Hollywood:Wann ist ein Film heute erfolgreich?

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Sie bringen Geld rein: Zoe Kravitz (l.) und Robert Pattinson im neuen Film "The Batman". (Foto: Jonathan Olley/AP)

Die amerikanischen Kinoketten haben für die Blockbuster "The Batman" und "Spiderman: No Way Home" die Preise erhöht. Auch angesichts einer Klage wegen des "Matrix"-Flops stellt sich die wichtigste Frage Hollywoods neu.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

134 Millionen Dollar. So viel hat das Superhelden-Spektakel "The Batman" am ersten Wochenende an den nordamerikanischen Kinokassen umgesetzt; so viel wie noch kein Film in diesem Jahr. Das Studio Warner Bros. hatte mit lediglich 90 Millionen Dollar gerechnet, und weil in Hollywood seit jeher die Regel "Jeder Dollar über den Prognosen ist gut, ein Cent darunter schlecht" gilt, ist dieses Ergebnis ein grandioser Erfolg. Es ist der erst zweite Film seit Beginn der Corona-Pandemie, der die 100-Millionen-Marke am ersten Wochenende gebrochen hat. Der andere, und das wird noch wichtig: "Spiderman: No Way Home" mit 260 Millionen kurz vor Weihnachten. "The Matrix: Resurrections" dagegen, auch das wird noch wichtig, war mit 21,1 Millionen Dollar angesichts einer 40-Millionen-Prognose enttäuschend.

Man muss die Zahlen mit Vorsicht genießen, denn: Die Kinokette AMC hat ihre Preise für "The Batman" erhöht, wie Geschäftsführer Adam Aron beim Gespräch mit Journalisten bestätigte: In der Filiale in Los Angeles zum Beispiel kostete ein Ticket 19,49 Dollar, gleichzeitig konnte man im gleichen Multiplex-Kino den Abenteuer-Film "Uncharted" für 17,99 Dollar sehen. Eine Abkehr von der amerikanischen Tradition, dass jedes Ticket zur gleichen Zeit gleich viel kostet; in manchen Multiplex-Kinos zahlt man sogar nur den Eintritt ins Kino und sucht sich erst dann Saal und Film aus.

Knapp ein Drittel der "Batman"-Erlöse in Nordamerika stammte von den 620 AMC-Kinos: 38,9 Millionen Dollar. Es lohnt nicht auszurechnen, wie viel mehr über erhöhte Preise zustande gekommen ist; man weiß ja nicht, wie viele Leute bei niedrigeren Preisen gekommen wären. Was in den USA zählt, ist der Gesamtumsatz, Punkt. Deshalb sagt Aron: "Wir haben diese mutige Entscheidung getroffen, und wir werden das auch künftig tun, wenn wir uns davon etwas versprechen."

In Hollywood wird nun über diese variablen Preise debattiert, die in Europa nicht ungewöhnlich sind. Aron sagt dazu: "Das tun wir dort schon seit Jahren; bessere Sitze kosten dort auch mehr. Das ist nur in den USA neu." Es wird auch debattiert, warum AMC so offensiv mit der Preissteigerung umgeht. Man übertreibt nicht, wenn man sagt, dass sich Aron feiert, als hätte er gerade Hollywood und Gotham City gleichzeitig gerettet: "Wir haben das Bat-Signal weltweit über unseren Kinos leuchten lassen, und was sind die Leute dem Zeichen gefolgt. Wir sind bereit, Risiken einzugehen und diese Branche anzuführen. Und wir sehen immense Chancen für uns, wenn wir weiterhin einfallsreich sind."

Ein Eimer Popcorn mit Karamell-Butter-Soße: 12,40 Dollar

Klar, Erfolge muss man feiern, gerade in der durch Corona arg gebeutelten Filmbranche; nur sind jetzt nicht alle glücklich darüber, wie offensiv Aron mit dem Ergebnis umgeht. Der hochrangige Manager eines Filmstudios, der seinen Namen in diesem Zusammenhang nicht in der Zeitung lesen will, sagt zur SZ: "Wer in aller Welt feiert sich öffentlich dafür, dass er die Preise erhöht hat?" Indirekt teile man den Leuten, die durch die Inflation gerade ohnehin verunsichert seien, dadurch mit: Hihi, haben wir Euch drangekriegt. Das sei eher töricht denn clever.

Der zweite Grund für Unmut: "Batman" erschien, als zum Beispiel in Los Angeles zahlreiche Covid-Regelugen gelockert wurden und die Leute wieder ohne Maske ins Kino durften. So einen Film muss man ja auf einer riesigen Leinwand sehen, in einem Saal mit sattem Sound, und für dieses Spektakel langte AMC nicht nur beim Eintritt hin. Ein Eimer Popcorn mit Karamell-Butter-Soße: 12,40 Dollar. Ein Softdrink-Liter: 7,79 Dollar. Der "Batman"-Cocktail: 16,33 Dollar. Ein Familien-Besuch im "Batman"-AMC-Kino kann also schnell mal so viel kosten wie eine Truck-Tankfüllung, die derzeit anerkannte Maßeinheit für so vieles.

Der dritte Grund für die Debatte: AMC hat seine Preise nicht erst für "The Batman" erhöht, und war nicht die einzige Kinokette, die das getan hat - wie die Zahlen der Box-Office-Analysefirma EntTellgence zeigen: Für "The Batman" verlangte AMC über Nordamerika-Filialen hinweg durchschnittlich 1,28 Dollar mehr, bei den Konkurrenten Regal Cinemas und Cinemark Theaters waren es 77 und 84 Cent. Bei "Spiderman" verlangten sowohl AMC (71 Cent), Regal (82 Cent) und Cinemark (56 Cent) mehr als für andere Filme zur gleichen Zeit. Es war also eher ein Superhelden-Blockbuster-Preisanstieg bei allen Multiplex-Betreibern und kein ausgebuffter, exklusiver Schachzug von AMC. Vor allem fand sie im heimlich statt, quasi im Schatten, erst die Jubelei von Aron warf Scheinwerferlicht darauf.

Man muss all das im größeren Zusammenhang betrachten, der letztlich in der einen Frage gipfelt: Wie misst man heutzutage den finanziellen Erfolg von Filmen? Was bewerten die Produzenten als Erfolg? Und wie nimmt man überhaupt am meisten ein? Das führt zu "The Matrix: Resurrections", und eines vorneweg: Es ist völlig egal, ob man den Film im Kinosaal oder daheim auf der Couch sieht; die Handlung ist an beiden Orten unoriginell, uninspiriert und unlogisch. Daran kann es nicht liegen, dass die Village Roadshow Entertainment Group (VREG) ihren langjährigen Partner, das Filmstudio Warner Bros. (ja, das von "The Batman") verklagt hat.

Ganz konkret geht es darum, dass die Renaissance des "Matrix"-Franchise in nordamerikanischen Kinos bislang insgesamt 37,6 Millionen Dollar eingespielt hat - ein scheinbar verheerendes Ergebnis angesichts von Produktionskosten in Höhe von 190 Millionen Dollar; da hilft es auch nicht, dass die Einnahmen im Rest der Welt bei 118,9 Millionen Dollar liegen. In der Klageschrift, die der SZ vorliegt, heißt es, das Ergebnis in Nordamerika liege daran, dass Warner den Film gleichzeitig auf HBO Max veröffentlicht hatte - um dieses Streamingportal zu stärken, das wie das Filmstudio zum Telekom-Konzern AT&T gehört.

Die Pandemie beschleunigte die Digital-Strategie

Vereinfacht ausgedrückt wurden Filme bis vor zehn Jahren so finanziert: Produzenten sammelten Geld ein für ein Projekt, und hofften, dass dieses Geld über die traditionellen Vertriebswege eingespielt wird (Kino, Home-Entertainment wie DVD-Verkauf, TV-Rechte - bei Franchises wie "Matrix" noch: Spielzeug, Videospiele, Spinoffs wie TV-Serien). Es entstanden Partnerschaften wie jene zwischen VREG und Warner, die innerhalb von 25 Jahren insgesamt 91 Projekte gemeinsam finanzierten - für mehr als 4,5 Milliarden Dollar. Das war wichtig, weil auf diese Weise Mega-Erfolge wie etwa die erste "Matrix"-Trilogie, "Sherlock Holmes" oder "Joker" die Verluste von Flops wie "King Arthur: The Legend of the Sword" oder "Jupiter Ascending" ausglichen.

Für die Produzenten veränderte sich wegen der Disruption der Unterhaltungsbranche durch Streamingportale - wieder vereinfacht ausgedrückt - das Geschäftsmodell. Wenn Netflix etwa 75 Millionen Dollar für den Film "Don't Look Up" zahlt, dann bedeutet das Planungssicherheit für die Produzenten, aber auch kaum Aussicht auf höheren Gewinn. Es heißt, dass es Boni gebe, allerdings ist Netflix da nicht besonders gesprächig, so wie das Unternehmen nur dann Zuschauerzahlen veröffentlicht, wenn es in die Konzern-Kommunikation passt.

Dann kam die Corona-Pandemie und rüttelte alles noch mal viel stärker durcheinander.

Die Leute konnten nicht ins Kino, viele Konzerne beschleunigten deshalb ihre Digital-Strategie. Warner Bros. gehört seit 2018 zu AT&T, im April soll es mit Discovery fusionieren. Das ist Teil von "Project Popcorn", um mit HBO Max einen Konkurrenten zu Netflix, Amazon Prime und Hulu aufzubauen. Die "Matrix"-Fortsetzung war die ideale Gelegenheit für einen Schubser in diese Richtung. Das Ergebnis in nordamerikanischen Kinos, einst die Heilige-Gral-Zahl, ist mittlerweile nur eine Nummer von vielen. Für die Zuschauer bedeutet das mehr Auswahl: Sie konnten bei "Matrix" zwischen Kinosaal und Couch wählen, bei "Spiderman" und "Batman" zwischen Preismodellen. AMC bietet etwa auch einen Abo-Service an, verlangt für Online-Reservierungen aber einen Aufschlag von etwa zehn Prozent. Das bedeutet aber auch mehr Verwirrung und auch Ärger, wenn man erfährt, dass die Sitznachbarn wegen der Preismodelle weniger bezahlt haben als man selbst.

Die Branche befindet sich noch immer im Umbruch, und, das zeigen diese Debatte über variable Preise und die Klage gegen Warner Bros wegen des "Matrix"-Ergebnisses: Die Protagonisten ziehen nicht an einem Strang, geschweige denn in eine Richtung. Fest steht: AMC hat sich kürzlich 950 Millionen Dollar von Investoren geholt, um kurzfristige Schulden abzahlen zu können. Insgesamt liegen die Schulden derzeit bei mehr als fünf Milliarden Dollar, der Aktienkurs ist in diesem Jahr um 40 Prozent gesunken. Der Konzern kann gute Nachrichten derzeit wirklich gebrauchen, und siehe da: Als die "Batman"-Zahlen (und Arons Jubel darüber) bekannt wurden, stieg die Aktie kurzfristig um mehr als zehn Prozent.

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