Untersuchungen bei Boeing und Spirit:Die gefährlichen Methoden der Flugzeugmechaniker

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Eigentlich war dieser Notausgang einer Boeing "737-9" mit einer Verkleidung verschlossen. Da Bolzen fehlten, fiel sie am 5. Januar während eines Fluges der Alaska Airlines einfach ab. (Foto: NTSB/via REUTERS)

Nach dem Alaska-Vorfall kritisieren Behörden zahlreiche Mängel in der Flugzeugproduktion bei Boeing und Spirit. Mechaniker sollen beim Einbau der Dichtungen sogar Hotel-Schlüsselkarten und Flüssigseife benutzt haben.

Von Jens Flottau, Washington

Die amerikanische Luftfahrtbehörde Federal Aviation Administration (FAA) hat offenbar an zahlreichen Stellen massive Mängel in der Flugzeugproduktion bei Boeing und dessen Zulieferer Spirit Aerosystem identifiziert. Einem Bericht der New York Times zufolge ist Boeing bei 33 von 89 Einzelpunkten einer Untersuchung durchgefallen, Spirit bei sieben von 13.

Die FAA hatte die Analysen nach einem schweren Zwischenfall mit einer Boeing 737-9 begonnen. Bei der Maschine der Alaska Airlines war am 5. Januar kurz nach dem Start in Portland/Oregon ein Rumpfteil herausgefallen, mit dem ein nicht benutzter Notausgang verschlossen werden sollte. Den Piloten gelang es, das Flugzeug wieder an seinem Ausgangsort zu landen. Das dabei nicht mehr passiert ist, war reines Glück - das Teil hatte sich in noch sehr niedriger Höhe und bei relativ geringer Geschwindigkeit gelöst, außerdem saß niemand in der Notausgangsreihe.

Die Unfalluntersuchungsbehörde National Transportation Safety Board (NTSB) war in ihrem vorläufigen Bericht, der standardgemäß nach 30 Tagen veröffentlicht werden musste, zu dem Ergebnis gekommen, dass Bolzen, mit denen die Türfüllung hätte verriegelt werden müssen, gefehlt haben. Der NTSB zufolge war das Bauteil in der Endmontage im Boeing-Werk Renton/Washington zunächst aus- und dann wieder (fehlerhaft) eingebaut worden, um einen anderen Defekt zu beheben. Ursprünglich gefertigt hatte das Teil der Boeing-Lieferant Spirit Aerosystems mit Sitz in Wichita/Kansas.

Die FAA hatte in der vergangenen Woche davon gesprochen, dass sie an zahlreichen Stellen Mängel in der Produktion entdeckt hatte, Details waren allerdings nicht bekannt worden. Die New York Times berichtet nun von einigen der Kritikpunkte: Unter anderem hätten die Mechaniker bei Spirit eine Hotel-Schlüsselkarte dafür genutzt, um eine Dichtung zu überprüfen. Beim Einbau der Dichtung hätten sie Flüssigseife verwendet, um das Material aufzuweichen. Mittlerweile hat das amerikanische Justizministerium strafrechtliche Ermittlungen gegen Boeing aufgenommen.

Wichtige Dokumente fehlen

Das NTSB kritisierte Boeing ebenfalls scharf. NTSB-Chefin Jennifer Homendy warf dem Unternehmen vor, wichtige Dokumente an die Behörde während der Untersuchung nicht freizugeben, was in der stark vom Sicherheitsgedanken geprägten Branche ein absolutes Unding ist. Die Unfallexperten wollten die Dokumentation der Tür-Reparatur sehen, um nachzuvollziehen, was wann schiefgelaufen ist. Doch Boeing konnte die Unterlagen nicht liefern und geht mittlerweile davon aus, dass die Mitarbeiter die Reparatur von vorneherein gar nicht dokumentiert hatten.

Unabhängig von dem Alaska-Vorfall verlangt die FAA nun bei mehreren Hundert Maschinen der Max-Serie Inspektionen an Kabelsträngen. Bereits Mitte 2023 hatte Boeing die Kunden dazu aufgefordert, nachdem sich bei einem Jet die Spoiler während des Fluges von alleine hoch- und runterbewegt haben. Die Spoiler sind oben an den Tragflächen montiert und werden während des Fluges dazu verwendet, die Maschine abzubremsen oder eine Kurve einzuleiten. Boeing hatte festgestellt, dass falsch montierte Kabelstränge abgenutzt waren und mutmaßlich die falschen Steuersignale verursacht hatten.

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