Atomausstieg: Brennelementesteuer:Vier Waffen für die Konzerne

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Deutschlands größter Energieversorger Eon hat eine Klage gegen die Brennelementesteuer angekündigt. Doch wie aussichtsreich ist ein solcher Schritt? sueddeutsche.de untersucht einige mögliche juristische Argumente.

Johannes Aumüller

Die großen Energiekonzerne sind in Aufregung. Nach dem Atomausstiegsbeschluss der Bundesregierung nehmen Eon, RWE & Co. viele Milliarden Euro weniger ein als geplant. Täglich attackieren sie deshalb die Politik - und wissen mittlerweile sogar einige Mitglieder der Koalitionsfraktionen auf ihrer Seite. Formal agieren die Konzerne dabei auf zwei Feldern: Zum einen möchten sie Ausgleichszahlungen für die Verluste, die aus der Laufzeitverkürzung resultieren, zum anderen kämpfen sie gegen die sogenannte Brennelementesteuer.

Eon ist der Betreiber des schleswig-holsteinischen Atomkraftwerkes Brokdorf. Der Konzern will wegen des Festhaltens der Bundesregierung an der Brennelementesteuer Klage einreichen. (Foto: dpa)

Rein finanziell ist die Laufzeitverkürzung für die Atomkonzerne der fatalere Einschnitt, die Rede ist von bis zu 22 Milliarden Euro. Bei der Brennelementesteuer geht es um jährlich 1,3 Milliarden Euro bis 2016. Doch während die Konzerne noch überlegen, wie sie mit den finanziellen Folgen der Laufzeitverkürzung umgehen, sind sie bei der Steuer schon einen Schritt weiter. Vor einer Woche kündigte Eon Klage gegen die Erhebung an: Der Konzern muss demnächst eines seiner Kraftwerke mit neuen Brennstäben befüllen - genau dann wird die Steuer fällig.

Etwas kurios ist das schon: Denn die Entscheidung für eine Brennelementesteuer fiel schon im Jahr 2010 - im Zuge der Laufzeitverlängerung. Zwar erklären Konzernvertreter heute, schon damals auf die rechtlichen Probleme verwiesen zu haben. Doch damals verzichteten sie auf rechtliche Schritte. Nun klagen sie, obwohl der Ausstiegsbeschluss an der juristischen Grundlage nichts geändert hat.

Doch wie groß sind die Erfolgsaussichten einer Klage? Darüber debattieren nun die Juristen. sueddeutsche.de erklärt, wieso sich die Konzerne Hoffnungen machen können.

[] Der Ausstiegsbeschluss des Jahres 2000

Im Juni 2000 ist die rot-grüne Bundesregierung voller Freude. Mit der "Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Energieversorgungsunternehmen" bringt sie eines ihrer zentralen politischen Vorhaben auf einen guten Weg: den Atomausstieg. Doch der Vertrag, den die Öffentlichkeit damals als eindeutige Niederlage für die Stromkonzerne wertete, kommt diesen heute womöglich zugute. Denn ihn ihm steht, dass die Bundesregierung keine Initiativen ergreifen wird, welche die Atomenergieerzeuger einseitig belasten - auch nicht im Steuerrecht. Und nun führt ein Jahrzehnt später die Bundesregierung die Brennelementesteuer ein.

"Die Betreiber haben einer Verkürzung der Laufzeiten nur zugestimmt, weil gleichzeitig eine künftige Diskriminierung über eine zusätzliche Steuer ausgeschlossen wurde", sagt Christopher Bremme von der Kanzlei Linklaters, die auf die Beratung von Energieunternehmen spezialisiert ist, in der Causa Brennelementesteuer aber über kein Mandat eines großen Stromkonzerns verfügt. "Wenn nun die Steuer trotz Laufzeitverkürzung kommt, kann man das schon so sehen, dass dies unverhältnismäßg ist."

Allerdings stellt sich die Frage, ob sich die Energiekonzerne überhaupt auf diesen Vertrag aus dem Jahr 2000 berufen können. Zum einen "ist es verfassungsrechtlich fragwürdig, ob sich der Gesetzgeber überhaupt in dieser Art und Weise binden darf", sagt der atomkraftkritische Marburger Energierechtsanwalt Peter Becker. Zum anderen lag zwischen dem damaligen Ausstiegsbeschluss und dem heutigen Ausstiegsbeschluss immerhin die Entscheidung, die Laufzeiten der Atomkraftwerke zu verlängern - inklusive etlicher Detailbeschlüsse. Damals hieß es, die Brennelementesteuer diene als Beitrag der Energiekonzerne zur Konsolidierung des Haushalts und zur Sanierung von Asse. Und an der Lage des Haushaltes und in der Asse hat sich ja nichts geändert.

[] Der Charakter der Steuer

Das Steuerrecht kennt zwei verschiedene Steuern: direkte und indirekte Steuern. Direkte Steuern wie etwa die Einkommensteuer zahlt der Steuerschuldner selbst, indirekte wie zum Beispiel die Umsatzsteuer gibt er an einen Dritten weiter. Die ernstgenannte Steuer auf Brennelemente zu erheben, ist nicht möglich, weil in Europa nach dem Euratom-Vertrag von 1957 Brennelemente von direkten Steuern zu befreien sind.

Die Bundesregierung deklariert die Brennelementesteuer als indirekte Verbrauchssteuer. Doch manche Juristen zweifeln diese Charakterisierung an. Denn zum einen kann die Verbrauchssteuer nur auf bestimmte Güter angewandt werden und zum Zweiten muss sie vom Erzeuger auf den Verbraucher übertragbar sein. Das heißt im Klartext: Als unmittelbare Folge der Steuer müsste der Strompreis um x Cent pro Kilowattstunde steigen. Bei der Brennelementesteuer ist das nach Meinung von Bremme nicht so: "Die Steuer auf Kernbrennstoffe lässt sich nur schwer unter diese Definition fassen."

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Dagegen argumentiert ein Gutachten des Bonner Professors Christian Waldhoff im Auftrag des Bundesumweltministeriums aus dem Jahr 2009. Er geht davon aus, dass die Atomenergie ein verbrauchsfähiges Wirtschaftsgut und die Brennelementesteuer mit der Mineralölsteuer zu vergleichen sei, weil sie den Endverbraucher wirtschaftlich belaste.

[] Das Argument der Doppelbesteuerung

Als Deutschlands größter Atomkonzern Eon vor gut einer Woche die Klage gegen die Brennelementesteuer ankündigte, berief er sich vor allem auf ein Argument: Die Steuer sei möglicherweise ein Verstoß gegen EU-Recht, weil sie Kernkraft als Energiequelle einseitig belaste. Hinter diesem Argument steht die sogenannte EU-Energiesteuerrichtlinie, die festlegt, dass entweder der erzeugte Strom besteuert werden kann oder der Gegenstand, aus dem der Strom erzeugt wird - aber nicht beides. Entsprechend könnten die Atomkraftwerksbetreiber hier auf eine Gleichbehandlung mit Kohle oder Gas drängen.

Allerdings ist die Kernkraft in der Richtlinie nicht explizit erwähnt, anders als Kohle und Gas. Nun könnte man argumentieren, dass die Energieträger miteinander vergleichbar seien, die Regelung bezüglich der Doppelbesteuerung auch für die Kernkraft zu gelten habe - und die Brennelementesteuer unzulässig ist. Dennoch sagt Rechtsanwalt Becker, Autor des Buches Aufstieg und Krise der deutschen Stromkonzerne: "Ich halte eine Brennelementesteuer für überfällig." Becker ist wie etliche andere Experten der Auffassung, dass sich mit dem Verweis auf die Energierichtlinie die Klage gegen die Brennelementesteuer nicht rechtfertigen lässt.

Zugleich gibt es für die Bundesregierung einen Ausweg. Denn nach der Energiesteuerrichtlinie ist es aus umweltpolitischen Gründen zulässig, Brennstoffe für die Stromerzeugung doppelt zu besteuern. Als Kriterien dafür stehen mehrdeutige Formulierungen wie "Bekämpfung des Klimawandels", "Förderung von Beschäftigung und Wachstum" oder "Verringerung der Abhängigkeit von Gas- und Ölimporten" im Raum. Und vom Abschalten der Atomkraft auf eine geringere Gas- und Ölabhängigkeit zu kommen, ist zwar ein gewagter, aber dennoch ein nachvollziehbarer Schritt.

[] Die Diskriminierung der deutschen Energieversorger

Als weiteres Argument könnte Eon die sogenannte Inländerdiskriminierung nennen. Denn immerhin müssen die deutschen Energiekonzerne die Brennelementesteuer bezahlen - während die ausländischen Stromkonkurrenten um sie herumkommen. Das erschwert unter Umständen die Wettbewerbssituation auf dem inländischen Markt, aber auch die Exportmöglichkeiten. Ein Gutachten des Speyerer Professors Joachim Wieland aus dem Jahr 2002 kommt allerdings zu dem Schluss, dass die steuerliche Benachteiligung inländischer Kraftwerkbetreiber unproblematisch sei.

Klar ist: Sollten sich die Kernkraftbetreiber tatsächlich zu einer Klage entschließen und beispielsweise bei der Europäischen Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren anstrengen, könnte sich die juristische Debatte über einige Jahre hinziehen. Das dürfte weder der Politik noch der Atomlobby passen.

Zugleich mehren sich die Hinweise, dass die Konzerne auch gegen andere Aspekte der Energiewende juristisch vorgehen könnten. So bemängelte beispielsweise in der Anhörung des Umweltausschusses der ehemalige Chef der Atomaufsicht des Bundes, Wolfgang Renneberg, die Begründung des Atomgesetzes. Auf die Katastrophe von Fukushima-1 und eine neue Risikobewertung werde dort kein Bezug genommen. Auch sei die Abschaltung von baugleichen und fast gleich alten Reaktoren zu unterschiedlichen Zeitpunkten rechtlich fragwürdig, sagte der frühere Leiter der Abteilung Reaktorsicherheit im Umweltministerium.

Die Brennelementesteuer könnte Teil einer gerichtlichen Auseinandersetzung werden oder auch als Teil eines Atom-Paketes zwischen Politik und Energiebranche noch einmal neu debattiert werden.

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