Britische Premierministerin:Diese Frau soll die Briten durch die Brexit-Krise bringen

Lesezeit: 3 min

Regiert wohl bald als britische Premierministerin: Theresa May (Foto: AP)

Die anderen Kandidaten haben abgesagt, nun wird die britische Innenministerin die Ämter von Premier Cameron übernehmen.

Von Oliver Das Gupta

Wann genau kommt der Brexit, welche Folgen wird er für Großbritannien haben und wer wird die Briten durch die Austrittsverhandlungen mit der EU führen? Zumindest auf die letzte Frage gibt es nun eine Antwort. Die bisherige Innenministerin Theresa May wird David Cameron als Tory-Chefin und Premierministerin nachfolgen. Der Wechsel soll bereits bis Mittwoch vollzogen sein.

Das Duell zwischen May und ihrer letzten verbliebenen Konkurrentin Andrea Leadsom fällt somit aus. Die Energie-Staatssekretärin gab am Montag überraschend auf. Für die anstehenden Austrittsverhandlungen mit der EU brauche man schnellstmöglich eine "starke Führung", sagte Leadsom in London. Ein wochenlanges Schaulaufen bis zur Urwahl der Konservativen sei angesichts der Gesamtlage nicht wünschenswert.

Rivalin machte Mays Kinderlosigkeit zum Thema

Die Angst vor einem aufreibenden Zweikampf ist vermutlich nicht der einzige Grund für Leadsoms Rückzug. Leadsom hatte in einem Interview mit der Londoner Times den Eindruck erweckt, sie würde sich für amtswürdiger halten, weil sie Mutter ist und May keine Kinder hat ( hier mehr dazu). Nun sagte sie, für sie gebe es nicht ausreichend Unterstützung.

Cameron hatte am 24. Juni angekündigt, seine Ämter in spätestens drei Monaten aufzugeben. Seitdem bewarben sich mehrere Konservative für die Spitzenämter, wobei sich die Brexit-Unterstützer Boris Johnson und Michael Gove schnell wieder zurückgezogen haben. Leadsom hatte das "Leave"-Lager unterstützt, May war auf der "Remain"-Seite.

Was nicht bedeutet, dass Letztere leidenschaftliche Europäerin ist. May zeigte stets unverblümt, wie skeptisch sie die Europäische Union sieht. Die Forderung nach einem Austritt Londons aus der Europäischen Menschenrechtskonvention goutierte sie erst im Frühjahr. Im Wahlkampf vor der Brexit-Abstimmung hielt sich May zurück, weshalb sie nun als unverbraucht und unbelastet gilt. Als Innenministerin verfolgte sie bislang eine ziemlich harte Linie, gerade wenn es um Migranten ging.

May wird nach der Tory-Ikone Margaret Thatcher die zweite Regierungschefin Großbritanniens. 1956 kam sie in Eastbourne zur Welt, einem Seebad in Sussex, direkt am Ärmelkanal. Nach einem Geografie-Studium in Oxford arbeitete sie bei der Bank of England, später bei einer Bankenorganisation, die für Geldtransfers zuständig ist.

Im Jahr 1997, als die Torys bei der Unterhauswahl gegen Tony Blairs New Labour verloren, ergatterte May erstmals einen Platz im House of Commons. Danach begann ein steter Aufstieg: 2002 wurde sie Generalsekretärin und attestierte ihrer Partei, diese sei "nasty" - also boshaft, ekelhaft und widerlich.

Eine Kandidatin nach Camerons Gusto

2010 ernannte Cameron die forsche Parteifreundin May zur Ministerin, später erklärte er sie zu einer möglichen Nachfolgekandidatin. Dass er ihr bald das Amt übergeben kann, ist wenigstens ein kleiner Erfolg für den am Brexit-Referendum grandios gescheiterten Premierminister.

Anerkennung bekommt May derzeit - noch - lagerübergreifend. Sogar die traditionell bissige Presse pries sie in den vergangenen Tagen als Politikerin mit Führungseigenschaften, als unabhängigen Kopf und als nach der Queen zweitmächtigste Frau des Vereinigten Königreichs.

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Die neue Premierministerin steht vor einer Mammutaufgabe. Gleich nach ihrem Amtsantritt wird es um das weitere Prozedere des EU-Austritts gehen. Eine Rolle rückwärts wird es mit ihr nicht geben, das macht sie in diesen Tagen immer wieder deutlich: Ein zweites Referendum oder einen Wiedereintritt, all solche Gedankenspiele lehnt May ab. Als Premierministerin wird sie den Brexit in Brüssel beantragen. Allerdings erst im kommenden Jahr.

Ein erster kleiner Erfolg

Gut möglich, dass sich May zu einer selbstbewussten wie wirkmächtigen Partnerin für Angela Merkel entwickelt, zu einer Konkurrentin auf Augenhöhe. Aber dazu muss sie Erfolg haben, was schwieriger denn je sein wird. Ob es Theresa May gelingen wird, die politischen und ökonomischen Schmerzen der Trennung abzumildern, muss sich zeigen.

Einen ersten kleinen Erfolg kann sie allerdings schon verbuchen: Als klar war, dass sie die einzige Kandidatin für Camerons Nachfolge ist, gewann das durch den Brexit arg lädierte britische Pfund an den Börsen wieder an Wert.

Ergänzung 18.15 Uhr: David Cameron scheint angesichts der baldigen Amtsübergabe an May sehr gelöst zu sein. Zumindest legt das eine Video-Sequenz nahe, die im Internet kursiert. Sie zeigt den scheidenden Premier am Ende seines Statements vor seinem Amtsitz in der Downing Street. Cameron hat vergessen, dass er noch ein Mikrofon angesteckt hat. Und so kann man hören, was er fröhlich von sich gibt auf dem Rückweg zur Haustüre: "Doo, doo, doo, doo."

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