Brexit:Frankfurt ist das bessere London

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Die Frankfurter Skyline mit den Bankentürmen: Deutschlands größter Finanzplatz hofft, nach dem Brexit Arbeitsplätze aus London anzuziehen. (Foto: Boris Roessler/dpa)

Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier drängt darauf, dass eine fusionierte Börse ihren Hauptsitz in Frankfurt hat.

Von Meike Schreiber und Markus Zydra, Frankfurt

Natürlich dürfen sie auch an diesem Montag nicht fehlen, die Beteuerungen, dass der bevorstehende Brexit alles in allem eher schadet als nützt. Dann aber schaltet Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) auf Angriff: "Das ist ein Sachverhalt, der nach menschlichem Ermessen höchst selten vorkommt. Das sollten wir jetzt unbedingt nutzen", sagt er. Flankiert wird Bouffier an diesem Vormittag von seinem Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir (Grüne). Zuvor hatte das sogenannte Finanzplatzkabinett erörtert, wie man Banken und andere Unternehmen von der britischen Insel ins Rhein-Main-Gebiet locken kann. Nicht nur die Landesminister waren bei der Sitzung in der Bundesbank-Zentrale in Frankfurt dabei, auch ein Vertreter des Bundes, der Banken und mehrere Wissenschaftler.

"Die Unternehmen werden nicht zwei Jahre warten"

Noch haben die Briten ihren Austritt aus der EU nicht offiziell eingereicht. Europas große Städten wetteifern aber schon jetzt darum, Unternehmen und Institutionen aus der britischen Hauptstadt abzuwerben. Zwar ist noch offen, ob oder inwieweit die Freizügigkeit oder die Finanzwirtschaft eingeschränkt wird. Die Hoffnung aber ist geweckt: Wer Unternehmen anlockt, kann mit Arbeitsplätzen und Steuereinnahmen rechnen.

"Die Unternehmen werden nicht zwei Jahre warten und dann erst entscheiden, wo sie ihre Schwerpunkte setzen", sagte Bouffier. Daher könne man nicht früh genug anfangen zu werben. Kommenden Freitag wolle das Kabinett daher mit den "führenden Akteuren des Finanzplatzes" eine Agenda erstellen. Ab Mitte August würde man auch in London für den Standort werben. Dabei gehe es etwa darum, den Firmen die "Angst vor dem deutschen Arbeitsrecht" zu nehmen. Für hoch bezahlte Mitarbeiter ließen sich womöglich Übergangslösungen schaffen, dank derer es leichter sei, sich zu trennen, sagte Wirtschaftsminister Al-Wazir.

Auch die europäischen Bankenbehörde Eba mit ihren etwa 100 Mitarbeitern soll wenn möglich nach Frankfurt geholt werden. "Ich bin sicher, dass wir dafür in Summe auch im Konzert der Bundesländer deutliche Unterstützung erhalten", sagte Bouffier. Dass der bayerische Finanzminister Markus Söder kürzlich für einen Umzug der in London beheimateten Behörde nach München warb, sei aus seiner Sicht "nicht wirklich ernst zu nehmen".

Die Deutsche Börse hingegen dürfe ihren Holding-Sitz nicht in London haben, wenn sie mit dem Londoner Rivalen fusionieren wolle, betonte Bouffier. Davon abgesehen, werde die Landesregierung aber abwarten, welches Konzept die Börse der Aufsicht, dem hessischen Wirtschaftsministerium zur Genehmigung vorlegt. Im Kern sei die Fusion positiv: "Die Landesregierung ist der Überzeugung, dass es durchaus sinnvoll ist, eine Börse zu schaffen, die stark genug ist, sich im globalen Wettbewerb zu behaupten", sagte er.

Ob es dazu kommt, ist jedoch ungewiss. Deutsche-Börse-Chef Carsten Kengeter kämpft dieser Tage um die Zustimmung der Aktionäre. Eigentlich sollten die Eigentümer bis Dienstagnacht 24 Uhr abgestimmt haben, doch am Montag verlängerte die Deutsche Börse die Frist um zwei Wochen. Grund ist die Unsicherheit nach dem Brexit. Einige Aktionäre hegen Zweifel, ob die Fusion mit London wirtschaftlich noch trägt. Dazu kommt die Standortfrage der neuen Holding. Ursprünglich war London vorgesehen, doch nun gibt es Pläne, einen Doppelsitz in Frankfurt und in der britischen Hauptstadt einzurichten. Bisher haben erst 25 Prozent der Deutsche-Börse-Aktionäre ihre Zustimmung zu dem Milliardengeschäft gegeben. Die Börse hat nicht nur die Frist verlängert, sondern auch die Mindestannahmeschwelle von bislang 75 Prozent auf 60 Prozent herabgesetzt.

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Von Oliver Das Gupta

Problematisch ist zudem eine juristische Hürde: Die Deutsche Börse braucht mindestens 50 Prozent Zustimmung, bevor Dax-Indexfonds ihre Deutsche-Börse-Aktien in Übergangsaktien der neuen Fusions-Holding tauschen, sprich ihren Segen geben können. Indexfonds, auch ETF genannt, halten rund zehn Prozent an der Deutschen Börse.

© SZ vom 12.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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