Nur der Sohn nervt, ansonsten ist dieser Morgen perfekt: Der Vater strampelt auf dem stationären Fahrrad und lässt sich per Videoschaltung vom Personaltrainer anfeuern, die Mutter übt am Fitness-Spiegel die gedrehte Dreieckshaltung. Der Saugroboter putzt, die Hunde werden per App-Knopfdruck gefüttert, gleich werden die im Ernährungsplan-Abo auf die Bedürfnisse der Familienmitglieder abgestimmten Mittagessen (der Vater ist vegan, der Sohn leidet an Laktose-Intoleranz) geliefert. Alles wäre perfekt, würde der Bub nicht den Smart-Home-Dienst missbrauchen, um über einen Streamingdienst möglichst laut Lieder mit möglichst vielen Schimpfwörtern zu spielen.
Die Zukunft ist, nachdem jetzt endlich alles mit allem verknüpft ist, individualisiert und optimiert, es gibt kaum noch etwas, das der Mensch nicht an eine Maschine auslagern kann. Auf der Technikmesse CES in Las Vegas werden seit mehr als 50 Jahren die nächsten Schritte der Digitalisierung verhandelt, stets ging es dabei um das nächste große Ding, das die Leute unbedingt brauchen sollen oder haben wollen: der Videorekorder 1970, der CD-Spieler 1981 oder selbstfahrende Autos 2013. So soll es auch diesmal sein - doch irgendwas ist anders.
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An der Entwicklung des Fahrzeugs war das österreichische Unternehmen Magna Steyr stark beteiligt, aber auch drei deutsche Firmen mischten offenbar mit.
Auf der Ausstellung "Unveiled" werden zwei Tage vor Messebeginn die vermeintlich tollsten Produkte des Jahres angepriesen, die meisten Leute missverstehen diese Gadgets noch immer als Geräte; dabei sendet die CES heuer die unmissverständliche Botschaft, dass es sich dabei um Plattformen handelt, die austauschbar sind - oder glaubt wirklich jemand, dass die Leute in zehn Jahren noch immer ein Smartphone besitzen werden? Es geht beim Internet of Things nicht um Dinge, sondern darum, welche Services über diese Dinge angeboten werden können. Willkommen im Abo-Zeitalter!
Die Kunden ersparen sich die Fahrt ins Fitnessstudio. Zu Hause steht ein Fahrrad mit Bildschirm
Die Streaming-und-Abo-Industrie ist im vergangenen Jahr um 14 Prozent auf weltweit 76 Milliarden Dollar gewachsen, in diesem Jahr könnte die 100-Milliarden-Dollar-Marke geknackt werden, und was das bedeutet, lässt sich am besten mit dem so genannten "Peloton-Faktor" erklären, zu dem es auf der CES mehrere Debatten gibt. Peloton wird nach mehreren Finanzierungsrunden mit vier Milliarden bewertet, weltberühmt wurde sie kurz vor Weihnachten durch diese desaströse Werbung, bei der sich eine Frau ein Jahr lang bei ihrem Ehemann bedankt, dass er ihr dieses Gerät geschenkt hat und sie nun endlich wieder schön knackig für ihn ist.
Das Geschäftsmodell: Die Kunden ersparen sich die Fahrt ins Fitnessstudio, wo sie auf verschwitzen Geräten und von anderen beobachtet trainieren würden. Sie kaufen sich stattdessen für 2245 Dollar dieses stationäre Fahrrad mit Bildschirm und dazu ein Abo für 39 Dollar im Monat, über das sie an Live-Trainingseinheiten teilnehmen. Ist das nicht herrlich bequem, so wie es herrlich bequem ist, Einkäufe geliefert zu bekommen, tolle Filme daheim auf der Couch gucken zu können und für die Überprüfung des Blutzuckerwertes nicht zum Arzt zu müssen?
Einer der größten Kostenfaktoren für die Betreiber von Fitnessstudios ist das Studio selbst, das für die Kunden möglichst bequem zu erreichen und modern eingerichtet sein soll. Unternehmen wie Peloton, Mirror (die mit dem Spiegel) oder SmartMart (eine interaktive Yoga-Matte) verlegen den Trainingsort ins Heim der Kunden, sie selbst betreiben TV-Studios, aus denen die Einheiten übertragen werden. Ähnlich funktioniert es in anderen Branchen: Streamingdienste wie die von NBC, Quibi oder HBO betreiben keine Kinosäle, sondern schicken Inhalte auf Geräte der Abonnenten. Dienste wie Blue Apron, Hello Chef oder Green Fresh eröffnen keine Restaurants in Gegenden mit hohen Mieten, sie sparen sich Einrichtung und Personal - sondern liefern aus Industrieküchen.
Es klingt zunächst nach einer Win-win-Situation: Unternehmen produzieren kostengünstig, die Leute bekommen die Sachen geliefert. Das Fitness-Abo ist billiger als die Mitgliedschaft im Studio, das Essen günstiger als der Besuch im Restaurant, Streaming nicht so teuer wie Kinokarten. Nur: Die Los Angeles Times hat zum Beispiel ausgerechnet, dass die Kunden zwar 80 Dollar im Monat sparen, wenn sie ihren Vertrag mit ihrem Kabel-TV-Anbieter kündigen - dass sie aber knapp 450 Dollar pro Monat bezahlten, würden sie jeden Streamingdienst abonnieren.
"Es ist bequem, genau deshalb ist die Gefahr groß, dass die Leute den Überblick verlieren und dass sich die für einzelne Services geringen Kosten zu einer finanziellen Belastung entwickeln", sagt Kate Ryan vom Finanzdienstleister TIAA Solutions. Ein paar Dollar für die Videospiel- und Musik-Abos der Kinder, die wöchentliche Lieferung von frischem Gemüse und neuen Rasierklingen, dazu monatlich hippe Klamotten, Pflegeproduktproben oder Vitaminpillen. Eine Umfrage im Auftrag von Wells Fargo ergab, dass einer von drei US-Bürgern regelmäßig für Digitaldienste oder Klub-Mitgliedschaften zahlt, die sie oder er gar nicht nutzt.
Die Techbranche wäre nicht die Techbranche, wenn sie nicht für die von ihr geschaffenen Probleme eine Lösung hätte - von der sie selbst profitiert. Wem der Wildwuchs an Abos, Mitgliedsgebühren und Beitragszahlungen über den Kopf wächst, kann zum Beispiel Tower Control von Wells Fargo nutzen. Das ist auf dem Papier kostenlos, dafür geben Nutzer persönliche Daten und Gewohnheiten preis, die das Geldhaus an anderer Stelle gewinnbringend nutzen kann. Gleiches gilt für die Mint-App des Softwareherstellers Intuit, die dem Nutzer als Gegenleistung maßgeschneiderte Kreditkarten und Finanzdienstleistungen von Partnerfirmen anbietet. Nimmt der Anwender eins dieser Angebote an, erhält Intuit ein Honorar.
Eine andere Verdienstmöglichkeit hat Goldman Sachs ersonnen, der Dienst Clarity Money erlaubt es Nutzern, bestehende Abos mit einem einzigen Knopfdruck zu kündigen oder die Vertragsbedingungen neu zu verhandeln. Ein Drittel der Ersparnisse, die der Anwender durch Preissenkungen erzielt, gehen an den Dienst. Das Erfolgshonorar wird einmal im Jahr fällig, und damit erinnert die Vergütung für die Senkung der Abogebühr an: eine Abogebühr.