Apple:Irland will kein Geld von Apple - jetzt sollte Deutschland zugreifen

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Freund großer Gesten: Apple-Chef Tim Cook (Foto: dpa)

Der iPhone-Konzern soll 13 Milliarden Euro Steuern nachzahlen. Wenn Irland sich dagegen wehrt, braucht es eben Razzien in München und Frankfurt.

Kommentar von Bastian Brinkmann

Die EU-Kommission hatte der irischen Regierung ein ungewöhnliches Geschenk gemacht. Irland bekommt entweder 13 Milliarden Euro - oder die Regierung wehrt sich dagegen, um ihren Prinzipien treu zu bleiben. Das irische Kabinett hat nun entschieden. Irland klagt gegen die Entscheidung der EU-Kommission, dass Apple Steuern in Höhe von 13 Milliarden Euro nachzahlen muss.

Irland wehrt sich gegen eine Rekordsumme. Stellt man sich den irischen Haushalt als Gehaltsscheck vor, entspricht das Geld einer Einmalzahlung in Höhe von fast 20 Prozent. Doch der Finanzminister hat Angst, dass Irlands Ruf als Steueroase leidet. Muss Apple zahlen, so die Befürchtung, könnte das künftige Investoren abschrecken.

Der Fall betrifft nicht nur Irland. Die EU-Kommission hat darauf hingewiesen, dass auch andere Länder jetzt Nachzahlungen fordern könnten. Treiben andere Staaten mehr bei Apple ein, würde das die Dubliner Einnahmen reduzieren. Das ist eine Einladung an die europäischen Länder, sich die jeweiligen nationalen Niederlassungen von Apple noch einmal genauer anzuschauen. Und sie gilt umso mehr, seit Dublin die Klage gegen die Brüsseler Entscheidung angekündigt hat.

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Wahrscheinlich haben die nationalen Apple-Firmen geheime Verträge mit den Niederlassungen in Irland geschlossen, um zu regeln, wie viel Geld beispielsweise von Deutschland nach Irland fließt. Konzerne nutzen solche Verträge, um Gewinne in Länder zu verschieben, in denen die Steuern niedrig sind - eben niedrig wie in Irland. Wie das genau funktioniert, ist nicht überprüfbar. Das Steuergeheimnis schützt Steuertrickser.

In Deutschland gibt es eine Apple GmbH in München, für sie ist der bayerische Finanzminister Markus Söder zuständig. Doch der CSU-Politiker stellt sich schützend vor Apple, nennt die 13 Milliarden Euro eine "überzogene" Forderung. Außerdem gibt es die Apple Retail Germany B.V. & Co. KG mit Sitz im hessischen Frankfurt, die für die Apple-Stores verantwortlich ist.

Die EU-Entscheidung ein berechtigter Anlass, sich die deutsche Apple-Konstruktion noch einmal genau anzuschauen. Der Staat sollte sich dabei nicht auf die Angaben von Apple verlassen. Denn die nun von der EU enthüllten Steuertricks in Irland zeigen, dass der Konzern extrem dreist vorgeht. Und die Höhe der Entscheidung zeigt, wie viel auf dem Spiel steht. Darum müssten Steuerbeamte jetzt in den Geschäftsräumen der deutschen Apple-Gesellschaften überprüfen, wie diese Firma wirklich arbeitet. Die Beamten müssten E-Mails und geschäftliche Originaldokumente beschlagnahmen und in Ruhe auswerten. Nötig ist also eine Razzia.

Das ist keine verrückte Forderung. Frankreich hat in einem anderen Fall genau das gemacht. Im Mai durchsuchten hundert Ermittler die Pariser Niederlassung von Google. Auch dieser US-Konzern nutzt Irland als Steueroase. Die Ermittlungen dauern an.

Für Google wie für Apple gilt die Unschuldsvermutung - aber es ist vorbildlich, dass Frankreich die Sache juristisch klärt. Außerdem haben die Lux-Leaks-Enthüllungen gezeigt, wie windig die Geheimverträge sind, mit denen die Konzerne Profite in Steueroasen verschieben: Dank zweier Whistleblower, die gerade in Luxemburg vor Gericht stehen, kennt die Öffentlichkeit nun Hunderte solcher Verträge, wie sie auch Apple nutzt. Bei vielen drängt sich die Frage auf, ob sie wirklich legal sind oder die Steuergesetze nicht nur gebogen, sondern auch gebrochen haben. Auch hier gab es leider keine ausreichende juristische Aufklärung.

Allerdings wird nun nicht alles einfach. Denn jetzt beginnt auch ein globaler Verteilungskampf. Die neue Frage der Steuerpolitik ist: Wer bekommt die zusätzlichen Milliarden? Apple-Chef Tim Cook hat jetzt angekündigt, im Jahr 2017 mehrere Milliarden Dollar Steuern zahlen zu wollen - aber in den USA. Setzt er den Plan wirklich um, bleibt von den 13 Milliarden Euro voraussichtlich nichts übrig. Dann würde Irland leer ausgehen. Und Deutschland würde mit oder ohne Razzia nichts abbekommen.

Das klingt aus nationaler Perspektive vielleicht zunächst schlecht, ist aber richtig so. Der neue Verteilungskampf kann dazu führen, dass auch deutsche Autokonzerne mehr Steuern im Ausland zahlen - und somit weniger in Deutschland. Das ist nur fair. Denn die Firmen exportieren viel, beziehen viele Zuliefererteile aus dem Ausland. Die Gewinne daraus müssen angemessen verteilt werden, nach einer international gemeinsam entschiedenen Formel, die auf Verkaufszahlen, Mitarbeiter und Produktionsketten schaut. Aus globaler Perspektive kann dieser Verteilungskampf nur gut ausgehen. Wenn mehr zu verteilen ist, bleibt mehr für alle.

© SZ vom 02.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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