Bußgeldreform:Zu schnelles Fahren wird deutlich teurer

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Falschparken wird künftig in Deutschland härter bestraft, genau wie Umweltverstöße und zu schnelles Fahren. (Foto: imago)

Der Bundesrat hat eine Reform des Bußgeldkatalogs verabschiedet. Was Verkehrssündern in Deutschland droht - und wann der Führerschein weg ist.

Von Markus Balser, Berlin

Wie sicher Deutschlands Straßen sind? Eine einzige Zahl spricht Bände. Mehr als 2700 Menschen starben laut Statistischem Bundesamt im vergangenen Jahr im Straßenverkehr. Das waren zwar 300 weniger als 2019. Allerdings ging die Zahl nur so deutlich zurück, weil auch der Verkehr im Jahr des Corona-Ausbruchs stark schrumpfte. Meilenweit ist die Bundesregierung noch immer von ihrem großen Ziel entfernt, die Zahl der Opfer mit ihrer "Vision Zero" möglichst nah an die Null heranzubringen.

Als großes Problem für die Verkehrssicherheit haben Fachleute immer wieder zu schnelles Fahren und die im internationalen Vergleich harmlosen Strafen bei Tempoverstößen in Deutschland ausgemacht. Wer etwa in der Schweiz innerorts mit 15 km/h zu viel geblitzt wird, zahlt mit 250 Franken (umgerechnet 233 Euro) fast zehnmal mehr als die hierzulande fälligen 25 Euro, die kaum abschreckende Wirkung entfalten.

Mehr Abschreckung - das soll nun künftig auch in Deutschland funktionieren. Der Bundesrat hat am Freitag die schon seit eineinhalb Jahren geplante und hochumstrittene Bußgeldreform verabschiedet. Der Beschluss galt als letzte wichtige Hürde für die Novelle. Damit drohen Autofahrern noch in diesem Jahr deutlich härtere Strafen bei Verstößen gegen die Straßenverkehrsordnung. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) muss die Verordnung nun noch unterschreiben. Die Änderungen treten dann laut Verordnung drei Wochen nach der Verkündung in Kraft - erwartet wird dies noch im Herbst.

Einige Bußgelder werden drastisch erhöht, andere ganz neu eingeführt. Die neuen Regeln seien ein deutliches Signal an Autofahrer, sich an Geschwindigkeitsbegrenzungen zu halten, sagt die Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz, Bremens Senatorin Maike Schaefer (Grüne). "Wir wissen: Überhöhte Geschwindigkeit ist eine der häufigsten Unfallursachen. Bußgeldkatalog und Straßenverkehrsordnung sind letztlich verkehrserzieherische Maßnahmen zur gegenseitigen Rücksichtnahme."

800 Euro für viel zu schnelles Fahren

Der Bußgeldkatalog macht deutlich, wo die Politik erzieherische Maßnahmen für besonders nötig hält. Wer 16 bis 20 Kilometer pro Stunde innerorts zu schnell fährt, zahlt künftig 70 statt bislang 35 Euro. Bei 41 bis 50 Stundenkilometern über dem Limit werden 200 statt 100 Euro fällig. Und wer das Tempolimit gar um mehr als 70 Kilometer pro Stunde überschreitet, muss mit 800 Euro extrem tief in die Tasche greifen - das bislang höchste Bußgeld lag bei 680 Euro. Auch außerhalb geschlossener Ortschaften wird es mit jedem km/h in ähnlichen Schritten empfindlich teurer. Fahrverbote von einem Monat oder mehr drohen den Deutschen, wenn sie mindestens 26 Kilometer pro Stunde zu schnell fahren.

Verkehrssicherheitsexperten halten die Verschärfung seit Langem für überfällig. Zu hohe Geschwindigkeit sei eine Hauptursache für Unfälle mit Getöteten und Schwerverletzten, erklärt auch der Verkehrssicherheitsrat, eines der wichtigsten Beratergremien der Regierung. Niemand fahre "mal eben so" 21 oder 26 Kilometer pro Stunde zu schnell. Mit solchen Tempoverstößen gefährde man Menschenleben. "Das sollte sich auch in der Sanktion widerspiegeln."

Mehr Schutz für Radfahrer

Schon im Sommer hatte die Bundesregierung ein neues Verkehrssicherheitsprogramm bis 2030 verabschiedet. Das Ziel: Die Zahl der Verkehrstoten soll bis Ende des Jahrzehnts um 40 Prozent sinken. Für das vergangene Jahrzehnt hatte sie ein ähnliches Ziel ausgegeben, das aber deutlich verfehlt wurde. Weil zuletzt viele Radfahrerinnen und Radfahrer Opfer von Verkehrsunfällen wurden und der Radverkehr deutlich zunimmt, sollen die Änderungen des Bußgeldkatalogs besonders den Zweiradverkehr sicherer machen. So dürfen Lastwagen innerorts von Ende des Jahres an nur noch in Schrittgeschwindigkeit abbiegen, andernfalls zahlen Fahrer 70 Euro. Gerade beim Abbiegen von Lkws hatte es viele tödliche Unfälle in Städten gegeben.

Falschparken wird härter bestraft

Das verbotene Parken auf Geh- und Radwegen und das Parken und Halten in zweiter Reihe wird ebenfalls härter bestraft. Die bisherigen Bußgelder von 15 bis 30 Euro steigen auf 55 bis 100 Euro. Erstmals bekommen Fahrer für Parkverstöße mit Behinderung zusätzlich auch einen Punkt in Flensburg. Und Autofahrer, die ihr Fahrzeug im allgemeinen Halte- oder Parkverbot abstellen, finden unter dem Scheibenwischer künftig ein Knöllchen über bis zu 55 Euro statt bislang bis zu 15 Euro.

Umweltverstöße werden teurer

Härter treffen Autofahrer in Deutschland künftig auch Verstöße gegen Lärm- und Umweltvorschriften, etwa beim sogenannten Auto-Posing. Die Geldbuße "für das Verursachen von unnötigem Lärm und einer vermeidbaren Abgasbelästigung sowie dem belästigenden unnützen Hin- und Herfahren" steigt von 20 auf bis zu 100 Euro. Um das Laden von E-Autos und das Parken von Carsharing-Fahrzeugen zu erleichtern, lässt sich das Falschparken in solchen Zonen mit einem neuen Tatbestand härter bestrafen: Wer solche Parkplätze blockiert, muss künftig 55 Euro zahlen.

Durchkommen für Retter

Weil Retter es in den vergangenen Jahren zu oft schwer hatten, zu Unglücksorten zu kommen, verschärft die Politik zudem Strafen für Autofahrer, die Feuerwehr und Sanitätern die Arbeit erschweren. Wer etwa bei einem Stau keine Rettungsgasse bildet oder diese sogar selbst nutzt, muss künftig mit einem Bußgeld zwischen 200 und 320 Euro rechnen. Wer eine amtlich gekennzeichnete Feuerwehrzufahrt zuparkt oder ein Rettungsfahrzeug behindert, ist künftig 100 Euro los.

Mit der Abstimmung im Bundesrat am Freitag ging ein so heftiger wie skurriler Streit zwischen Bund und Ländern sowie unter Landesministern zu Ende. Die Novelle war nämlich eigentlich bereits im Frühjahr 2020 verabschiedet worden. Bundesverkehrsminister Scheuer hatte sie selbst angestoßen, vor allem um Radfahrer besser zu schützen. Die Länder aber nutzten die Novelle gegen seinen Willen über den Bundesrat auch zur Verschärfung von Strafen für Raser. So sollte zu schnelles Fahren schon bei geringeren Überschreitungen mit Fahrverboten bestraft werden. Scheuer stimmte den Plänen zunächst zu, nutzte aber einen Formfehler, um sie nach Protesten unter anderem vom ADAC wieder zu kippen. Die Neuerungen im Bußgeldkatalog wurden außer Vollzug gesetzt, die alten, weniger strengen Strafen galten weiter. Bereits eingezogene Führerscheine wurden zurückgegeben - vorübergehend nach dem neuen Katalog kassierte Bußgelder zahlten die meisten Länder allerdings nicht zurück.

Inzwischen haben sich Bund und Länder auf einen Kompromiss geeinigt. Die umstrittene Verschärfung für die Fahrverbote ist in der 55-seitigen Novelle vom Tisch. Dafür werden deutlich höhere Bußgelder fällig und neue Tatbestände eingeführt.

Fahrradverbände üben trotz der Einigung und trotz härterer Strafen für Autofahrer deutliche Kritik an der deutschen Verkehrspolitik und verweisen auf hohe Risiken für Radfahrer im Straßenverkehr. "Höhere Bußgelder zum Schutz von Radfahrerinnen und Radfahrern sind wichtig", sie reichten aber noch lange nicht aus. Nur mit einer völlig neuen Verfassung für die Straße könne Deutschland wirklich zum Fahrradland werden, sagt ADFC-Bundesgeschäftsführerin Ann-Kathrin Schneider. Nötig seien Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit in Städten und viel mehr geschützte oder eigene Fahrradstreifen. "Die neue Bundesregierung muss Klimaschutz und Verkehrssicherheit wirklich ernst nehmen - und dafür ein neues, modernes Straßenverkehrsgesetz schaffen", so Schneider. Der ADFC fordert von der künftigen Regierung Vorschläge dazu in den ersten 100 Tagen ihrer Amtszeit.

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