Raumfahrt:Eine Chance für Ariane

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Eine Ariane 5 startet vom Weltraumbahnhof in Kourou. (Foto: Guillon/dpa)

Russische Sojus-Raketen haben bislang auch Galileo-Satelliten ins All geschossen. Sanktionen verbieten das nun - und davon könnte die Ariane 6 profitieren.

Von Dieter Sürig

Auf der Webseite von Arianespace ist sie noch zu sehen: die russische Sojus -Rakete. Denn neben den Raketen der europäischen Raumfahrtagentur Esa, Ariane und Vega, wirbt der kommerzielle Anbieter von Trägerraketenstarts auch für die russische Rakete. Seit rund 20 Jahren nutzt das Unternehmen, das eine Tochter der Ariane-Group ist, die Sojus. Sie startet von Startplätzen der russischen Raumfahrtbehörde Roskosmos, seit 2011 auch vom europäischen Startplatz in Kourou, Französisch-Guyana. Arianespace hatte die Sojus bislang für mittelschwere Satelliten eingesetzt, beispielsweise für das Navigationssystem Galileo. Sie passt von der Kapazität her zwischen die beiden Esa-Raketen.

Was jahrelang funktionierte, hat wegen des Krieges in der Ukraine nun vorerst ein Ende gefunden - aufgrund der Sanktionen gegen Russland und dem Abzug der Roskosmos-Mitarbeiter aus Kourou. Arianespace stehe in engem Kontakt mit seinen Kunden, Regierungen und Institutionen auf französischer und europäischer Ebene, "um alle Folgen dieser Situation bestmöglich abzuschätzen und Alternativen zu entwickeln", meldet das Unternehmen.

Ob die Kooperation jemals wieder aufgenommen werden kann, ist aber völlig unklar. Sicher scheint nur, dass alleine in diesem Jahr mehrere Starts in Gefahr sind, darunter zwei mit jeweils zwei Galileo-Satelliten und mehrere für die indisch-britische Internetkonstellation Oneweb. Ein Flug ist bereits vor zwei Wochen ausgefallen. Außerdem sollte das Esa-Weltraumteleskop Euclid mit einer Sojus ins All gebracht werden.

Neben Arianespace sucht auch die Esa für ihre Missionen mit Hochdruck nach Ersatz, zumal bisher für 2023 ebenfalls einige Sojus-Starts für europäische Projekte eingeplant waren. Man wolle sich dabei "insbesondere auf die derzeit in Betrieb befindlichen Trägersysteme und die kommenden Träger Vega-C und Ariane 6 stützen", teilt die Esa mit. "Wir konzentrieren uns zunächst auf unsere eigenen Trägerraketen", sagte Esa-Chef Josef Aschbacher am Donnerstagabend nach dem Esa-Council. Er schließe aber auch nicht aus, "bei Bedarf außerhalb Europas zu suchen". Für kleinere Satelliten würden zudem kommerzielle Kleinraketen in Betracht gezogen, die mehrere Start-ups gerade entwickeln, also Microlauncher.

Dass die Missionen auf eine Ariane 5 ausweichen könnten, dürfte zwar technisch möglich sein, erfordert aber weitere Umplanungen, da diese Rakete eine höhere Kapazität hat als die Sojus. Aber: Mit der auslaufenden Ariane 5 sind 2022 noch fünf Starts geplant, sie sind allerdings schon vergeben. Bei der Vega, die in Italien gebaut wird, sind die Kapazitäten bisher eigentlich zu klein, außerdem steuert sie nur den niedrigen Erdorbit an. Besser geeignet wäre die neue Vega-C, die demnächst erstmals abheben soll und mit 2,3 Tonnen etwa 60 Prozent mehr befördern könnte. Eine Stufe wird allerdings in der Ukraine gebaut, was die Sache nicht einfacher macht.

Die Nachfrage nach der Ariane könnte nun steigen

Nun rächt sich eine umstrittene Entscheidung der Esa, Aufträge für zehn weitere Ariane-5-Raketen wieder zu streichen. Die Ariane-Group, eine Tochter von Airbus und Safran, sollte sie bis 2022 parallel zum neuen Modell bauen. Von einem Nachfrageeinbruch bei geostationären Satelliten war seinerzeit die Rede, die Esa wollte lieber sicherstellen, dass die neue Ariane 6, die bisher knapp vier Milliarden Euro gekostet hat, genügend ausgelastet ist. In der Folge mussten Mitarbeiter der Raketenhersteller gehen, zumal die Produktion der Ariane 6 weit automatisierter ist als beim Vorgängermodell und auch der geplante Bau von bis zu zwölf Raketen pro Jahr wegen der Nachfrageflaute zunächst nicht mehr absehbar war. Abgesehen davon, dass sich der Erststart der Rakete seit 2020 wegen der Pandemie und technischer Probleme verzögert: Die Auftragsbücher sind zwar bereits gut gefüllt, jedoch bei weitem nicht so stark wie erhofft.

Seit 2011 hat Arianespace mit der Sojus auch vom europäischen Startplatz in Kourou aus Satelliten ins All geschossen, wie hier zwei Galileo-Satelliten. (Foto: dpa)

Wegen des Ausfalls der Sojus-Raketen für westliche Kunden ergeben sich nun allerdings Chancen, dass die Nachfrage nach der Ariane anzieht und die Produktion hochgefahren werden kann. Zum einen sollten die nächsten Galileo-Satelliten sowieso mit der Ariane 6 gestartet werden, warum also nicht auch die vier "gestrandeten" Satelliten? Andererseits hat die Firma Oneweb aus ihrem Vertrag mit Arianespace noch sechs Starts ausstehen. Seit 2019 hat der Dienstleister mit 13 Sojus-Raketen bereits 428 Oneweb-Satelliten in den Erdorbit gebracht. Und vor drei Jahren hatte Arianespace-Chef Stéphane Israël getwittert, dass Oneweb auch mit dem Erstflug der Ariane 6 und optional zwei weiteren Flügen der neuen Rakete starten werde. Nur hat sich der mehrfach verzögert. Sollte sie also tatsächlich bis Ende des Jahres abheben, wie derzeit noch kommuniziert, könnte Arianespace die Sojus-Lücken leichter füllen.

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