Auto:Kartellamt: Derzeit kein Auto-Verfahren

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Fertigungsstrecke in einem Autowerk. Den deutschen Autobauern droht durch Kartellvorwürfe ein weiterer Skandal. (Foto: Julian Stratenschulte)

Bonn (dpa) - Nach dem "Spiegel"-Bericht über ein seit vielen Jahren bestehendes Kartell deutscher Autobauer führt das Bundeskartellamt derzeit kein offizielles Verfahren.

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Bonn (dpa) - Nach dem „Spiegel“-Bericht über ein seit vielen Jahren bestehendes Kartell deutscher Autobauer führt das Bundeskartellamt derzeit kein offizielles Verfahren.

Es lägen jedoch „Informationen“ zu möglichen Absprachen im technischen Bereich vor, erklärte die Behörde in Bonn. Auch die EU-Kommission habe Einblick. Die Brüsseler Wettbewerbshüter hatten dies bereits am Samstag mitgeteilt.

Im Rahmen einer Mitte 2016 durchgeführten Durchsuchungsaktion zum Einkauf von Stahl durch die Automobil- und Autozuliefer-Industrie gebe es jedoch ein laufendes Verfahren, bekräftigte das Kartellamt. Damals seien sechs Unternehmen unter die Lupe genommen worden.

Der Kartellverdacht mit möglichen Schäden für Kunden und Zulieferer erhöht den Druck auf die deutschen Autobauer, die schweren Vorwürfe möglichst rasch aufzuklären. Sowohl aus dem Gewerkschaftslager und von Betriebsräten als auch aus Politik und Forschung mehren sich entsprechende Stimmen.

IG-Metall-Chef Jörg Hofmann fordert die Branche in der „Welt“ (Montag) zu Transparenz auf: „Wir verlangen eine vollumfängliche Aufklärung der Vorgänge. Klar ist, dass das deutsche und europäische Kartellrecht nicht verletzt werden darf und Absprachen zu Lasten von Verbrauchern sowie des Klima- und Umweltschutzes völlig inakzeptabel wären.“ Der Gewerkschafter ist auch Mitglied des Volkswagen-Aufsichtsrats.

Der „Spiegel“ hatte zuvor über ein angebliches Autokartell berichtet. Demzufolge sollen Vertreter von VW, Audi, Porsche, BMW und Daimler sich schon seit den 90er Jahren gemeinsam über Technik, Kosten und Zulieferer verständigt haben. Die EU-Kommission prüft Hinweise dazu. Es könnte auch eine Verbindung zu Diesel-Affäre geben, falls es Absprachen über zu kleine Tanks für AdBlue gegeben haben sollte. Dieser Stoff kann Stickoxide aus Abgasen effizienter entfernen.

Treffen die Vorwürfe zu, steht illegales Kartellverhalten im Raum. Damit können etwa Preise gegenüber Kunden künstlich hoch gehalten oder gegenüber Zulieferern gedrückt werden. Daimler sprach von „Spekulationen“, VW-Chef Müller in der „Rheinischen Post“ von „Sachverhaltsvermutungen“. BMW stellte mit Blick auf die AdBlue-Tanks jedoch klar: „Den Vorwurf, dass aufgrund zu kleiner AdBlue-Behälter eine nicht ausreichende Abgasreinigung in Euro-6-Diesel-Fahrzeugen der BMW Group erfolgt, weist das Unternehmen entschieden zurück.“

Der Betriebsrat von Volkswagen dringt auf eine außerordentliche Aufsichtsratssitzung. Ein Sprecher sagte der Deutschen Presse-Agentur am Sonntag: „Der Vorstand ist in der Pflicht, das Aufsichtsgremium umfassend zu informieren. Das ist bislang nicht geschehen.“

Die Grünen verlangen ein Sondertreffen des Verkehrsausschusses im Bundestag. Beantragt werde „eine kurzfristig einzuladende Sondersitzung für Ende Juli“, kündigte Verkehrsexperte Oliver Krischer an. Man wolle so Klarheit über die möglichen „Machenschaften des Autokartells“ bekommen, die - sollten sie sich bestätigen - „ungeheuerlich“ seien. SPD-Verkehrsexpertin Kirsten Lühmann sprach von einer größeren Dimension der Abgasaffäre als bisher bekannt.

Der „Spiegel“ stützte seine Darstellung auf einen Schriftsatz, den VW auch für Audi und Porsche bei den Wettbewerbshütern eingereicht haben soll. Daimler habe ebenfalls eine „Art Selbstanzeige“ hinterlegt. Das Bundeskartellamt erklärte: „Details laufender Verfahren können wir nicht kommentieren.“ Konkreter Hintergrund der neuen Vorwürfe sind dem Bericht zufolge Ermittlungen wegen des Verdachts auf Absprachen von Stahlpreisen, im Sommer 2016 hatte es Durchsuchungen gegeben.

FDP-Chef Christian Lindner nannte den Verdacht schockierend. „Sollte sich der Kartell-Verdacht erhärten, darf diese Aushebelung marktwirtschaftlicher Prinzipien nicht folgenlos bleiben.“ Der Umweltverband BUND forderte „ein sofortiges Verkaufsverbot für alle Pkw, welche Grenzwerte auf der Straße nicht einhalten“. Autoexperte Stefan Bratzel bekräftigte, „dass in großen Teilen der Autoindustrie ein ethisch-organisatorischer Kulturwandel stattfinden muss“.

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