Migration:Wo die deutsche Wirtschaft von Ausländern abhängt

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Eine Reinigungskraft zieht einen Wagen mit Wäsche durch einen Gang in einem Alten- und Pflegeheim. (Foto: Frank Rumpenhorst/dpa)

Die deutsche Wirtschaft braucht Ausländer. In einigen Branchen stellen sie mehr als ein Drittel der Arbeitskräfte. Und der Anteil steigt.

Von Sabina Crisan, dpa

München (dpa) - Etwa jeder siebte Arbeitnehmer in Deutschland ist Ausländer. Sie machen rund 15 Prozent der sozialversicherten Beschäftigten aus, wie aus Statistiken der Bundesagentur für Arbeit (BA) hervorgeht. In einigen Berufszweigen ist der Anteil noch sehr viel höher - und er steigt. „Schon heute sind somit viele Branchen stark von ausländischen Arbeitskräften abhängig“, sagt der Migrationsexperte des Ifo-Instituts, Panu Poutvaara. Ein Überblick über die Lage.

Branchen mit besonders hohem Ausländeranteil

Besonders hohe Anteile von Migranten finden sich laut Poutvaara und den Zahlen der Bundesagentur mit Stand März 2023 unter anderem bei Reinigungskräften mit 41 Prozent, in der Lebensmittelherstellung mit 38 Prozent, im Hoch- und Tiefbau mit 33 Prozent sowie dem Tourismus, Hotel- und Gaststättengewerbe mit 32 Prozent. Auch im Verkehrs- und Logistiksektor sowie der Landwirtschaft sind Migranten deutlich überrepräsentiert.

Und die Ausländeranteile haben zuletzt tendenziell zugenommen. Noch im Sommer 2021 lagen sie ein Stück niedriger.

Der Bedarf

Die Wirtschaft steht der Zuwanderung von Arbeitskräften positiv gegenüber. „Wir müssen in den nächsten Jahren den demografischen Wandel abfedern. Ohne Fach- und Arbeitskräfte aus dem Ausland werden wir unseren Wohlstand nicht halten“, heißt es von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Dabei sei ein Baustein, „dass wir schnell deutlich attraktiver für qualifizierte Zuwanderer werden“.

Und Martin Lange, Arbeitsmarktexperte am Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim, betont: „Ohne Zuwanderung ist unser Wohlstand gefährdet.“ Deutschland stehe dabei im globalen Wettbewerb. „Wenn es sich selbst als zuwanderungsfeindlich positioniert, wird uns das für andere Länder und Fachkräfte nicht attraktiv machen.“

Die Entwicklung

In einigen Berufsgruppen lässt sich bereits sehen, wie sinkende Zahlen deutscher Arbeitskräfte durch Ausländer ausgeglichen werden. Eine Auswertung der BA für die Deutsche Presse-Agentur zeigt dies für den Zeitraum von 2018 bis 2023 beispielsweise für das verarbeitende Gewerbe: Die Zahl der Deutschen ist dort um 285.000 gesunken, die der Ausländer um 202.000 gestiegen. Im Gastgewerbe sind es knapp 64.000 Deutsche weniger und 72.000 Ausländer mehr. Auch im Finanz- und Versicherungssektor gibt es einen solchen Trend: Die Zahl der Deutschen sank um 22.000, die der Ausländer stieg um 19.000. Hier ist der Ausländeranteil mit knapp sechs Prozent allerdings weiter deutlich unterdurchschnittlich.

In einigen Berufen wächst dagegen sowohl die Zahl der Deutschen als auch der Ausländer kräftig, beispielsweise im Gesundheitswesen, der Information und Kommunikation oder im Bereich Erziehung und Unterricht.

Die Herkunft der Arbeitskräfte

Menschen aus anderen EU-Staaten sind laut Lange vor allem im verarbeitenden Gewerbe, im Handel, Verkehr und auch im Baugewerbe vertreten. Menschen aus den Ländern, aus denen in den vergangenen Jahren besonders viele Asylsuchende kamen, fänden sich vor allem im Handel aber auch im Verkehr und im Gastgewerbe, sagt er. „Und Menschen aus dem Westbalkan sind jetzt vor allem in der Baubranche beschäftigt, weil es seit ein paar Jahren die Westbalkanregelung gibt, die es Fachkräften ermöglicht, hier zu arbeiten, wenn sie über die Regelung einen Arbeitsplatz in Deutschland gefunden haben.“ Davon machten vor allem Bauunternehmen Gebrauch.

Das Qualifizierungsniveau

Laut Lange kommen sowohl hoch- als auch geringqualifizierte Ausländer. Teilweise erlebten Zuwanderer einen „Downgrading“ genannten Effekt. Oft müssten sie „als Hilfskräfte beginnen und wechseln mit der Zeit in Fach- oder Expertentätigkeiten“, sagt er. Insbesondere bei Ärzten oder Juristen sei es schwierig, ihre beruflichen Qualifikationen anerkennen zu lassen.

© dpa-infocom, dpa:231117-99-979362/2

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