Bankensterben:Drei Kunden pro Vormittag sind einfach zu wenig

Schliessung von Bankfilialen 10 08 2018 Berlin GER Entfernter Schriftzug einer ehemaligen Filial

Die Chefs einiger Banken berichten davon, dass in manche Filiale am Vormittag nur noch zwei oder drei Kunden kämen. Das rentiere sich einfach nicht mehr.

(Foto: imago/Dirk Sattler)
  • Die Zeiten, in denen man sein Geld noch ganz selbstverständlich zur Bank getragen hat, sind vorbei.
  • In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Zahl der Filialen in Deutschland halbiert.
  • Auch die Deutsche Bank und die Commerzbank werden nach dem Scheitern ihrer Fusion Stellen und Filialen abbauen.

Von Harald Freiberger und Markus Zydra

Wie sehr sich die Zeiten am Bankschalter geändert haben, zeigt dieser historische Werbefilm der Sparkassen, der sich auf Youtube finden lässt. Es sind wohl die späten 1950er-Jahre in Deutschland, ein Zeichentrickmännchen mit streichholzdürren Beinchen und einer Ein-Pfennig-Münze als Kopf klettert immer wieder in die Geldbörse. Der Film ist schwarz-weiß, und im Hintergrund ist ein Vierzeiler zu hören: "Wertbeständig bleibt dein Geld, wenn's die Sparkasse erhält. Wo ersparter Pfennig sicher liegt und von selber Junge kriegt. Und ist es erst ein ganzer Haufen, kannst du dafür ein Landhaus kaufen."

Früher hat man sein Geld noch ganz selbstverständlich zur Bank getragen. Den Inhalt der Lohntüten dort einbezahlt, das Sparschwein geschlachtet und sich Bargeld geholt. Man fragte dort um Kredit für einen Neuwagen, verhandelte die Hausfinanzierung. Die Filiale war der Treffpunkt für Geldgeschäfte und gehörte genauso zum Ortszentrum wie Kirche und Wirtshaus. Doch in den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Zahl der Filialen in Deutschland halbiert. Die Fusion von Deutscher Bank und Commerzbank ist vom Tisch, auch weil sich die Gewerkschaften gegen die geplanten massenhaften Schließungen von Filialen wendeten.

Doch auch getrennt werden die beiden Großbanken Stellen und Filialen abbauen. In Deutschland gibt es rund 1600 Banken, so die Beratungsfirma Oliver Wyman in ihrer Studie zum deutschen Bankenmarkt. In Frankreich sind es nur halb so viele. Das bedeutet, dass in Deutschland auch künftig Banken verschwinden oder zu größeren Einheiten fusionieren werden. "In den kommenden zehn Jahren werden nicht alle Filialen wegfallen, aber vielleicht in den kommenden 50 Jahren", sagt Gökhan Öztürk, Partner bei Oliver Wyman. Bestimmte Geschäfte wie Anlageberatung, sehr hohe Geldüberweisungen und der Hauskauf würden auch in den nächsten Jahren weiter über die Filialen laufen.

Aber für viele andere Transaktionen wird die Zweigstelle nicht mehr gebraucht. Bargeld bekommen Kunden am Automaten, aber auch im Supermarkt an der Kasse. Überweisungen machen sie online. Die Vermittlung von Krediten läuft über Vergleichsportale im Internet. Die großen Banken stellen sich zwar in den Metropolen weiter in Repräsentanzfilialen zur Schau. Auf dem Land aber wird die Versorgung immer dünner. Es fängt damit an, dass die Filiale nur vormittags oder an drei Tagen in der Woche öffnet. Irgendwann schließt sie ganz. So verloren in den vergangenen Jahren Tausende Orte und Stadtteile in Deutschland ihre eigene Bank.

Meist sind es Zweigstellen der Sparkassen sowie Volks- und Raiffeisenbanken, die in kleinen Orten schließen. Die Chefs dieser Institute berichten davon, dass in manche Filiale am Vormittag nur noch zwei oder drei Kunden kämen. Für die Bank rentiere sich das einfach nicht mehr. Im Übrigen sei es auch für die Mitarbeiter frustrierend, wenn sie nur noch herumsäßen. Sie wollten lieber in einer Filiale arbeiten, in der noch Leben ist.

Neuester Trend ist die Bank in der Hosentasche

Es gibt einige Faktoren, die den Prozess in den vergangenen Jahren beschleunigt haben. Da ist die Finanzkrise, die das Vertrauen in den Bankensektor nachhaltig zerstört hat. Viele unbedarfte Kunden merkten erst da, dass der freundliche Bankberater mehr auf eigene Rechnung arbeitet und ihnen riskante Wertpapiere angedreht hatte mit dem Versprechen, diese seien sicher. Zugleich kommen die Banken wegen der seit Jahren niedrigen Zinsen immer mehr unter Druck; sie müssen Kosten sparen, und ein bewährtes Mittel dafür ist es, unrentable Filialen zu schließen.

Hinzu kommt die Revolution durch Online- und Digitalbanken. Vor gut 20 Jahren fingen die ersten an, Bankgeschäfte übers Internet anzubieten. Inzwischen haben Institute wie ING, Comdirect oder DKB Kunden in zweistelliger Millionenhöhe. Diese schätzen es, Überweisungen von der Couch aus zu erledigen und dafür nicht mehr in die Filiale laufen zu müssen.

Neuester Trend ist die Bank in der Hosentasche. Die erfolgreichste von ihnen heißt N26, sie bietet alle Geschäfte übers Smartphone an und hat zwei Millionen Kunden. Doch die Bequemlichkeit hat ihren Preis. Erst jüngst wurde bekannt, dass N26 Probleme mit gefälschten Konten und dem Kundenservice hat. Das Start-up ist schneller gewachsen als die Qualität seiner Prozesse. Die Zeiten haben sich wirklich geändert seit den Tagen, da der Pfennig noch sicher lag und von selber Junge kriegte.

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