Brexit:Finanzmärkte zittern um das Pfund

Bank Of England Governor Mark Carney Unveils The Full Design Of The New Polymer Five Pound Note

Kaum ist das britische Pfund mit neuen Polymerscheinen im Umlauf, steht die Währung unter keinem guten Stern.

(Foto: Bloomberg)
  • Noch immer wird gerätselt, was der Auslöser für den jüngsten Absturz der britischen Währung war.
  • Doch die Verunsicherung über die britische Währung ist groß. Das liegt vor allem an den jüngsten Bekanntmachungen der Regierung.

Von Björn Finke, London

Als der Absturz beginnt, ist es 7.07 Uhr in Singapur, dem wichtigsten Devisenmarkt Asiens. In Deutschland ist es kurz nach ein Uhr morgens, in New York kurz nach 19 Uhr abends. Die Börsen in Asien haben den Handel gerade eröffnet, da verliert das Pfund rasant an Wert. Innerhalb von zwei Minuten sinkt der Kurs von 1,26 Dollar auf 1,18 Dollar - ein Minus von mehr als sechs Prozent. Danach erholt sich die Notierung schnell wieder, kann aber die Verluste von Freitagmorgen nicht komplett wettmachen.

Was in dieser Nacht passierte, nennen Börsenhändler einen "Flash Crash", also ein Blitz-Absturz, bei dem Kurse extrem steil fallen. Der berüchtigtste Flash Crash liegt schon ein paar Jahre zurück. Am 6. Mai 2010 verloren US-Aktien binnen Minuten fast zehn Prozent an Wert. Auslöser soll die manipulierte Handelssoftware eines betrügerischen Spekulanten gewesen sein, der erst im vergangenen Jahr in London festgenommen wurde.

Nach dem Pfund-Crash von Freitag kursieren mehrere Theorien über die Ursache. Auslöser könnte ein "Fat Finger"-Fehler gewesen sein. Das bedeutet im Börsianerjargon, dass jemand auf seinem Handelsterminal eine falsche Zahl eingetippt und dadurch vielleicht eine viel zu große Verkaufsorder für das Pfund abgegeben hat. So etwas passiert: Vor zwei Jahren gab ein Händler aus Versehen eine Kauforder für japanische Aktien im Wert von 617 Milliarden Dollar auf. Die Ausführung konnte rechtzeitig gestoppt werden. Im gleichen Jahr kaufte ein Londoner Investor 2,5 Millionen Aktien der Bank HSBC und trieb so deren Kurs hoch. Eigentlich wollte er aber nicht 2,5 Millionen Papiere erwerben, sondern bloß Aktien im Wert von 2,5 Millionen Dollar.

Allerdings hat bislang kein Handelshaus einen Fehler beim Pfund zugegeben. Eine andere Theorie besagt, dass automatische Handelsprogramme den Absturz auslösten. Die Financial Times veröffentlichte zum Zeitpunkt des Crash auf ihrer Webseite einen Artikel, demzufolge sich der französische Präsident François Hollande bei Brexit-Verhandlungen hart zeigen will. Manche Handelsprogramme verfolgen, welche Nachrichten gerade im Internet publiziert werden, und reagieren selbständig mit Kauf- oder Verkaufsordern.

Der Crash fand zu einer Zeit statt, in der an den Finanzmärkten weltweit wenig los ist. In New York war es Abend, in Europa tiefste Nacht, und in Asien sehr früh am Morgen. Daher wurden nur wenige Pfund gehandelt, es gab nur wenige mögliche Käufer. Ein größerer Verkaufsauftrag kann in so einem Umfeld den Kurs stark beeinflussen. Sinkt die Notierung erst einmal, kann das weitere Verkäufe auslösen. Viele Investoren richten Stop-Loss-Order ein: Sie lassen automatisch ihre Wertpapiere verkaufen, sobald ein bestimmter Kurs unterschritten ist. Das soll Verluste begrenzen. Jetzt könnte es zu einem heftigen Verlust beigetragen haben.

Doch egal, woran es am Ende wirklich lag: Der Vorfall zeigt, wie nervös die Finanzmarkt-Profis sind, wenn es um das Pfund geht. Großbritanniens Währung verliert schon seit Montag an Wert. Vor allem ist dies eine Reaktion auf die Rede von Premierministerin Theresa May am Wochenende.

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