eigene Untersuchung eingeleitet, die an das Direktorium der Bank berichten soll. "Volle Transparenz" verspricht Schuknecht. Für ihn steht das Ergebnis schon ziemlich fest: "Die Anschuldigungen sind grundlos". Von einer toxischen Arbeitskultur habe er noch nie etwas mitbekommen. Natürlich sei die Bank nicht perfekt: "Wir sind erst sieben Jahre alt, da kann man immer was verbessern." Es gebe aber moderne Strukturen, einen Ombudsmann für Beschwerden etwa.

Was hinter den Kulissen der AIIB geschieht, soll nun untersucht werden. (Foto: Jade Gao/AFP)

Pickard hatte auf Twitter geschrieben, die Bank sei von Mitgliedern der Kommunistischen Partei vergleichbar dem "KGB oder Gestapo oder Stasi" unterwandert. Der Financial Times sagte er, er habe seine Bedenken über den Einfluss der KP intern zweimal schriftlich im vergangenen Monat geäußert. Schuknecht sagt, er habe die internen Beschwerdeverfahren überprüft: "Pickard hat sich nie über diese Kanäle beschwert, ich sehe das ja." Insgesamt hätten Eingriffe der Kommunistischen Partei in die Arbeit der Bank nie eine Rolle gespielt. Natürlich seien "einige Kollegen", darunter auch sein Chef, AIIB-Präsident Jin Liqun, Mitglieder der KP. Dennoch versichert Schuknecht: "Wir sind völlig unpolitisch."

Eines ist so eine Rennstrecke bestimmt nicht: ein grünes Infrastrukturprojekt

Er findet, dass das AIIB-Engagement deutschen Interessen dient. Zum einen seien die Investitionen der Bank in grüne Infrastrukturprojekte wichtig für den Kampf gegen den Klimawandel. Den Einwand, dass die AIIB aber auch den Ausbau des Flughafens von Antalya, ein Gaskraftwerk in Bangladesch oder eben das Mandalika-Projekt fördert, lässt Schuknecht nicht gelten. Man achte bei der Vergabe der Projekte streng auf klimatechnische Verbesserungen, aber auch auf die Verbesserung des Lebensstandards und der Verhältnisse vor Ort.

Wer mit den Fischern auf Lombok spricht, bekommt daran Zweifel. In den Jahren 2020 und 2021 hatten einige von ihnen ihr Land viel zu günstig verkauft. Seitdem Rennen gefahren werden, wehren sie sich und fordern eine anständige Kompensation für den Verlust ihres Landes. Doch die AIIB und die indonesische Regierung ignorieren sie. Vor den Renntagen kommen sogar Polizei und Militär und schüchtern die verbliebenen Anwohner ein. Erst am vergangenen Wochenende waren wieder AIIB-Vertreter vor Ort, um sich über den Fortgang der Arbeiten zu informieren. Doch der lokalen Nichtregierungsorganisation "Koalition zur Überwachung der Infrastrukturentwicklung in Indonesien" (KPPII) zufolge wurden die Anwohner nicht mal angehört.

Schuknecht sagt, Deutschland habe eine "enorm wichtige Rolle" gespielt bei der Etablierung internationaler Standards in der Bank. Des Weiteren halte Deutschland zusammen mit den anderen westlichen Mitgliedsländern mehr als 25 Prozent der Stimmanteile und habe damit bei Fragen zur Struktur und Standards der Bank ein Vetorecht - ebenso wie China. Dass China bei der Finanzierung internationaler Projekte im Rahmen seiner Neue-Seidenstraße-Initiative wenig Ansprüche an die Einhaltung von Umwelt- und Menschenrechtsstandards stellt, ist bekannt.

Die Machtfülle des Chefs? Ein "großer Vertrauensbeweis"

Das Bundesfinanzministerium hat im Direktorium der AIIB einen Vertreter, der bei Projekten mitentscheidet und Fragen stellen kann. Frühere SZ-Recherchen hinterließen den Eindruck, dass die Bundesregierung sich zumindest beim Mandalika-Projekt nicht sehr vehement für Aufklärung eingesetzt hat. "Seit Jahren hören wir von den europäischen Anteilseignern der AIIB, dass sie kaum Einfluss haben und daher positive Veränderungen kaum möglich wären", erklärt Nora Sausmikat von der NGO Urgewald. Sie kritisiert, dass viele Projekte von Präsident Jin allein entschieden werden. Schuknecht nennt die Machtfülle seines Chefs einen "großen Vertrauensbeweis" seitens der Mitgliedsländer. Es werde dadurch "viel Zeit gespart".

Das Bundesfinanzministerium bekennt sich zur AIIB. Diese genieße ein "hohes Maß an Vertrauen auf den internationalen Kapitalmärkten", heißt es. Man werde sich dennoch "aktiv" an der bankinternen Untersuchung von Pickards Vorwürfen beteiligen.

Den verbliebenen Dorfbewohnern rund um die Rennstrecke von Lombok ist die Diskussion um die AIIB nur schwer vermittelbar. Sie wollen lieber wissen, wie und wo sie weiterleben können. Das Mandalika-Projekt sieht aus wie der übliche chinesische Nullsummen-Tourismus, den man auch aus Thailand, Vietnam und Laos kennt: Internationale Firmen bauen Resorts, in denen ihre Kundschaft dann Geld ausgibt, das wieder in die Ferne fließt. Für die Menschen vor Ort bleibt wenig.

Es ist keine gute Idee, Fischer in die Berge zu versetzen

Die Umgesiedelten leben nun in den Hügeln von Lombok. Man braucht ein Allrad-Fahrzeug, um sich da hochschaukeln zu lassen, über eine lehmige, steile Straße, relativ lange durch den Wald, bevor man die neu gebaute Siedlung erreicht. Sie sieht aus wie ein Musterdorf für Farbenblinde. Bordeauxfarbene Dächer, gelbes Fundament, immerhin eine schöne Aussicht über die Hügel. Man muss jedoch kein Infrastruktur-Experte sein, um zu erkennen, dass es keine gute Idee ist, Fischer in die Berge zu versetzen.

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