Commerzbank:Im Abstiegskampf

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Der Aschheimer Zahlungsdienstleister Wirecard ist auf bestem Weg, die Commerzbank im Dax zu ersetzen. Deren Chef Martin Zielke gibt offen zu, dass Banken sich künftig gegenseitig die Kunden abluchsen werden.

Von Meike Schreiber und Jan Willmroth, Frankfurt

Martin Zielke ist ein Manager im Abstiegskampf. Es müssten Wunder passieren an den verbleibenden Augusttagen, damit die Commerzbank nicht aus dem Dax absteigt. Am 5. September wird sich entscheiden, wie sich der deutsche Leitindex künftig zusammensetzt, und seit Wochen sieht alles danach aus, als werde der Zahlungsabwickler Wirecard aus Aschheim die Commerzbank ersetzen, jenes teilstaatliche Geldinstitut im Dauerumbau, das Zielke seit 2016 führt.

Dieser Wechsel ist zum Sinnbild geworden für die Zeitenwende in der Finanzindustrie, in der Investoren einer Technologiefirma mit Banklizenz mehr zutrauen als einer 148 Jahre alten Bank mit mehr als einem Dutzend Millionen Kunden.

Es gehört zu Zielkes Stellenprofil, sich mit diesem Wandel auseinanderzusetzen, und natürlich hat er sich vorbereitet auf Fragen zum Dax-Ausstieg, als er diese Woche in Frankfurt vor Journalisten spricht. "Finde ich das toll?", fragt er zurück. "Nee". Wichtig aber sei doch, dass die Commerzbank für die Realwirtschaft relevant bleibe. Stimmt auch: Das Frankfurter Institut wickelt allein 30 Prozent der deutschen Exportfinanzierung ab, keine einzelne Bank finanziert so viele deutsche Mittelständler. Das allein aber reicht nicht mehr. "Wir erleben nicht zufällig den Aufstieg eines Technologieunternehmens", sagt Zielke.

Im Lauf der Woche war Wirecard an der Börse erstmals mehr wert als die Deutsche Bank, das größte Geldinstitut des Landes, und gleichzeitig mehr als doppelt so viel wie die Commerzbank. Ausgerechnet diese Entwicklung zeige aber, dass die Commerzbank auf dem richtigen Weg sei mit dem Ansatz, die Bank "technologisch weiterzuentwickeln", sagt Zielke. Bis Ende 2020, so das Ziel, sollen mindestens 80 Prozent der Geschäftsabläufe digitalisiert werden. "Wir sollten nicht so tun, als wäre das Thema Technologie jetzt etwas, das vor uns liegt", sagt er. "Banken sind schon lange Tech-Unternehmen." Nur haben sie in den zehn Jahren seit der Finanzkrise viel Zeit verloren, sie ließen Lücken, in die Technologiekonzerne vorgedrungen sind.

Nicht zufällig tritt der Bankchef an diesem Abend im "Main Incubator" auf, einer Art Forschungszentrum des Commerzbank-Konzerns. Hier lässt sich Zielke regelmäßig Zukunftsthemen wie die Blockchain-Technologie zeigen, oder wie man Bankgeschäfte in die Cloud auslagert, also an externe Anbieter von Rechenleistung. Das Zentrum im Frankfurter Bahnhofsviertel ist eine Spielwiese für das, was die Commerzbank in Zukunft sein könnte, für das, was die Bank gern vorzeigt.

In der Gegenwart bleibt sie ein Institut im Umbau, in dem viele Mitarbeiter mehr mit sich selbst beschäftigt sind als mit dem Geschäft. Das macht sich vor allem im Mittelstandsgeschäft, einem wichtigen Ertragsbringer der Bank, bemerkbar. Zielke hat zwei Sparten zu einer zusammengelegt, weswegen sich viele Mitarbeiter dort nun erst einmal neu zu sortieren scheinen. Die Einnahmen stagnieren, besagte Sparte gilt allmählich als Problemfall. Aber auch im Geschäft mit Privatkunden hapert es: Der Commerzbank fällt es zusehends schwerer, über ihre umgestalteten Filialen neue Kunden zu gewinnen. Wäre da nicht der Erfolg der Direktbank-Tochter Comdirect, würde die Commerzbank womöglich ihr Ziel verfehlen, bis 2020 etwa zwei Millionen neue Kunden anzulocken.

Zielke macht keinen Hehl draus, dass er zwingend auch Kunden von Konkurrenten abwerben muss. Im Bankgeschäft werde zwar absolut so viel erwirtschaftet wie in keiner anderen Branche weltweit, der Markt aber wachse nicht mehr. "Heute regnet es keinen Brei mehr. Sie müssen auch bei Ihrem Nachbarn auf den Teller langen", sagt er. Am Ende werde weniger für alle da sein. "Und es wird nicht viele geben, die sich auf ihren Teller greifen lassen."

Wirecard zum Beispiel ist so ein Unternehmen, das sich wohl kaum "auf den Teller greifen" lassen wird. Für 2018 erwartet die Tech-Firma erneut höhere Gewinne, wie sie am Donnerstag mitteilte. Die Aktien schossen daraufhin um acht Prozent in die Höhe - ein Kursanstieg, der bei der Commerzbank eher selten vorkommt. Doch Wirecard, ein Rivale? Zielke will sich erkennbar keine Blöße geben. "Wirecard ist einer unserer großen Kunden. Wir sind Partner", sagt er. Und lächelt freundlich.

© SZ vom 17.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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