Mit Kalender und Tauschbörse:Schichtarbeit und Familie: Wie passt das unter einen Hut?

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Nicht immer leicht unter einen Hut zu bekommen: Wochenenddienste und gemeinsame Zeit mit der Familie. (Foto: Christin Klose/dpa-tmn)

Am Abend, am Sonntag, in der Nacht? Wer im Schichtdienst arbeitet, hat oft andere Arbeitszeiten als das Umfeld - oder muss schlafen, wenn die Familie wach ist. Was das Leben dann leichter machen kann.

Von Anke Dankers, dpa

Düsseldorf/Frankfurt/Gelsenkirchen (dpa/tmn) - Gerade ist die Nachtschicht beendet, da verlangt das Kleinkind Aufmerksamkeit, der Arzttermin steht an und die Wäsche stapelt sich in Bergen. Oder man muss dann arbeiten, wenn alle Bekannten frei haben, etwa am Sonntag.

Familie, Haushalt, Freundschaften und Arbeit unter einen Hut zu bekommen, ist oft eine echte Herausforderung. Für Menschen, die im Nacht- und Schichtdienst arbeiten, kommen häufig noch zusätzliche Hürden hinzu. Wie also kann es gelingen, Dienstpläne und Familienzeit in Einklang zu bringen?

Ein vielschichtiges Thema, sagt Veit Hartmann, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für angewandte Arbeitswissenschaft (ifaa). Dabei spielt die Art der Schichtarbeit eine wesentliche Rolle. „Es ist etwas völlig anderes, ob Sie in einem fest rotierenden Dreischichtbetrieb mit einem Jahreseinsatzplan in der Industrie oder in einem Krankenhaus arbeiten“, sagt der Experte. Denn so unterschiedlich wie die Betriebe und ihre jeweiligen Anforderungen sind, so unterschiedlich sind auch die Möglichkeiten, Schichtarbeit familienfreundlich zu gestalten.

Eigene Bedürfnisse kommunizieren

Vor allem Arbeitgeber sind gefordert: Eine Grundvoraussetzung für die Vereinbarkeit von Arbeits- und Privatleben sieht Veit Hartmann etwa in der verlässlichen und langfristigen Planung von Arbeitszeiten.

Und es gibt weitere Wege, um Arbeitnehmer zu entlasten. „Ein gewisser Anteil von Gleitzeit ist oft möglich. Wir erleben es aber auch, dass Familien- oder Zwischenschichten eingerichtet werden, die dann zu familienfreundlichen Zeiten stattfinden“, berichtet Oliver Schmitz, Geschäftsführer der Berufundfamilie Service GmbH - ein Dienstleister und Think Tank, der Unternehmen im Bereich Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Privatleben unterstützt. Auch Job-Sharing, bei dem sich zwei Arbeitnehmer eine Schicht teilen, sei gelegentlich zu beobachten.

Immer ein großes Thema: die Personalplanung. Hier sei etwa wichtig, dass die Person, die die Planung macht, auch „von den Bedarfen der Mitarbeitenden weiß“, sagt Oliver Schmitz. Helfen können dabei digitale Lösungen. Mit intelligenten Personalplanungssystemen lasse sich schnell und einfach nachvollziehen, wann und wo Mitarbeiter gebraucht werden und welche Arbeitnehmer zur Verfügung stehen. Wichtig sei auch eine gute Vertretungsregelung, so Oliver Schmitz.

Schichttauschbörsen für Beschäftigte

Ebenfalls oft hilfreich: Spielraum für kurzfristige Änderungen. Hier können unter Umständen Schichttauschbörsen helfen. Beschäftigte erhalten darüber beispielsweise die Möglichkeit, Dienstzeiten so zu tauschen, dass private Termine wahrgenommen werden oder Betreuungsengpässe aufgefangen werden können.

Tauschanfragen lassen sich etwa über eine digitale Plattform oder auch über ein Schwarzes Brett realisieren. Der Tausch kann so von den Beschäftigten oft weitgehend selbstständig organisiert werden, heißt es etwa in einer Publikation der Servicestelle Familienpakt Bayern zu dem Thema. Das Unternehmen oder die Schichtdienstleistung prüft lediglich, ob eine Autorisierung der Änderungswünsche erfolgen kann.

Verschiedene Schichtmodelle zu kombinieren und flexibel zu bleiben, kann ebenfalls Lösungen bieten. „Jede Einrichtung muss das beste Modell für sich finden und sich die Frage stellen, wie sich die Anforderungen des Betriebs und die Wünsche der Mitarbeiter am besten vereinbaren lassen“, sagt Veit Hartmann.

Transparenten Terminkalender pflegen

Und was können Beschäftigte selbst tun, um Schichtarbeit und Privatleben unter einen Hut zu bekommen? Etwa mit einem gut geführten Terminkalender für Job und Privatleben arbeiten.

„Am günstigsten ist es, einen sehr transparenten Terminkalender zu haben, in den alles hineingeschrieben wird, was planbar ist“, rät Michaele Steinmann, von der Ehe-Familien-Lebensberatung der Caritas Gelsenkirchen. „Anhand dessen lässt sich auch bestimmen, wer für was zuständig ist.“ So könne man auch die Vorteile der Schichtarbeit besser nutzen: Etwa Zeitfenster für Veranstaltungen oder Erledigungen zu haben, die es in einem klassischen Nine to five-Arbeitsalltag oft nicht gibt.

Haben alle Familienmitglieder Zugriff auf den Kalender, etwa durch einen gemeinsam genutzten Online-Kalender, erleichtert das oft Absprachen. Der Partner oder die Partnerin sieht dann beispielsweise sofort, wann welche Schicht ansteht - und kann sich darauf einstellen.

Aber auch sonst ist eine gute Kommunikation wichtig - mit dem Arbeitgeber und der Familie. Hier gehe es etwa darum, sich zu trauen die eigenen Belange zu erkennen und anzusprechen. „Und auch zu sehen, auf was jetzt verzichtet werden muss, weil andere Prioritäten da sind“, sagt Steinmann. Manchmal kann es etwa durchaus Sinn machen, sich beispielsweise die Frage zu stellen, wie aufgeräumt die Wohnung wirklich sein muss - und dies mit der Familie abzustimmen.

Raum für Ruhe

Eines sollte aber immer Priorität haben: Auf die eigene Gesundheit zu achten. „Wichtig ist, die Schlafenszeiten einzuhalten“, sagt Steinmann. „Dass in dieser Zeit wirklich ein ruhiges Umfeld herrscht und niemand die Erwartung hat, dass nun geputzt wird“, so Steinmann.

Wer wegen einer Nachtschicht zu Zeiten schlafen muss, in denen die anderen Familienmitglieder wach und Zuhause sind, stellt das eigene Bedürfnis nach Schlaf also besser nicht hinten an.

Steinmann zufolge sinnvoll: Klar zu formulieren, welche Erwartungen man an den eigenen Alltag und die freie Zeit hat. „Ist das Freizeit und wenn ja, für wen? Oder sind das Zeiten für Familienarbeit?“

Egal ob in der Nacht oder am Tag, Schichtarbeit ist belastend. Sich selbst dieser Belastung bewusst zu werden, hält Veit Hartmann für essenziell „Man sollte nicht jedem Euro hinterher rennen und noch die siebte Nachtschicht nur des Geldes wegen machen“, sagt der Experte. „Das ist weder für die Gesundheit noch für die eigene Vereinbarkeit gut.“

© dpa-infocom, dpa:240104-99-493538/2

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