Black Friday:Viel zu viel und viel zu billig

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  • Rabatte sind am Black Friday das wichtigste Argument der Händler, Menschen zum Einkaufen zu bringen.
  • Doch viele kaufen an diesem Tag ihre Weihnachtsgeschenke, nur eben günstiger. Bei Händlern, die nur auf Rabatte setzen, leidet also das Weihnachtsgeschäft unter dem Black Friday.
  • Aber auch für Kunden kann der Tag problematisch sein, wenn sie sich von Rabatten blenden lassen.

Von Valentin Dornis

Gramgebeugt kniet der Mann vor einem Sarg, er blickt auf die Trauerschleifen eines Blumenkranzes. "Wert" und "Service" steht darauf. Er trage die Wirtschaftlichkeit zu Grabe, behauptet der Mann. Er nennt sich "Preisexperte" und hat ein Problem mit dem Black Friday, der wohl größten Rabatt-Aktion des heimischen Handels. Als Protest gegen diesen "schwarzen Tag für Wirtschaft und Gesellschaft" will er am Freitag mit seinem Sarg durch die Wiener Innenstadt ziehen.

Dem selbsternannten Preisexperten scheint es zwar in erster Linie um PR für seine eigene Expertise zu gehen, die vorab an die Presse verschickten Hochglanzfotos im Trauerumschlag deuten darauf hin. Doch es bleiben die Fragen, warum solche Rabatt-Tage so groß werden, und ob Händler und Kunden davon wirklich profitieren können. Der Black Friday, traditionell der Tag nach dem US-Feiertag Thanksgiving, ist in den vergangenen Jahren auch in Deutschland zumindest zu einem der umsatzstärksten Einkaufstage geworden.

In diesem Jahr rechnet der Handelsverband Deutschland (HDE) mit insgesamt 2,4 Milliarden Euro Umsatz am Freitag und dem darauffolgenden Montag, vom US-Versandhändler Amazon "Cyber Monday" getauft. Das sind 15 Prozent mehr als noch im vergangenen Jahr. Umfragen zeigen, dass die meisten Deutschen den Black Friday mittlerweile kennen. Und sie verbinden diesen Tag vor allem mit Rabatten, die Händler werben in diesem Jahr noch massiver mit Prozenten.

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Das funktioniert, weil der durchschnittliche Kunde eher faul ist. Zumindest aus Sicht derer, die ihm etwas verkaufen wollen. "Rabatte sind die beste Möglichkeit, Kunden zu motivieren", sagt der Wirtschaftspsychologe Gunnar Mau, Professor an der Uni Seeburg in Österreich. Er forscht zu Emotionen beim Einkauf und zu Menschen, denen sich besonders leicht etwas verkaufen lässt. Rabatte, sagt er, tricksen das Hirn aus: "Die meisten Menschen schauen nur auf das, was sie gewinnen, also die Ersparnis. Die Tatsache, dass sie immer noch Geld ausgeben, spielt dann eine untergeordnete Rolle."

Insofern können Rabatte eine gute Strategie sein, um Kunden ins Geschäft oder den Online-Shop zu locken - zumal, wenn viele Anbieter mitmachen und alles schon Tage vorher gespannt auf die Schnäppchenjagd wartet. Zu Beginn warben in Deutschland vor allem Elektronikhändler mit dem Black Friday. Mittlerweile sind es auch Schuhhändler, Drogerien und Modegeschäfte, sogar Möbelhändler wie Home24. Dessen Co-Chef Marc Appelhoff sagt: "Der Black Friday hat das Potenzial, der neue Winterschlussverkauf zu werden." Auch der HDE-Geschäftsführer Stefan Genth sagt, der Black Friday setze "einen wichtigen Umsatzimpuls im Weihnachtsgeschäft." Das klingt gut, genau genommen bedeutet es allerdings: Der Black Friday liegt aus Händlersicht ziemlich ungünstig. Denn viele Kunden nutzen diesen Tag schon für den Weihnachtseinkauf. Sie geben also Geld aus, das sie später ohnehin in die Läden getragen hätten - nur kriegen sie am Black Friday auch noch Rabatte dafür. Händler, die auf ein gutes Weihnachtsgeschäft angewiesen sind und am Black Friday nur auf Rabatte setzen, tun sich also keinen Gefallen damit.

Einkaufs-Ereignisse schaffen künstliche Anlässe

Schmerzhaft erlebte das im vergangenen Jahr der Konzern Ceconomy, zu dem die Elektronik-Ketten Media Markt und Saturn gehören. Diese machten zwar Rekordumsätze am Black Friday. Doch darunter litt das Weihnachtsgeschäft enorm. Der Black Friday dürfe nicht zu einem "reinen Discount-Event" werden, sagte Ceconomy-Chef Pieter Haas damals. Dabei ist genau das der Markenkern dieses Tages. Dieses Prinzip zu verändern, dürfte schwierig werden oder den Black Friday als Event überflüssig machen.

Was die Händler an den Rabatten so belastet, könnte für die Kunden eine Freude sein: Sie können ihre Weihnachtsgeschenke kaufen, nur eben günstiger. Doch so einfach ist es dann in der Regel doch nicht. Denn die Verlockung ist groß, an so einem Aktionstag Dinge zu kaufen, die man eigentlich nicht eingeplant hatte. Der Black Friday, aber auch der inzwischen größte Online-Shoppingtag "Singles Day" in China oder der Valentinstag schaffen künstliche Anlässe, einzukaufen. Und damit auch Druck, sich diese Gelegenheit nicht entgehen zu lassen. "Fomo" nennen Experten das. Die Abkürzung steht für "Fear of missing out", die Angst, etwas zu verpassen. Die wird umso stärker, je mehr Menschen man beobachten kann, die mitmachen.

Glücksgefühle können zum Kontrollverlust führen

Die Händler setzen zudem auf einfache Tricks, um Kunden zum Kauf zu bewegen. Künstliche Verknappung oder zeitliche Begrenzung hebeln die Vernunft aus. "In so einer Situation denken wir weniger über eine Entscheidung nach, wägen Kosten und Nutzen nicht so stark ab", sagt Wirtschaftspsychologe Gunnar Mau. Das klinge nach Stress, doch tatsächlich riefen diese Maßnahmen eher positive Emotionen hervor.

Schließlich wird man mit einem Erfolgserlebnis belohnt, zumindest im kapitalistischen Sinne - nämlich dem Kauf. Dieses Glücksgefühl kann allerdings, wenn man nicht aufpasst, zum Kontrollverlust führen, dem sogenannten Shopping-Momentum. Mit jedem Kauf steigt dann die Wahrscheinlichkeit, noch mehr zu kaufen. Und dann folgt das, was Gunnar Mau die "emotionale Erschöpfung" nennt: All die Käufe laugen einen aus, man ist gleichzeitig genervt vom Trubel und beglückt von seinen Einkäufen.

Doch wer sich diesen Effekten allzu sehr hingibt, kriegt hinterher einen emotionalen Kater: Wenn sich all die Waren daheim auf dem Tisch stapeln, meldet sich vielleicht das schlechte Gewissen. Und dann hat niemand etwas vom Black Friday: Die Kunden haben Dinge gekauft, die sie eigentlich gar nicht brauchen, und die Händler haben all diese Dinge viel zu günstig hergegeben.

© SZ vom 23.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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