Automanager:Dieter Zetsche hat Daimler vor dem Absturz bewahrt

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Dieter Zetsche gibt seinen Posten als Vorstandsvorsitzender der Daimler AG im Mai 2019 auf. (Foto: dpa)

Auch wenn es einige so darstellen: Der Daimler-Manager muss nicht gehen, weil er schlechte Arbeit geleistet hat. Im Gegenteil, er hat geschafft, was andere Manager nicht hingekriegt haben.

Kommentar von Karl-Heinz Büschemann

Es ist merkwürdig, wie angestrengt manch vermeintliche Experten gerade zu erklären versuchen, dass es bei Daimler zur frühzeitigen Ablösung des Chefs kommt, was das geplante Ausscheiden von Dieter Zetsche mit der Dieselkrise zu tun haben könnte und ob er wohl gehen muss, weil er technologische Entwicklungen übersehen hat. Das sind erstaunliche Debatten. Zetsche wird bei der Übergabe seines Postens an Ola Källenius im Frühjahr mit 66 Jahren in einem Alter sein, in dem andere längst in Rente sind. Und er hat den Job dann 13 Jahre lang gemacht. Das sollte reichen.

Zetsche gehört zu denjenigen Managern, die manches schafften, was andere nicht hingekriegt haben. So war es Zetsche, der den Daimler-Konzern vor dem Absturz bewahrte, nachdem der damalige Konzernchef Jürgen Schrempp die Fusion der Stuttgarter mit dem US-Konzern Chrysler durchgepaukt und Daimler an den Rand des Abgrunds geführt hatte. Nach Jahren des Führungschaos im deutsch-amerikanischen Konzern schickte Schrempp den Mann mit dem Schnauzbart als Chrysler-Chef nach Detroit. Und siehe da, er schaffte, was gar nicht mehr möglich schien: Aus der unguten transatlantischen Dauerkonfrontation wurde eine ruhige Partnerschaft. Zetsche wurde von den Amerikanern sogar geliebt, obwohl er harte Entscheidungen bei Kosten und Arbeitsplätzen traf. Oder gerade deswegen. Denn Zetsche erklärte den Mitarbeitern das Unvermeidbare und wurde damit zum Vorbild für Glaubwürdigkeit.

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Dass die zerstörerische Chrysler-Episode mit ihren Horrorverlusten für Daimler heute praktisch vergessen ist, hat auch mit Zetsche zu tun. Gerade noch rechtzeitig vor der Finanzkrise, welche die Lage bei Chrysler noch verschärfen sollte, stieß Zetsche den amerikanischen Dauerfremdkörper ab. Und nach den Chrysler-Jahren, die viele Milliarden und gewaltige Managementkraft kosteten und das Unternehmen um viele Jahre zurückwarfen, schaffte er es, den Stuttgarter Traditionskonzern zu beruhigen. Dabei konnte es nicht ausbleiben, dass mit dieser Auszehrung die Modelpallette von Daimler vernachlässigt wurde und bald als nicht mehr konkurrenzfähig erschien. Die stolze Marke mit dem Stern fiel hinter BMW und Audi zurück. Doch auch diese Scharte ist längst wieder ausgewetzt.

Natürlich fallen auch Schatten auf Zetsches Wirken. Die Bilder des Daimler-Chefs, der wiederholt mit starrem Blick vor dem Bundesverkehrsministerium in Berlin vorfährt und mit ebenso finsterem Ausdruck wortlos wieder abfährt, nachdem er sich beim Minister einen Rüffel abgeholt hat, zeugen davon, dass auch ihm die Dieselkrise zusetzt. Razzien in den Büros des Konzerns vermitteln den katastrophalen Eindruck, dass auch Daimler Dreck am Stecken hat.

Schwierig ist auch zu beantworten, ob Zetsche bei der Zukunftsstrategie für Daimler genug getan hat. Wahrscheinlich nicht. BMW beispielsweise ist beim Thema Elektromobilität deutlich weiter, aber zumindest haben die Stuttgarter auf absehbare Zeit noch die Chance, ein Wörtchen mitzureden.

Die Mischung aus Härte und Klarheit ist selten geworden

Von Zetsche wird bleiben, dass er einen Managementstil pflegte, der notwendige Härte und wünschenswerte Klarheit zu einer Mixtur macht, die den Mitarbeitern das Gefühl gibt, ernst genommen zu werden. Diese Art zahlt sich aus, wenn es in Krisen darum geht, dass ein Konflikt zwischen Arbeitnehmern und Konzernführung nicht außer Kontrolle gerät. Das Unternehmen bleibt arbeitsfähig und findet idealerweise sogar den Weg nach vorn. Das ist selten geworden und ein guter Grund, diesen Mann an die Spitze des Aufsichtsrates aufrücken zu lassen.

Übrigens lässt sich auch so das leicht verfrühte Ausscheiden Zetsches aus dem Chefbüro erklären: Daimler hat ein Problem im Aufsichtsrat und braucht für das Gremium dringend einen neuen Vorsitzenden. Diesen Posten kann Zetsche nach der vorgeschriebenen Wartezeit von zwei Jahren ohnehin erst nach der Hauptversammlung im Frühjahr 2021 von Manfred Bischoff übernehmen, der dann stolze 79 Jahre alt sein wird. Gerade erst hat der BASF-Konzern seinen Führungswechsel nach der gleichen Arithmetik vollzogen. Solch ein Abschied in Ehren dürfte das stärkste Argument gegen die Vermutung sein, dass Zetsche gehen muss: Die Abrechnung mit einem Chef, der zu viele Fehler gemacht hat, sieht anders aus.

© SZ vom 28.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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