Finanzelite:China fordert Banker auf, hedonistischen Lebensstil zu beenden

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Künftig sollten die chinesischen Finanziers doch bitte ihren hedonistischen Lebenswandel beenden. Und aufhören, dabei noch ständig den Westen zu kopieren. (Foto: Ton Koene/imago/UIG)

Die "Zentralkommission für Disziplinarkontrolle" ermahnt die Finanzelite. Dabei könnte die noch viel von Frankfurt lernen. Mancherorts scheint der Kommunismus hier bereits vollendet.

Von Victor Gojdka, Frankfurt

Weil es viel zu klischeehaft wäre, einen Text über den Reichtum der chinesischen Eliten mit Zigarren oder Whiskeys zu beginnen, ist zunächst eine abstrakter Gedanke geboten. Vielleicht ist das Bemerkenswerteste am Reichtum, dass es sich mit ihm wie mit einem Scheinriesen verhält: Je weiter sich Betrachter von ihm entfernen, desto beeindruckender wirkt er. Wenn in raren Einblicken klar wird, dass die chinesische Elite Whiskey für 800 000 Dollar pro Flasche trinkt und Zigarren für mehr als 60 000 Dollar pafft, klappt vielen Menschen die Kinnlade herunter.

Je näher der Reichtum allerdings rückt, desto gewöhnlicher, ja, piefiger wirkt er. Wenn ein chinesischer Milliardär auf Plüschpantoffeln an seinem eigenen Konterfei vorbeischlurft und anschließend auf einem goldumrahmten Sofa mit lila Polster Platz nimmt - wie es das Wirtschaftsmagazin Capital einmal beschrieb - denken sich viele bloß ihren Teil.

Wegen solcher Szenen hat sich nun die chinesische "Zentralkommission für Disziplinarkontrolle" in einem 3500-Worte-Memorandum vor allem an die Banker im Riesenreich gerichtet. Aus Big Spendern, so die Empfehlung, sollten Big Spender werden - aus Prassern also Großspender. Künftig sollten die Finanziers ihren hedonistischen Lebenswandel beenden. Und bitte aufhören, dabei noch ständig den Westen zu kopieren.

Welche Sitten in China Einzug halten könnten, lässt sich in Frankfurt am Main beobachten

Insbesondere über letzteren Appell dürften die Pekinger Offiziellen kaum nachgedacht haben, westlichen Großbanken hat der Machtappparat schließlich erst kürzlich erlaubt, stärker in den chinesischen Markt einzutreten. Welche Sitten dann Einzug halten könnten, lässt sich stellenweise in Frankfurt am Main beobachten.

An rolextragenden Finanzern, die abends vor der offenen Fensterfront der Chinaski-Bar den Bürgersteig blockieren, können sich Passanten gerade noch vorbeizwängen. Ganz anders verhält es sich jedoch mit mutmaßlichen Banktrainees, die sich freitagabends Sportwagen mieten, um damit bei vorbildlicher Schrittgeschwindigkeit, aber verboten lautem Motorengeheul, gewöhnliche Bürger beim Spaziergang zu stören.

In der Kommunalpolitik scheint das Thema kaum angekommen. Selbst die Linksfraktion im Frankfurter Römer gibt auf Anfrage zu Protokoll, sie sehe kaum Handhabe. Theoretisch ließen sich an manchen Stellen Schwellen im Straßenboden montieren oder Kontrollen gegen Autotuner verstärken. Ob dadurch allerdings jene erfasst würden, die sich "mit rechtmäßig zugelassenen Fahrzeugen" durch die Frankfurter Innenstadt schlängeln, sei fraglich. Und wie viele davon wiederum Bankmitarbeiter seien? Darüber will selbst die Linksfraktion, nun, nicht spekulieren.

Eine Lösung für Peking wäre, mehr über den kulturellen Unterschied zwischen Bankern und Börsenmaklern nachzudenken. Statt in Sternerestaurants speisten die Frankfurter Händler jahrelang in der Traditionskneipe "Mutter Ernst", bis ein Immobilieninvestor die Gaststätte vertrieb. Vor wenigen Wochen hat die Kneipe an anderer Stelle wieder aufgemacht. Hier essen Touristen, Börsenhändler und Frankfurter zusammen Kotelett, Kassler oder Kartoffelsalat. Zumindest hier scheint vielen damit der Kommunismus bereits vollendet.

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