Reiserecht:Bundesgerichtshof klärt Recht auf kostenlose Stornierung

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Wir kommen wieder: Reservierte Sonnenliegen an einem Hotel-Pool in Alcudia, Mallorca. (Foto: fossiphoto/imago/fossiphoto)

Ein Kunde sagt eine Pauschalreise ab, noch bevor die Situation eindeutig dagegen spricht. Im Nachhinein erweist sich seine Vorsicht aber als richtig. Muss er trotzdem die Stornogebühr zahlen? Darüber verhandelt der BGH.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat an diesem Dienstag über seinen ersten Corona-Fall zum Reiserecht verhandelt, und es ging, wenn man so will, um die Rechte der Vorsichtigen: Verliert der Kunde womöglich nur deshalb sein Recht auf kostenlose Stornierung, weil er zu früh von der Reise zurücktritt? Also zu einem Zeitpunkt, in dem man noch hoffen konnte, das Problem mit dem Coronavirus könnte sich in Luft auflösen?

Geklagt hatte ein verhinderter Reisender, der vom 3. bis 12. April 2020 für gut 6000 Euro nach Japan fliegen wollte. Doch bereits Ende Februar reagierte Japan auf die heraufziehende Pandemie; Großveranstaltungen wurden abgesagt, Schulen geschlossen. Eine Reisewarnung des Robert-Koch-Instituts existierte noch nicht, aber der Kläger ahnte, dass es mit seiner Reise wohl nichts werden würde. Am 1. März trat er vom Vertrag zurück. Die Stornokosten von rund 1500 Euro zahlte er zunächst. Doch als am 26. März ein Einreiseverbot für Japan erging, verlangte er sein Geld zurück.

Bei Pauschalreisen dürfen Kunden vor Antritt der Reise jederzeit von Vertrag zurücktreten, ohne Angabe von Gründen. Der Preis dieser Freiheit ist allerdings der Anspruch des Veranstalters auf eine "angemessene Entschädigung". Herausgebildet hat sich eine Praxis, wonach die Stornokosten - mit Abweichungen im Einzelfall - bis 30 Tage vor Reisebeginn bei etwa 20 Prozent liegen, oder, wie im BGH-Fall, bei 25 Prozent. Mit jeder Woche, die der Reisebeginn näher rückt, steigen die Stornokosten um etwa zehn Prozentpunkte auf 30, 40, 50 Prozent. Und wer am Abreisetag absagt, zahlt in der Regel 75 Prozent.

Der Kläger beruft sich allerdings auf eine Vorschrift, wonach bei "außergewöhnlichen Umständen" gar keine Stornogebühr fällig wird. Die Pandemie war außergewöhnlich, keine Frage. Allerdings hatte das Landgericht München I dem Reiseveranstalter recht gegeben, weil am 1. März, dem Tag des Rücktritts, das Ausmaß der Pandemie noch nicht absehbar gewesen sei.

Der BGH dürfte dies anders sehen. Der Senatsvorsitzende Klaus Bacher deutete in der Verhandlung an, für die kostenlose Stornierung komme es wohl nicht auf das Datum des Rücktritts an, sondern auf den Reisebeginn. Das wäre in diesem Fall der 3. April, und da war aus der Unsicherheit von Anfang März bereits Panik geworden. Es galten Reisewarnungen und -verbote.

Am 2. August wird das Urteil verkündet. Möglicherweise ruft der BGH zunächst den Europäischen Gerichtshof an, um klären zu lassen, was das EU-Recht zu dem Fall sagt; ein ähnlicher Fall aus Österreich ist bereits beim EuGH anhängig. Doch falls sich die BGH-Linie am Ende durchsetzt, kann der vorsichtige Reisende seine Stornokosten auch nachträglich zurückverlangen, wenn sich seine anfängliche Sorge bestätigt hat.

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