Atomkonzerne gegen Bundesregierung:Poltern statt schmusen

Lesezeit: 3 min

RWE-Chef Jürgen Großmann und Eon-Boss Johannes Teyssen haben sich stets unterschiedlich präsentiert: der Erste als Polterer, der Zweite als Diplomat. Nun klagt ausgerechnet Eon gegen die Brennelementesteuer. Was bedeutet das für das Verhältnis zwischen Politik und Atombranche?

Johannes Aumüller

In den vergangenen Monaten waren die Rollen zwischen den beiden größten deutschen Energiekonzernen eindeutig verteilt. Auf der einen Seite der Essener Konzern RWE mit seinem Boss Jürgen Großmann, der sich gerne polternd in die Auseinandersetzungen mit der Politik wirft und der schon während des Atommoratoriums eine Klage gegen die Abschaltung des hessischen Kraftwerkes Biblis A einreichte. Und auf der anderen Seite das Düsseldorfer Unternehmen Eon mit seinem Chef Johannes Teyssen, der eher diplomatisch wirkt.

Da war die Welt für die Atomkonzerne noch in Ordnung: RWE-Chef Dietmar Großmann und Eon-Boss Johannes Teyssen nach dem Beschluss über die Laufzeitverlängerung 2010 im Gespräch mit Kanzlerin Angela Merkel (von links nach rechts). (Foto: REUTERS)

Doch diese Rollenverteilung zwischen "bad guy" und "good guy" ist nach dem beschlossenen Atomausstieg der Bundesregierung passé. Am Dienstagabend kündigte Eon in einer Pressemitteilung eine Klage gegen die Brennelementesteuer an - und formulierte zugleich die Erwartung, für das frühere Abschalten der Kernkraftwerke einen finanziellen Ausgleich zu erhalten. Teyssen, der Diplomat, schwenkt auf die Linie von Großmann, dem Polterer, um. Das Signal dieses Schrittes ist eindeutig: Die Konfrontation im Verhältnis zwischen Politik und Atombranche nimmt zu.

Hinter dem Zeitpunkt der Eon-Klage steckt Folgendes: Der Konzern muss demnächst eines seiner Kraftwerke mit neuen Brennstäben befüllen - genau dann wird die Steuer fällig. Bis kurz vor dem nächtlichen Gipfel im Kanzleramt hatten die Kraftwerksbetreiber gehofft, dass bei einer Laufzeitverkürzung wenigstens die Brennelementesteuer kippt; immerhin, so das Argument der Energiekonzerne, sei diese ja im Zuge der 2010 beschlossenen Laufzeitverlängerung eingeführt worden. Doch selbst die Fürsprache von Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer und anderen hochrangigen Politikern nutzte nichts: Die Steuer bleibt, und soll dem Staat 1,3 Milliarden Euro jährlich bringen - zur Sanierung des Atomlagers Asse und zur Haushaltskonsolidierung.

Eon besitzt die nun abgeschalteten Kraftwerke Isar 1 und Unterweser sowie die noch laufenden Meiler Brokdorf, Grafenrheinfeld, Grohnde und Isar 2 und ist daneben noch an weiteren beteiligt. Damit sind die Düsseldorfer der größte deutsche Kraftwerksbetreiber und entsprechend am intensivsten von der Brennelementesteuer betroffen. 145 Euro je Gramm Kernbrennstoff beträgt die Steuer, nach Berechnungen des Öko-Institutes müsste Eon jährlich knapp 600 Millionen Euro zahlen. Macht bis 2016, dem angepeilten Ende der Steuer, also etwas mehr als 3,5 Milliarden Euro.

Trotz der finanziellen Argumente ist es überraschend, dass sich nun Teyssen so einlässt. Gewiss, er hatte schon beim Beschluss der Brennelementesteuer im August 2010 juristische Bedenken angemeldet. Aber musste er in der jetzigen Situation zwingend so vorpreschen - oder wäre auch eine andere Lösung möglich gewesen? Wollte Teyssen mit diesem Schritt vielleicht im Kreis der Atomlobby an Einfluss und Ansehen zulegen? Schließlich hatte er sich zuletzt anhören müssen, auf einen Schmusekurs mit der Bundesregierung gegangen zu sein. Von Schmusekurs kann keine Rede mehr sein.

Die Summen der Brennelementesteuer sind allerdings noch vergleichsweise überschaubar im Vergleich zu den Folgen der Laufzeitverkürzung. Ein abgeschriebener Meiler, so heißt es, mache bei laufendem Betrieb einen Gewinn von einer Million Euro täglich. Die Atomkonzerne wollen diese Zahl nicht kommentieren, klar ist jedoch: Abgeschriebene Meiler sind Gelddruckmaschinen, und um die Einnahmen aus diesen Gelddruckmaschinen fürchten die Konzerne nach dem Ausstiegsbeschluss.

Dabei kommt die Regierung den Konzernen schon weit entgegen und erlaubt ihnen, die Reststrommengen der während des Moratoriums abgeschalteten alten Meiler auf die übrigen Kraftwerke zu übertragen. Eine mögliche Folge dieser Entscheidung: Alle laufenden Meiler gehen erst 2021 oder 2022 vom Netz - und nicht peu à peu, wie von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bei der Präsentation des Ausstiegsbeschluss skizziert.

Für Eon würden sich die Folgen aus dem Ausstiegsbeschluss schon erheblich relativieren. Gemäß dem ursprünglichen schwarz-gelben Beschluss sollten Isar 1 und Unterweser zusammen noch 17 Jahre am Netz bleiben. Wenn deren Reststrommengen nun auf die übrigen vier Eon-Kraftwerke übertragen werden können, kann der Konzern mit einigen Milliarden Euro Mehreinnahmen kalkulieren. Ein Eon-Sprecher wollte sich dazu nicht äußern.

Doch dieses Entgegenkommen reicht den Konzernen nicht. Laut FAZ geht es für Eon-Chef Teyssen für seinen Konzern um "einen zweistelligen Milliardenbetrag". Eon erwarte "natürlich den gebotenen Ausgleich für den mit diesen Entscheidungen verbundenen Vermögensschäden", heißt es in einer Presseerklärung.

RWE-Chef Großmann flankierte in einem Interview mit der Bild-Zeitung in der gewohnt markigen Art: "Die Frage nach der Berechenbarkeit muss man bei dieser Bundesregierung nicht nur in Energiethemen stellen." Sein Konzern hat noch keine Klage gegen die Brennelementesteuer eingereicht. Allerdings dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis es dazu kommt. "Wir haben immer gesagt, dass wir uns alle rechtlichen Optionen offenhalten. Es spricht vieles für und wenig gegen eine Klage", sagte Großmann.

Noch offen ist, wie sich die beiden kleineren Atomkonzerne Vattenfall und EnBW verhalten. "Derzeit steht keine Entscheidung an. Wir werden entscheiden, wenn wir den Steuerbescheid haben", sagte ein Sprecher von EnBW. Die Stuttgarter stehen dabei vor einem besonderen Problem: Seit Ende des vergangenen Jahres ist der Haupteigentümer des drittgrößten Kernkraftbetreibers das Land Baden-Württemberg - und dort wiederum ist seit einigen Wochen bekanntlich eine grün-rote Landesregierung im Amt. Von daher kann es gut sein, dass sich EnBW in der anstehenden Debatte eher zurückhaltend zeigt.

Großmann und Teyssen werden das sicherlich nicht tun.

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: