Bundesliga:Der Kunde muss ins Eckige

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Die meisten BVB-Anhänger kennen die Binnensicht: Auch aus der Luft sieht die Dortmunder Arena markant aus - und ziemlich eckig. (Foto: Hans Blossey/imago)
  • Die Bundesliga ist das letzte große Lagerfeuer, um das sich die Deutschen versammeln.
  • Mit gut vier Milliarden Euro erwirtschafteten die Erst- und Zweitligisten den zweithöchsten Umsatz aller Fußball-Ligen weltweit.
  • Die Frage ist nur, wie lange das ökonomisch noch gut geht. Denn der deutsche Profifußball steht an einem Scheideweg.

Von Uwe Ritzer, München

Nun also auch Schalke 04. Pünktlich zum Saisonstart in der Fußball-Bundesliga haben die Knappen ihre Trikots gewechselt. Eine gefühlte Ewigkeit kickten sie in königsblauen Shirts der Marke Adidas. Die Farbe ist geblieben, der Ausrüster aber ist neu. Statt drei weißen Streifen und dem charakteristischen Dreiblatt tragen die Shirts die quergelegte Doppelraute von Umbro. Adidas hatte schlichtweg keine Lust mehr auf Schalke 04.

Damit ist der FC Bayern München das letzte Team in der höchsten deutschen Fußballklasse, das noch von Adidas ausgerüstet wird, der Nummer zwei der Sportartikelwelt. Sukzessive, aber konsequent hat sich das Unternehmen aus der Bundesliga zurückgezogen, wo in Spitzenzeiten 16 von 18 Mannschaften dreigestreift aufliefen. Das ist lange her. Selbst Klubs mit einer hochemotionalen Anhängerschaft und langer Tradition wie der 1. FC Nürnberg oder eben Schalke sind für Adidas uninteressant geworden. Dort konzentriert man sich auf Top-Vereine und einzelne Fußballstars, mit denen im Idealfall überall auf der Welt eine Menge Geld zu verdienen ist.

Diese wiederum kassieren immer mehr Geld. Der FC Bayern etwa darf pro Saison mit 60 Millionen Euro von Adidas rechnen. Für den Rest der Liga bleiben nur Brosamen. Die Klubs sind schon froh, wenn ihr Ausrüster einen zweistelligen Millionenbetrag springen lässt, bar und in Ausrüstung. Den einheitlichen Bundesliga-Spielball wollte Adidas auch nicht mehr liefern; der kommt jetzt vom Winzling Derbystar.

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Ist der Rückzug nur der neuen Strategie von Adidas geschuldet, oder sagt er auch etwas aus über den Zustand der Bundesliga? Einer Liga, die sportlich vom FC Bayern dominiert wird und deren Klubs - wieder abgesehen von Bayern - international seit Jahren keine Rolle mehr spielen. Eine Liga, um die internationale Fußballstars inzwischen einen Bogen machen, wieder abgesehen vom FCB. Selbst in der Nationalmannschaft nimmt seit Jahren die Zahl der Spieler, die auch bei Bundesligavereinen kicken, stetig ab.

Dabei scheint wirtschaftlich alles in bester Ordnung. Die Bundesliga ist das letzte große Lagerfeuer, um das sich die Deutschen unabhängig von Herkunft und Status wöchentlich versammeln - und das zahlt sich für alle Mitspieler aus. Mit gut vier Milliarden Euro erwirtschafteten die Erst- und Zweitligisten den zweithöchsten Umsatz aller Fußball-Ligen weltweit. In den letzten zehn Jahren wuchs der Umsatz im deutschen Profifußball siebenmal stärker als die Volkswirtschaft insgesamt. Die Erlöse aus TV-Verträgen verdreifachten sich in der Zeit. Noch nie wurden mehr Dauerkarten für die Stadien verkauft, noch nie sahen mehr Fans am Fernseher zu. Trotz bayerischer Dominanz und WM-Desaster - die Bundesliga steht mit hoher Wahrscheinlichkeit vor einer Rekordsaison.

Die Frage ist nur, wie lange das ökonomisch noch gut geht. Denn der deutsche Profifußball steht am Scheideweg. Er und seine Fans haben sich in einer Grundsatzdiskussion verheddert, die den Boom der Liga über kurz oder lang dämpfen wird. Es geht dabei nicht nur um den hierzulande blockierten Einstieg von Investoren in Profivereine, der allein aus rechtlichen Gründen nicht haltbar sein wird. Sondern generell um die Frage, wie viel Tradition sein muss und wie viel Kommerz sein darf.

Dabei war die Bundesliga vom ersten Spieltag 1963 an auch Kommerz. Christian Seifert, Chef des Ligaverbands DFL, nennt es "eine deutsche Spezialität, den Kommerz zu kritisieren, aber gleichzeitig ins Schwärmen zu geraten über die herausragende Qualität von Spielen wie Manchester City gegen Liverpool oder Real Madrid gegen Bayern München". Dabei sind sportliche Qualität und Kommerz siamesische Zwillinge. Und die Bundesliga verliert an Attraktivität, je mehr sie kommerziell und sportlich international abgehängt wird.

Und das wird sie, wieder mit Ausnahme der Bayern. Der Prozess ist schleichend und misst sich nicht nur an sportlichen Indikatoren. Ein Beispiel: Auf etwa eine halbe Milliarde Euro summieren sich die Ausgaben der Bundesligisten für Spielerkäufe im Vorfeld der anstehenden Saison. Zum Vergleich: Allein der FC Liverpool kaufte Spieler für 180 Millionen Euro ein. Mit Ausnahme der Bayern können die deutschen Klubs nicht mehr mithalten.

Wirtschaftlich dominiert die englische Premier League das globale Fußballgeschäft und sie droht im Wettbewerb der Ligen davonzueilen wie hierzulande der FC Bayern seinen Gegnern. Investoren und der TV-Sender Sky pumpen verglichen mit Deutschland ein Vielfaches an Geld in die englischen Klubs. Aber auch Paris St. Germain, die spanischen Top-Vereine und neuerdings Juventus Turin werfen mit Geld um sich. Einige Bundesligaklubs profitierten davon und verkauften Personal für horrendes Geld. Ohne die Einnahmen allerdings so zu reinvestieren, dass sie den Abstand auf den FC Bayern verkürzten. Die Bundesliga hat also offenkundig auch ein Managementproblem. Oder wie anders ist es zu erklären, dass ein Verein wie der FC Sevilla dreimal hintereinander die Europa-League gewann, mit einem Etat kaum höher als jener von Mainz 05?

Ohne Investoren wird das auf Dauer nicht gehen

Wie jede Profiliga muss die Bundesliga den Kreislauf am Leben halten: Sportliche Attraktivität bringt Zuschauer, beflügelt das Merchandising-Geschäft, lockt TV und Sponsoren an, deren Geld wiederum in die sportliche Attraktivität investiert wird. Ohne Investoren wird das auf Dauer nicht gehen. Traditionalisten verdrängen gern, dass es mit VW, Bayer, Dietmar Hopp oder Red Bull längst Investoren in der Liga gibt. Sie auch anderen zu öffnen, muss nicht zwangsläufig heißen, dass jeder Klub am Tropf undurchsichtiger Geldgeber landet wie der TSV 1860 München.

Herausforderungen für die Bundesliga gibt es auch anderweitig. Etwa eine heranwachsende Generation, die sich ihre Helden nicht mehr im Stadion des Heimatvereins sucht, sondern in der digitalen Fußballwelt, auf den Instagram-Seiten kickender Popstars, denen sie digital folgen, egal wo sie spielen. Und dann sind da noch jene, die am realen Kick gar kein Interesse mehr haben. Für sie ist Fußball nur noch ein Computerspiel.

© SZ vom 23.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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