Datenschutz in China:Ein Gesetz mit blindem Fleck

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Konzerne wie Alibaba konnten bislang ihre Monopolstellung in China ungestört ausbauen. (Foto: imago images)

Jahrelang konnten chinesische Internetkonzerne wie Alibaba oder Tencent nahezu unreguliert wachsen. Mit einem neuen Datenschutzgesetz will China das künftig verhindern. Nur einer darf weiter alles mitlesen und mithören.

Von Christoph Giesen, Peking

Der chinesische Apparat beglückwünscht sich selbst: Nicht weniger als das weltweit strengste Gesetz zum Schutz der persönlichen Daten habe man auf den Weg gebracht, jubelt die Parteipresse. Verabschiedet vom Ständigen Ausschuss des Volkskongresses gilt das Gesetz vom 1. November an. Und auf den ersten Blick ähnelt es der europäischen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), die den Bürgern umfassende Rechte beim Speichern von personenbezogenen Daten einräumt.

Das chinesische Gesetz schreibt etwa vor, dass der Umgang mit personenbezogenen Daten einen angemessenen Zweck haben muss und auf den "minimalen Umfang beschränkt ist, der zur Erreichung der Ziele des Umgangs mit Daten erforderlich ist". Es legt auch die Bedingungen fest, unter denen Unternehmen personenbezogene Daten erheben können, einschließlich der Einwilligung von Nutzern sowie Richtlinien zur Gewährleistung des Datenschutzes bei der Übermittlung von Daten ins Ausland. Das Gesetz verlangt zudem, dass Dienste, die personenbezogene Daten verarbeiten, einen Verantwortlichen als Ansprechpartner für die chinesischen Behörden benennen müssen. Auch sollen regelmäßige Kontrollen sollen. Auf dem Papier ist das neue Gesetz also in der Tat streng, nur hat es einen blinden Fleck.

Das Gesetz zielt vor allem auf private Unternehmen ab. Der Überwachungsdrang des chinesischen Apparats, alles mitzulesen, alles mitzuhören, bleibt unberührt. Der Zugriff von staatlichen Stellen auf Unternehmensdaten wird von dem neuen Gesetz nicht beeinträchtigt. Der Behörden können aufgrund des nationalen Sicherheitsgesetzes weiterhin jederzeit personenbezogene Daten abrufen und von Unternehmen verlangen, diese zur Verfügung zu stellen.

Geschwächt werden durch die neuen Vorgaben vor allem die Digitalkonzerne

Warum also das neue Gesetz? Geschwächt werden durch die neuen Vorgaben vor allem die Digitalkonzerne. In den vergangenen Jahren ist ihr Einfluss in China gewaltig gestiegen und das scheint der Führung in Peking zunehmend unheimlich zu werden. Um zu bezahlen, nutzen die meisten Chinesen kaum noch Bargeld oder Bankkarten, sondern Wechat oder Alipay. Auch die Corona-Apps, die darüber entscheiden, wer wann wohin fliegen darf oder über den Einlass in ein Restaurant, laufen entweder auf Wechat oder Alipay. Die Macht dieser Dienste ist groß.

Seit Ende 2020 geht der Apparat systematisch dagegen vor. Angefangen hatte es im November 2020 mit der Ant Group, die Alipay betreibt. Wenige Tage vor dem Debüt des Unternehmens an der Börse in Shanghai und Hongkong schritten die Aufseher ein - regulative Schwierigkeiten, hieß es. Es hätte der größte Börsengang der Welt werden sollen mit Einnahmen in Höhe von 37 Milliarden Dollar. Millionen Aktionäre hatten die Papiere im Voraus gezeichnet, Zehntausende sich extra Geld geliehen oder sich verschuldet, um mit Anteilsscheinen von Ant reich zu werden. Es wurde der größte Börsengang der Welt, der nie stattgefunden hat, verschoben auf unbestimmte Zeit.

Ant-Gründer Jack Ma ist seitdem praktisch aus der Öffentlichkeit verschwunden, und den Mutterkonzern Alibaba belegten die Aufsichtsbehörden im Frühjahr dieses Jahres mit einer Geldstrafe in Höhe von umgerechnet 2,8 Milliarden Dollar, weil das Unternehmen seine Marktbeherrschung missbrauche. Seitdem lautet die bange Frage in den Chefetagen der chinesischen Tech-Konzerne: Wer von uns ist der nächste?

Jahrelang hatten die chinesischen Behörden die heimischen Internetfirmen nahezu unreguliert gelassen. Während Twitter oder Facebook in der Volksrepublik gesperrt sind, wurden im Land hinter der großen Firewall andere Konzerne und Dienste groß: Baidu statt Google, Wechat anstelle von Whatsapp, Alibaba und nicht Amazon. So sehr Peking das Internet abriegelte und politisch unliebsame Meinungsäußerungen unterdrückte, so problemlos konnten die Konzerne wie Alibaba oder der Wechat-Betreiber Tencent wachsen und ihre Monopolstellung ausbauen. Sie diktieren die Regeln, wie in China heute Handel betrieben wird, wer auf welchen Plattformen anbieten darf und wer nicht. Selbst im Bankenwesen mischte Alibabas Finanztochter Ant Group mit, vergab Kredite ohne Banklizenz, ja völlig ohne Sicherheiten. Inzwischen aber vergeht kaum ein Monat ohne staatliche Eingriffe und Rücktritte in der Branche.

Im März 2021 etwa verließ Colin Huang, der Gründer der E-Commerce-Gruppe Pinduoduo sein Unternehmen. Im Mai kündigte überraschend Bytedance-Chef Zhang Yiming seinen Rückzug an. Und im Juli leitete Chinas Cyberspace Administration eine Untersuchung gegen den populären Fahrdienstleister Didi wegen angeblicher Verletzungen der Privatsphäre der Nutzer ein. Erst wenige Tage zuvor war Didi in New York an die Börse gegangen - ein Milliarden-Debüt. Ziemlich sicher ist: Die nächsten Eingriffe und Maßnahmen werden folgen. Eine rechtliche Grundlage gibt es nun.

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