Seit rund zehn Jahren befassen sich Gerichte mit dem "Recht auf Vergessenwerden" im Internet. Nun hat der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe einen wichtigen Schritt zur Klarstellung unternommen. Wer angebliche Falschinformationen über sich selbst aus den Trefferlisten der Suchmaschinen entfernen lassen will, der muss nachweisen können, dass die Behauptungen hinter dem Link offensichtlich unrichtig sind. Bloße Zweifel reichen laut BGH nicht aus, um beispielsweise Google zu veranlassen, entsprechende Ergebnisse aus ihrer Liste zu streichen.
Die beiden Kläger, ein Paar aus der Finanzdienstleistungsbranche, waren wegen mehrerer Artikel auf einer US-amerikanischen Website vor Gericht gezogen, und zwar gegen Google, nicht gegen die Betreiber der Website. Ein Anlagemodell, das sie mit ihren Firmen betrieben, wurde dort kritisch beleuchtet. Illustriert wurden die Texte mit Fotos, die den Kläger in einem Luxusauto, in einem Hubschrauber und vor einem Flugzeug zeigten, und die Lebensgefährtin im Cabrio. Das sollte den Eindruck unterstreichen, hier würden fragwürdige Finanzdienstleister im Luxus schwelgen. Umstritten war freilich auch das Geschäftsmodell der Website selbst: Ihr wurde vorgeworfen, sie wolle keineswegs Aufklärung betreiben, sondern ebensolche Finanzdienstleister erpressen. Genau dies machte das schillernde Paar geltend.
Korrekte Artikel müssen die Betroffenen hinnehmen
Aufgeklärt wurde dieser Vorwurf im BGH-Verfahren nicht, denn Google als Beklagter war nun mal für den Inhalt nicht verantwortlich. Die Betroffenen wollten aber unterbinden, dass bei Eingabe ihrer Namen in die Suchmaschine die inkriminierenden Artikel auftauchten. Der BGH hatte die Grundsatzfrage zunächst dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt. Dessen Antwort folgte im Dezember. Danach müssten Betroffene "relevante und hinreichende Nachweise" dafür vorlegen, dass der gelistete Inhalt offensichtlich unrichtig sei. Nur dann sei Google verpflichtet, dem Antrag auf Auslistung stattzugeben.
Daran schließt das Urteil des sechsten BGH-Zivilsenats an. Wäre der Inhalt der Artikel zutreffend, dann müsste das Paar sie ohne weiteres hinnehmen, stellte der Senatsvorsitzende Stephan Seiters klar. Der Suchmaschinenbetreiber müsse dies allerdings nicht von sich aus überprüfen, vielmehr seien die Betroffenen am Zug. Sie müssten "hinreichende und relevante" Hinweise dafür vorlegen, dass die Artikel falsch seien. Was das in der Praxis bedeutet, richtet sich dem BGH zufolge nach den konkreten Umständen. Die Worte des Gerichts legen nahe, dass man die Betroffenen hier nicht überfordern darf: Ihnen könne nur abverlangt werden, was im Einzelfall "zumutbar" sei.
Einen deutlich anderen Akzent setzt der BGH dagegen bei den sogenannten "Thumbnails", den Vorschaubildern, auf denen die Betroffenen ohne jeden Kontext abgebildet werden; auf die Inhalte stößt man erst, wenn man die Fotos anklickt. "Das Bild des Einzelnen ist eines der Hauptmerkmale seiner Persönlichkeit", sagte Seiters. Weil auf den "Thumbnails" aber der Inhalt fehlt, der das Zeigen der Fotos rechtfertigt - also der kritische Text über das Anlagemodell - , hat der BGH Google zur Löschung der Vorschaubilder verurteilt. Freilich waren sie im Verlauf des Verfahrens ohnehin schon ausgelistet worden.