Endlich kann man sich mal wieder so richtig was gönnen! Die Furcht vor der Pandemie rückt in den Hintergrund, vorbei die Beschränkungen beim Reisen und in Restaurants, Schluss mit der ständigen Testerei. Also endlich wieder raus, das Leben feiern, die schönen Dinge genießen, koste es, was es wolle. So ist die Stimmung derzeit, und die Folgen sind nur logisch: Luxuskonzerne wie LVMH übertreffen die Umsatzerwartungen, Ferrari hebt seine Gewinnaussichten an, Hermès verkauft trotz Preisanhebung so viel mehr von seinen Seidentüchern, dass die bald einfach noch teurer werden sollen.
Und jetzt das: Philippe Schaus, bei LVMH für die Getränke zuständig, warnt im Interview mit der Nachrichtenagentur Bloomberg, dass die Vorräte einiger Champagner-Marken zur Neige gehen. Der Grund? Nachdem die Menschen gut zwei Jahre lang gedarbt haben, wollen sie sich endlich mal wieder was gönnen. Intern spreche man bei dem französischen Luxuskonglomerat schon davon, dass erneut goldene Zwanziger angebrochen seien. Besonders in der arabischen Regionen wie etwa in Dubai steige die Nachfrage sehr schnell. Und keine Angst vor der Rückkehr der Traurigkeit übrigens - Schaus versichert auch, dass die Vorräte schon in wenigen Wochen wieder aufgefüllt würden. Die Party kann also weitergehen, hoch die Tassen!
Wem das jetzt komisch vorkommt, wem beim Lesen immer nur Worte wie "Inflation" und "Nebenkostennachzahlung" in den Kopf kommen, dem sei gesagt: Es ist eine andere Welt, in der sich dieser Hedonismus derzeit austobt. Die Welt der sehr Reichen und der Superreichen. Menschen also, denen es egal ist, ob Lebensmittel zwanzig Prozent mehr kosten.
Billig-Schampus gibt es nach wie vor genug
Es ist nämlich nicht irgendein Champagner, der ausverkauft ist. Laut Philippe Schaus sind es die Top-Marken seines Konzerns, als da wären: Dom Pérignon (ab 160 Euro) oder Krug (ab 190 Euro, Preise bei beiden nach oben weit offen). Allerweltsmarken wie Moët, den es für 40 Euro in jedem Supermarkt gibt, haben eher keine Lieferschwierigkeiten.
Zwar zeigt sich die Entkopplung der Superreichen in so ziemlich jeder Krise - diese hat jedoch eine für Luxushersteller angenehme Besonderheit: Weil sie in den Corona-Jahren doch so stark Verzicht geübt haben, fühlen sich Menschen, die es sich leisten können, nun moralisch berechtigt, ordentlich auf den Putz zu hauen. Konsumforscher nennen das revenge shopping - Konsum als Rache an der Pandemie. Ganz anders als in der Wirtschaftskrise 2008/2009, als es vielen Reichen unziemlich schien, laut zu feiern. Wo es doch den armen Menschen so schlecht ging.
Immun gegen Wirtschaftskrisen sind Luxushersteller wie LVMH auch wegen einer Faustregel, die in diesem Segment gilt: 80 Prozent ihrer Kunden machen nur etwa 25 Prozent ihrer Umsätze aus. Das sind Kunden, die genug Geld haben mögen für eine 10 000-Euro-Handtasche, die aber noch lange nicht superreich sind. Schränken diese 80 Prozent sich in einer Krise ein bisschen ein, ist das nicht weiter schlimm. Denn worauf es wirklich ankommt, sind die oberen 20 Prozent der Luxus-Kunden, die drei Viertel der Umsätze wegfeiern.
Tiffany mit hausgemachten Problemen
Einen Luxuskonzern gibt es übrigens doch, der derzeit leidet: Schmuckhersteller Tiffany hat mit rückläufigen Verkäufen zu kämpfen. Selber schuld, kann man da nur sagen, denn Tiffany hatte zuletzt verstärkt auf günstigeren Schmuck aus Silber gesetzt. Mit Gold und Edelsteinen wäre das nicht passiert.
Zum Schluss noch ein kleiner Trost für alle, die bei der großen Champagner-Party nicht dabei sein können. Leonard Lauder vom Kosmetikunternehmen Estée Lauder stellte vor vielen Jahren die These vom "Lippenstift-Index" auf. Ihr zufolge kaufen die Menschen in Krisenzeiten, wenn sie sich den teuren Spaß nicht mehr leisten können, einen günstigen, aber sichtbaren Luxus: den Lippenstift. Zumindest in den USA scheint sich diese These mal wieder zu bestätigen. Die einen trinken also die Champagnervorräte leer, die anderen gönnen sich eine neue Lippenstiftfarbe. Die Welt ist also doch gerecht. Darauf ein Gläschen!