Kartellamt:Lufthansa muss weiterhin Condor-Passagiere befördern

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Flugbetrieb am Frankfurter Flughafen: Urlauber können dort nach einem Zubringerflug der Lufthansa auf einen Langstreckenflug von Condor umsteigen. (Foto: Arne Dedert/picture alliance)

Die Wettbewerbshüter sehen eine marktbeherrschende Stellung auf Zubringerstrecken. Der Ferienflieger Condor hat daher vorerst einen Anspruch auf Plätze bei der Lufthansa - die Prüfung geht aber weiter.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Die Lufthansa hat in der Auseinandersetzung um die Zubringerflüge für Condor eine empfindliche Niederlage erlitten. Das Bundeskartellamt stellt in einem vorläufigen Ermittlungsergebnis fest, dass die Ferienfluggesellschaft einen "kartellrechtlichen Anspruch" auf diese Verbindungen habe. Weitere Wettbewerbsbeschränkungen in den bestehenden Vereinbarungen sieht die Behörde ebenfalls kritisch.

Die beiden Fluggesellschaften kooperieren seit Jahrzehnten bei den Zubringerflügen: Lufthansa befördert Condor-Passagiere auf den eigenen Maschinen von anderen Flughäfen in Deutschland und Europa aus nach Frankfurt, wo sie dann auf die Condor-Langstrecken umsteigen. Die Praxis geht zurück in die Zeit, als Condor noch zum Konzern gehörte und wurde auch später fortgesetzt. Doch dann beschloss Lufthansa, selbst ins Geschäft mit den touristischen Langstrecken ab Frankfurt einzusteigen, derzeit vor allem mit der neuen Tochtergesellschaft Eurowings Discover, aber auch immer mehr mit der Kernmarke.

Folgerichtig kündigte Lufthansa das sogenannte Special Prorate Agreement (SPA) mit Condor zum 1. Juni 2021. Die Ferienfluglinie indes legte dagegen eine Beschwerde beim Bundeskartellamt ein, weil sie darin einen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung sah. Das Kartellamt leitete ein Verfahren ein, Lufthansa verlängerte daraufhin das SPA bis zum 10. Mai 2022, auch um einer einstweiligen Anordnung ähnlichen Inhalts zuvorzukommen.

Kartellamtschef Andreas Mundt kommt nun zu klaren Ergebnissen. Die Lufthansa-Gruppe sei auf den Zubringerstrecken marktbeherrschend. "Keine andere Fluggesellschaft kann über Einzelflüge hinaus eine Zubringung zu den bedeutenden deutschen Drehkreuzen Frankfurt, München und Düsseldorf anbieten", so Mundt. "Wir haben Bedenken gegen die Zulässigkeit einer Kündigung der Condor-Kooperation, soweit Lufthansa dadurch ihre Wettbewerberin auf den nachgelagerten Märkten für Langstreckenflüge unbillig behindert."

"Wir haben Bedenken gegen die Zulässigkeit einer Kündigung der Condor-Kooperation, soweit Lufthansa dadurch ihre Wettbewerberin auf den nachgelagerten Märkten für Langstreckenflüge unbillig behindert", sagt Kartellamtschef Andreas Mundt. (Foto: Roberto Pfeil/dpa)

Lufthansa hatte in der Vergangenheit argumentiert, niemand hindere Condor daran, eigene Zubringerflüge aufzunehmen. Doch das Kartellamt hält dieses Argument für unzulässig: "Es wären nach den bisherigen Ermittlungen keine geeigneten Slots an den zentralen Drehkreuzen wie Frankfurt zum Aufbau eines entsprechenden Netzes verfügbar", so die Wettbewerbsbehörde. Passagiere, die einen Langstreckenflug buchten, wohnten im Durchschnitt mindestens 300 Kilometer vom Abflughafen des Interkonttrips entfernt. Bahn und Fernbus seien daher keine Alternative.

Für die Condor ist die Entscheidung enorm wichtig, denn sie kann die Langstrecken kaum wirtschaftlich betreiben, wenn die Umsteiger fehlen. Gerade erst hat die Fluggesellschaft in 16 neue Langstreckenjets des Typs Airbus A330-900 investiert, die zwischen Oktober 2022 und Januar 2024 ausgeliefert werden und die alte Boeing 767-Flotte ersetzen sollen. Condor war durch die Pleite ihres einstigen Eigentümers Thomas Cook 2019 und die Corona-Pandemie in existenzielle Nöte geraten. Sie hatte dann aber erfolgreich ein Schutzschirmverfahren durchlaufen und war im vergangenen Jahr vom Finanzinvestor Attestor übernommen worden.

Der Lufthansa-Ableger Eurowings Discover fliegt seit Juli 2021

"Wir freuen uns, dass das Bundeskartellamt unserer Einschätzung gefolgt ist und die Kündigung der kommerziellen Vereinbarung zwischen Lufthansa und Condor als Missbrauch der Marktmacht ansieht", sagt Condor-Chef Ralf Teckentrup. Lufthansa bestätigte lediglich, dass ihr der Entscheidungsentwurf der Behörde vorliege. Man werde gegenüber dem Amt "umfassend Stellung beziehen", sich darüber hinaus derzeit aber nicht öffentlich äußern.

Die Wettbewerbsbehörde stößt sich nicht nur an den Lufthansa-Plänen, Condor keine Zubringer mehr bereitstellen zu wollen, auch die derzeitigen Bedingungen erlaubten keinen "nicht-diskriminierungsfreien Zugang zu Platzkapazitäten". Buchungsklassen würden verknappt und die "Preissetzungsmöglichkeiten der Condor" eingeschränkt. All dies sei ebenfalls unzulässig.

Eine endgültige Entscheidung steht an, nachdem das Kartellamt weitere Stellungnahmen von Lufthansa und Condor geprüft hat. Sollte es aber bei der Einschätzung bleiben, wird das den Aufbau der konkurrierenden Eurowings Discover zumindest erheblich erschweren. Der Lufthansa-Ableger fliegt seit Juli 2021 und betreibt derzeit neun Langstreckenjets A330 sowie drei Maschinen für die Kurz- und Mittelstrecke. Im kommenden Sommerflugplan soll die Airline viele neue Ziele aufnehmen, die auch von Condor bedient werden. Darunter sind Anchorage, Fort Myers und Las Vegas. Die Flotte soll bis zum Sommer auf 21 Maschinen wachsen. Zuletzt 2019 hatte sich Lufthansa auch für den Kauf der Condor interessiert, war sich aber mit Thomas Cook nicht über den Preis einig geworden.

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