Gaspreisbremse:Lasst sie Boni zahlen

Gaspreisbremse: Viele Unternehmen leiden unter hohen Gaspreisen. Dürfen sie noch Gewinne ausschütten, wenn der Staat ihnen hilft?

Viele Unternehmen leiden unter hohen Gaspreisen. Dürfen sie noch Gewinne ausschütten, wenn der Staat ihnen hilft?

(Foto: Rene Traut/IMAGO/Rene Traut)

Firmen, die von der Gaspreisbremse profitieren, sollen keine Gewinne ausschütten dürfen, finden manche. Das ist zu kurz gedacht.

Kommentar von Henrike Roßbach, Berlin

Es klingt nach einem echten Aufreger: Unternehmen, die von den finanziellen Erleichterungen durch die Gaspreisbremse profitieren, sollen trotzdem Boni zahlen und Dividenden ausschütten dürfen. Wie kann das sein? Staatshilfen in Anspruch nehmen und gleichzeitig Geld ausschütten? Ist das nicht ungeheuerlich?

Sie verstehe den Unmut darüber, sagt nun auch die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer. Boni- und Dividendenzahlungen zu erlauben, während die Gaspreisbremse greife, sei "nicht plausibel", findet sie. Die Regierung aber sieht das offensichtlich anders. Denn obwohl der Haushaltsausschuss des Bundestages ein Boni- und Dividendenverbot gefordert hat - zumindest unter Berücksichtigung "sinnvoller Kriterien" - findet sich im Gesetzentwurf dazu keine generelle Regelung.

Doch wie so oft im Leben ist auch hier die Lage viel weniger eindeutig, als es auf den ersten Blick erscheint. Ja, die Kombination aus staatlichen Energiepreishilfen auf der einen Seite und geldwerten Wohltaten für Eigentümer, Manager oder Aktionäre auf der anderen löst ein sofortiges und nachvollziehbares Ungerechtigkeitsempfinden aus. Tatsächlich aber gibt es ein paar ziemlich gute Argumente für die Position der Regierung.

Zunächst einmal ist es nicht so, dass in dem Gesetzentwurf des grünen Bundeswirtschaftsministers überhaupt kein Stoppschild für das Ausschütten von Gewinnen und die Zahlung variabler Vergütungen gesetzt wäre. Wenn der Staat als Kapitalgeber in ein Unternehmen einsteigt, um den Betrieb vor dem Kollaps zu retten, soll nämlich sehr wohl ein Dividenden- und Boniverbot greifen. Genauso wurde auch in der Corona-Krise mit dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds verfahren, der nun für die Strom- und Gaspreisbremse reaktiviert und mit frischen Kreditermächtigungen ausgestattet wurde: Wo der Staat Miteigentümer wird, Stichwort Lufthansa-Rettung, fließen keine Dividenden und werden keine Gewinne ausgeschüttet - außer, das ist der besondere Clou, an den Bund selbst.

Hinzu kommt: Ein generelles Dividenden- und Boniverbot könnte durchaus zu Abgrenzungsproblemen führen. Bei kleinen und mittelständischen Unternehmen etwa stellt sich schon die Frage, wie mit Gewinnentnahmen durch den Inhaber umgegangen werden soll. Wenn der Dachdeckermeister Gewinne aus seiner Firma entnimmt, um damit seinen Lebensunterhalt zu bestreiten: Darf er dann trotzdem die Gaspreisbremse nutzen? Oder ist das eine Gewinnausschüttung, die sich verbietet?

In manchen Unternehmen macht außerdem der Bonus den Großteil der Geschäftsführer- und Managergehälter aus. Man kann ein solches Entgeltkonstrukt natürlich grundfalsch finden. Trotzdem stellt sich die Frage, ob derartige Vergütungsmodelle automatisch zum Ausschluss von der Gaspreisbremse führen sollen.

Ganz grundsätzlich sollte man sich auch noch einmal die Natur der Gaspreisbremse vor Augen führen - und das Ziel, das mit ihr verfolgt wird. Sie ist gerade kein Rettungsanker, mit dem der Staat strauchelnde Konzerne vor dem endgültigen Zusammenbruch bewahrt. Hier werden nicht Tausende kleine und große Unipers durch den Einstieg des Staates aus höchster Not gerettet.

Die Gas- und Strompreisbremse ist vielmehr ein groß angelegtes staatliches Instrument, das der deutschen Wirtschaft in ihrer ganzen Breite helfen soll, es durch diese Energiekrise zu schaffen. Das Ziel ist es, den industriellen Kern des Landes zu erhalten, den Mittelstand und das Handwerk durch die Krise zu bringen, Kettenreaktionen und das Verschwinden ganzer Wirtschaftszweige zu verhindern. Allzu restriktiv gestrickte Hilfen bergen die Gefahr, dass dieses Ziel verfehlt wird.

Das Störgefühl in der Gerechtigkeitsregion der Magengrube ist verständlich. Ja, es werden auch Unternehmen die Entlastungen in Anspruch nehmen, die diese Hilfen nicht gebraucht hätten. Schnelligkeit und möglichst wenig Bürokratie gehen immer zu Lasten der Zielgenauigkeit. Das ist ein missliches, aktuell aber kaum zu überwindendes Dilemma. Gleichzeitig aber ist es auch eine Aufgabe. Denn manches Kriseninstrument könnte schärfer zugeschnitten werden, wenn Datenlage und Digitalisierung der Verwaltung es zuließen.

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